Papst Franziskus sagte bei der Begegnung mit den deutschen Protestanen, Lutheraner und Katholiken hätten im Rahmen der Reformationsfeierlichkeiten erstmals Gelegenheit, "weltweit ein und dasselbe ökumenische Gedenken zu halten, nicht in Form einer triumphalistischen Feier, sondern als Bekenntnis unseres gemeinsamen Glaubens". Im Mittelpunkt des Ereignisses stehe neben Freude über die Ökumene die Bitte um Vergebung für die wechselseitige Schuld.
Der Papst erinnerte zudem an Fortschritte im ökumenischen Dialog von Katholiken und Lutheranern und erwähnte die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre aus dem Jahr 1999. Sie hätten dazu geführt, dass das Verhältnis heute trotz theologischer Unterschiede von Zusammenarbeit und geschwisterlichem Miteinander gekennzeichnet sei.
Warnung vor neuen konfessionellen Differenzen
Angesichts der jüngsten Spannungen beklagte Franziskus, das "gemeinsame Ziel der vollen und sichtbaren Einheit der Christen scheint bisweilen in die Ferne zu rücken, wenn im Dialog unterschiedliche Interpretationen dessen auftreten, was die Kirche und was ihre Einheit ist". Mit Hinweis auf den lutherisch-katholischen Dialog in Deutschland über das Thema "Gott und die Würde des Menschen" unterstrich der Papst, von größter Aktualität seien die Fragen zur menschlichen Würde am Anfang und am Ende des Lebens. Offene Fragen über Ehe, Familie und Sexualität dürften im ökumenischen Dialog aus Angst, die bislang erreichte Übereinstimmung aufs Spiel zu setzen, nicht übergangen werden. "Es wäre schade, wenn es angesichts dieser wichtigen Fragen zu neuen konfessionellen Differenzen kommen würde."
"Wir sind nahe beieinander", sagte der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, Gerhard Ulrich, bei der Begegnung mit dem katholischen Kirchenoberhaupt. Ulrich wurde unter anderem begleitet von dem lutherischen Catholica-Beauftragten, Landesbischof Karl-Hinrich Manzke, und dem katholischen Bischof von Magdeburg und Ökumene-Experten Gerhard Feige.
Verbindliche Schritte und Vereinbarungen
Im Hinblick auf das Reformationsjubiläum sagte Bischof Ulrich, für die Lutheraner sei klar, "dass wir diesen Weg auf das Gedenkjahr 2017 hin nur zusammen mit der römisch-katholischen Kirche gehen können". Er regte in diesem Zusammenhang an, beide Kirchen sollten weitere verbindliche Schritte und Vereinbarungen anstreben. So könnte etwa ab 2017 eine "Gemeinsame Erklärung zu Kirche, Eucharistie und Amt" vorbereitet werden, die der vatikanische "Ökumene-Minister", Kardinal Kurt Koch, ins Gespräch gebracht hatte.
Ulrich verwies auf den fruchtbaren gemeinsamen ökumenischen Weg, den lutherische und römisch-katholische Christen seit langem beschritten. Dank der Impulse, die das Zweite Vatikanische Konzil ausgelöst habe, könne auf "fünf Jahrzehnte der Weggemeinschaft" zurückgeblickt werden. Die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigung von römisch-katholischer Kirche und Lutherischem Weltbund habe maßgeblich dazu beigetragen, über eines der kontroversesten theologischen Themen einen "differenzierten Konsens" herzustellen.
Gemeinsamer Glaubensschatz
Dieser Weg sei im vergangenen Jahr mit dem Dialogdokument "Vom Konflikt zur Gemeinschaft" fortgesetzt worden, erinnerte der Landesbischof der Nordkirche. Ulrich warb dafür den "gemeinsamen Glaubensschatz wiederentdecken". Dem Papst überreichten die Besucher aus Deutschland als Gastgeschenk eine kleine Statue, die auf wichtige ökumenische Dokumente verweist und das Logo "2017 gemeinsam unterwegs" trägt. Gefertigt wurde sie von Studierenden des Studiengangs Produktdesign der Hochschule Hannover.
Die Delegation der deutschen Lutheraner hält sich seit Sonntag in Rom auf. Auf dem Programm standen unter anderem Gespräche mit Präsident Koch vom Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen sowie mit dem Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller. Die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands ist der Zusammenschluss von sieben lutherischen Landeskirchen mit zusammen rund 9,5 Millionen Gläubigen.