Papst Franziskus besucht am Sonntag das Turiner Grabtuch

Obdachlose und Arme als Vorhut

Seit Jahrhunderten ringen Kirche und Wissenschaftler um einen Echtheitsbeweis für das "Turiner Grabtuch". Papst Franziskus ist diese Frage letztlich egal. Er reist am Sonntag dorthin - mit einer eigenen Agenda.

Autor/in:
Alexander Brüggemann und Thomas Jansen
Ein Winken zum Abschied: Franziskus besucht Turin (KNA)
Ein Winken zum Abschied: Franziskus besucht Turin / ( KNA )

Es war eine von diesen Franziskus-Aktionen. In zwei Tranchen lud er insgesamt 110 Obdachlose und Arme zu einer Busreise nach Norditalien ein. Die Männer und Frauen, die sonst nur die Suppenküche ihrer römischen Pfarrei zu sehen bekommen, sollten zum Turiner Grabtuch pilgern können. Auch ein Muslim aus dem Senegal war laut Medienberichten darunter.

Der päpstliche Almosenverwalter Erzbischof Konrad Krajewski händigte den Reisenden zudem je 30 Euro aus und sagte: "Wir dürfen Bedürftige nicht nur mit Brot ernähren, sondern müssen ihnen auch Gelegenheit geben, sich an schönen Dingen zu erfreuen." Die Obdachlosen und Armen bereiteten "die Straße für die Reise von Franziskus". Denn: Der Papst reist am Sonntag selbst nach Turin, um das Grabtuch zu besuchen.

Turiner Grabtuch nur noch bis 24. Juni zu sehen

Das Turiner Grabtuch ist seit 19. April erstmals seit fünf Jahren wieder öffentlich ausgestellt. Das Leinen, das von vielen Katholiken als Grabtuch Christi verehrt wird, ist noch bis zum 24. Juni im Turiner Dom zu sehen.

Wie immer bei seinen Reisen trifft Franziskus auch bei seiner zweitägigen Visite in der ligurischen Hauptstadt mit vielen Menschen zusammen - vorzugsweise denen "am Rande der Gesellschaft". Darunter ist auch eine Gruppe Flüchtlinge. Diese Begegnung ist innenpolitisch nicht ohne Brisanz: Denn die von Silvio Berlusconis Partei Forza Italia und der rechtspopulistischen Lega Nord regierte Region weigert sich, weitere Flüchtlinge aufzunehmen. Sie widersetzt sich damit dem neuen Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge, der von der Regierung von Ministerpräsident Matteo Renzi eingeführt wurde.

Außer den Flüchtlingen sind bei einem Mittagessen am Sonntag auch junge Strafgefangene, Migranten, Obdachlose und eine Roma-Familie dabei. Am Abend ist ein Treffen mit Kindern und Jugendlichen der Region angesetzt. Die Nacht verbringt der Papst am Sitz des Turiner Erzbischofs Cesare Nosiglia.

Papst besucht auch Waldenserkirche

Einen ökumenischen Punkt bildet am Montagmorgen der Besuch einer Waldenserkirche. Die protestantische Glaubensgemeinschaft der Waldenser wurde im Mittelalter von der katholischen Kirche als häretisch verfolgt. Dennoch leben in Italien heute noch rund 30.000 von ihnen. Ein Highlight abseits von Presse und Kameras dürfte die Begegnung von Franziskus mit seinen italienischen Verwandten am Montag sein. Gemeinsam mit ihnen feiert er in der Erzbischöflichen Residenz die Messe und isst mit ihnen zu Mittag.

Mittelpunkt und Anlass des Besuches aber ist das Gebet vor dem Turiner Grabtuch. Am Sonntagmorgen wird Franziskus zunächst von einem Arbeiter, einem Bauern und einem Unternehmer begrüßt. Nach seiner Entgegnung will der 78-Jährige dann zu Fuß zur Kathedrale hinübergehen.

Über Echtheit des Turiner Grabtuches wird gestritten

Mehr als eine Million Menschen haben sich offiziell angemeldet, um das Turiner Grabtuch während der sechs Wochen zu besuchen. Anlass der Ausstellung ist der 200. Geburtstag des heiligen Johannes Bosco (1815-1888). Der Ordensgründer der Salesianer wirkte in Turin als Jugendseelsorger. Über die Echtheit des Turiner Grabtuchs wird bis heute gestritten.

Einig sind sich die Forscher, dass der "Mann des Grabtuchs" alle Merkmale der in der Bibel beschriebenen Kreuzigung aufweist. Über die Datierung herrscht jedoch Uneinigkeit. Manche Wissenschaftler halten es für eine mittelalterliche Fälschung, andere für 2.000 Jahre alt.

Von der katholischen Kirche wird das 4,36 mal 1,10 Meter große Leinen, das den Doppelabdruck eines kräftig gebauten, 1,81 Meter großen Mannes mit Bart und langem Haar zeigt, offiziell nicht als Reliquie anerkannt. Eine Datierung von Stoffpartikeln mit Hilfe der Radiokarbonmethode (C-14) hatte die Entstehung des Tuchs 1988 ins Mittelalter datiert.

Andere Wissenschaftler hatten dem widersprochen; ein Bakterien- und Pilzbefall späterer Jahrhunderte habe das Ergebnis verfälscht. Zudem wurden das Abbild einer Münze aus römischer Zeit auf dem Grabtuch und andere Indizien als Belege für eine Herkunft aus der Zeit Jesu angeführt. Wissenschaftlicher Beweis hin oder her: Franziskus sagte im Vorfeld, er hoffe, dass es dabei helfen werde, in Jesus das "Antlitz des barmherzigen Gottes zu finden".


Quelle:
KNA