Papst Franziskus hat vor der UN-Vollversammlung in New York mehr Einfluss für Entwicklungsländer innerhalb der Vereinten Nationen gefordert. Der Ruf nach einer gerechteren Machtverteilung betreffe vor allem die Exekutivorgane wie den Weltsicherheitsrat und die Instrumente zur Bewältigung von Wirtschaftskrisen, sagte er am Freitag zum Auftakt des UN-Nachhaltigkeitsgipfels vor den Delegierten der Weltorganisation. Ziel müsse sein, "ausnahmslos allen Ländern eine Beteiligung und einen realen und gerechten Einfluss auf die Entscheidungen zu gewähren".
Die internationalen Finanzbehörden hätten die Pflicht, schwache Länder vor einer "erstickenden Unterwerfung durch Kreditsysteme" zu schützen, so Franziskus. Diese zwängten die Menschen "unter das Joch von Mechanismen, die zu noch größerer Armut, Ausschließung und Abhängigkeit führen". Eine fairere Machtverteilung und mehr Mitspracherechte für Entwicklungsländer könnten Missbrauch und Zinswucher begrenzen.
"Zeitpläne nicht auf die Zukunft verschieben"
Franziskus, der zuvor von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon begrüßt worden war, sprach als vierter Papst vor der UN-Vollversammlung. Anlass war das 70-jährige Bestehen der Weltorganisation und der UN-Nachhaltigkeitsgipfel. Die UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung bezeichnete der Papst in seiner rund 50-minütigen, auf Spanisch gehaltenen Rede als wichtiges Zeichen der Hoffnung für die Ausgeschlossenen dieser Welt.
Feierlich übernommene Verpflichtungen reichten jedoch nicht aus, sondern es brauche einen beständigen Willen zu deren Umsetzung. "Wir können es uns nicht leisten, 'einige Zeitpläne' auf die Zukunft zu verschieben." Die Regierenden müssten alles tun, um jedem Menschen ein Leben in Würde und Sicherheit sowie den Zugang zu den materiellen und geistigen Gütern der Welt zu ermöglichen. Dies betrifft nach seinen Worten sowohl das Recht auf Wohnung, Arbeit und Land wie den Respekt vor geistiger Freiheit, etwa der Religionsfreiheit und dem Recht auf Bildung.
"Wegwerfkultur" des Ausschließens von Schwachen
Die "unheilvollen Auswirkungen einer unverantwortlichen Zügellosigkeit der allein von Gewinn- und Machtstreben geleiteten Weltwirtschaft" hätten zu einer ökologischen Krise geführt, die die Existenz der ganzen Menschheit infrage stelle, sagte der Papst. Der Mensch dürfe sich nicht über die Natur hinwegsetzen, sondern sei selbst ein Teil von ihr. Daraus resultiere ein natürliches Sittengesetz, das die Zerstörung der Umwelt ebenso verbiete wie eine "Wegwerfkultur" des Ausschließens gegenüber Schwachen, Alten und Ungeborenen. Franziskus kritisierte eine verbreitete "völlige Verweigerung der menschlichen Brüderlichkeit" gegenüber den Ärmsten, die am schwersten unter dem Missbrauch der Schöpfung litten. Stattdessen brauche die Welt im Kampf gegen Armut und Umweltzerstörung globale Entscheidungen.
Der Papst mahnte die UN-Vertreter zum unermüdlichen Einsatz für den Frieden. Auf Konfliktschauplätzen wie der Ukraine, Syrien, im Irak, in Libyen, dem Südsudan und im Gebiet der großen afrikanischen Seen würden Menschen angesichts von Parteiinteressen und Strategien zu Material. Scharf verurteilte Franziskus die Verfolgung von ethnischen und religiösen Minderheiten, besonders der Christen im Nahen Osten und Nordafrika. Hass und Wahnsinn zerstörten dort deren kulturelles Erbe und trieben sie in die Flucht. Diese systematischen Gewalttaten müssten die Vereinten Nationen verhindern.
Für die Abschaffung der Atomwaffen
Die Weltgemeinschaft rief der Papst außerdem zum verstärkten Einsatz gegen die Verbrechen in der Welt auf. Dazu zählten unter anderem Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung, Sklavenarbeit, Prostitution, Waffenhandel und Terrorismus. Insbesondere der Drogenhandel und die damit verbundene Korruption ähnelten inzwischen einem Krieg, der "in Kauf genommen" und mit ärmlichen Mitteln geführt werde.
Franziskus forderte überdies die Abschaffung der Atomwaffen. Ihre Existenz sei ein starker Kontrast zur Charta der Vereinten Nationen, die allein die friedliche Lösung von Konflikten erlaube. In diesem Zusammenhang lobte der Papst die jüngste Vereinbarungen im Atomstreit mit dem Iran, ohne das Land explizit zu nennen.
Lob von Misereor
Das katholische Hilfswerk Misereor hat die Rede von Papst Franziskus vor der UN-Vollversammlung in New York als ermutigendes Signal gewürdigt. "Der Papst traut der internationalen Gemeinschaft zu, die weltweiten Herausforderungen durch Verhandlungen und Vereinbarungen zu lösen", sagte Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Freitag in einer ersten Reaktion.
Der Papst habe in seiner Rede "eindringlich" auf den Zusammenhang von Armut, Ungleichheit und Klimawandel hingewiesen, so Spiegel weiter. Um die daraus resultierenden Bedürfnisse zu lösen, bedürfe es nach den Worten von Franziskus eines Bewusstseinswandels hin zu mehr Gerechtigkeit. Mit seiner Vision einer "universalen Geschwisterlichkeit und der Unverfügbarkeit allen Lebens" wolle der Papst die Staatslenker bewegen, ihre Politik stärker an Gemeinwohl und Umweltschutz auszurichten.
Nach UN-Rede Besuch von Ground Zero
Franziskus besucht nach seiner Rede vor den Vereinten Nationen das Ground Zero Memorial in Manhattan, um der Opfer der Terroranschläge auf das World Trade Center 2001 zu gedenken. Mit dem Termin verbunden war eine interreligiöse Begegnung mit Vertretern der jüdischen und muslimischen Gemeinden New Yorks. Am Vorabend hatte Franziskus seine Trauer über die vielen Hundert Tote und Verletzte der Massenpanik in Mekka bekundet und sein Gebet zugesagt.
Am Ground Zero Memorial verweilte Franziskus in schweigendem Gebet an dem Brunnen, auf dem die Namen von fast 3.000 Opfern des Anschlags verzeichnet sind. Anschließend legte er dort eine weiße Rose nieder. Danach stellte ihm der frühere Bürgermeister New Yorks Michael Bloomberg Angehörige von Rettungskräften vor, die im Einsatz bei den Twin Towers ihr Leben gelassen hatten. Mit jedem wechselte er mit Hilfe eines Dolmetschers einige Worte.
Inmitten der Zerstörung große Solidarität
Im 4. Untergeschoss der Gedenkstätte erwarteten den Papst anschließend zwölf Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaften. Neben jüdischen und muslimischen Geistlichen waren auch Repräsentanten von Hindus, Buddhisten, Sikh und indigenen Religionen zugegen. Franziskus hat mit ihnen für Frieden und Versöhnung gebetet. Er rief dazu auf, in "versöhnter Verschiedenheit" zu leben. Die Menschen müssten mit ihren unterschiedlichen Sprachen, Kulturen und Religionen eine Einheit bilden. Am Ground Zero standen einst die Türme des World Trade Centers, die bei den islamistischen Anschlägen zerstört wurden.
"Dies ist ein Ort, an dem wir Tränen vergießen aus einem Gefühl der Hilflosigkeit gegenüber Unrecht und Mord heraus und angesichts des Scheiterns, Konflikte durch Dialog zu lösen", sagte der Papst bei der interreligiösen Feier. In den Gesichtern der Angehörigen von Anschlags-Opfern habe er einen Schmerz gesehen, "der uns immer noch berührt und der zum Himmel schreit".
Viele Menschen hätten inmitten des sinnlosen Zerstörungsakts der Attentate große Solidarität gezeigt, ergänzte der Papst. "Niemand kümmerte sich um Hautfarbe, Nationalität, Stadtviertel, Religion oder Politik." So sei dieser Ort des Todes auch zu einem Ort des geretteten Lebens geworden, sagte er unter Hinweis auf die zahlreichen Polizisten und Feuerwehrleute, die am 11. September 2001 unter Einsatz des eigenen Lebens Menschen aus den brennenden Türmen retteten.