Bei seiner Tagesreise nach Sizilien hat Papst Franziskus am Samstagmorgen als erste Station die Stadt Piazza Armerina besucht. In seiner Rede vor mehreren zehntausend Menschen sprach er die Probleme der strukturschwachen Region im Zentrum der Insel an: hohe Jugendarbeitslosigkeit, Ausbeutung, Alkoholismus und Spielsucht.
Unter diesen Bedingungen sei es nicht einfach, den Glauben zu leben. Auch erscheine die Kirche oft "verwirrt und müde", anderswo wieder "lebendig und prophetisch". Vor allem müsse sich die Kirche, Priester wie Laienchristen, "der Wunden" der Menschen annehmen.
Die Wunden der Gesellschaft und der Kirche zu betrachten, sei "kein verleumderisches und pessimistisches Verhalten", so der Papst. Es sei vielmehr eine konkrete Art, den Glauben an Christus zu leben, denn die Wunden der Menschen seien die Wunden Christi.
"Lebt die Schönheit des Kleinen!"
"Was den Gottesdienstbesuch betrifft, besonders den am Sonntag, ist es wichtig, nicht von Zahlen besessen zu sein. Ich ermutige euch, die Schönheit des Kleinen zu leben, ein Senfkorn zu sein, kleine Herde, eine Handvoll Sauerteig, zartes Flämmchen, eine Prise Salz", sagt der Papst den Gläubigen über die abnehmende Zahl der Kirchenmitglieder.
Jungen Menschen, die "zwar an Gott glauben, aber nicht an die Kirche", riet der Papst, dem Priester oder dem Bischof genau zu sagen, warum sie der Kirche nicht vertrauten. "Aber dann hört auch zu, was sie antworten", so Franziskus. Bischöfe und Priester forderte er auf, jugendlicher Kritik "mit konstruktiver Geduld" zuzuhören.
Zudem warnte er davor, alte Menschen abzuschieben und zu vergessen. "Lasst die Alten nicht allein!", rief er unter großem Applaus der Menge.
Zukunft der Kirche
In seiner Rede in Piazza Armerina nannte das Kirchenoberhaupt unter Verweis auf das 200-jährige Bestehen des Bistums drei Kriterien für eine Kirche der Zukunft. Sie müsse synodal sein und das Wort Gottes an erste Stelle setzen.
Zweitens müsse sie mit konkreten Taten der Nächstenliebe zu den Menschen gehen "in die Gassen, auf die Plätze, die Straßenkreuzungen und ins Alltagsleben". Drittens müsse sie sich sonntags zum Gottesdienst versammeln. Dabei solle sie nicht zu versessen auf Zahlen sein, sondern auch als kleine Gemeinschaft wirken.
Messe zu Ehren Puglisis
Im Anschluss an seine Ansprache in Piazza Armerina flog er weiter in die sizilianische Hauptstadt Palermo. "Wer Mafioso ist, lebt nicht als Christ, denn mit seinem Leben lästert er Gott", sagte er bei einer Messe zu Ehren des Anti-Mafia-Priesters Pino Puglisi am Samstag in Palermo. "Den Mafiosi sage ich: Ändert euch, Brüder und Schwestern! Bekehrt euch zum wahren Gott. Sonst werdet ihr euer eigenes Leben verlieren und eure schlimmste Niederlage erleiden", so Franziskus in seiner mehrfach von Applaus unterbrochenen Predigt.
Es brauche "Männer und Frauen der Liebe, nicht der Ehre; des Dienens, nicht der Überwältigung", so der Papst in Anspielung auf Maßstäbe der "Cosa Nostra". Das Wort "Hass" müsse aus der Sprache der Christen gestrichen werden, es gehe um Vergebung, nicht Rache, forderte er vor etlichen zehntausend Teilnehmern auf dem Foro Italico in der sizilianischen Hauptstadt.
Leben in den Dienst des Nächsten stellen
Auf den Tag genau vor 25 Jahren war in Palermo der Priester Giuseppe "Pino" Puglisi von zwei Mafiosi erschossen worden. Er hatte sich für Jugendliche eingesetzt, die er den Fängen der Bosse entziehen wollte, sowie Verbrechen und Korruption offen kritisiert. Die Kirche sprach ihn vor fünf Jahren selig.
Jesus habe gewarnt, wer sein eigenes Leben retten wolle, werde es verlieren, so der Papst mit Bezug auf das Evangelium. Daher sollten sich die Gläubigen wie Don Puglisi in den Dienst des Nächsten stellen. Geld, Macht, Besitz und vermeintliche Ehre machten süchtig und das Herz leer, so Franziskus. Am Ende könne man ohnehin nichts mitnehmen. Es gelte zu wählen: "Liebe oder Egoismus".
Als Don Puglisi ermordet wurde, so der Papst, sei er mit einem Lächeln auf dem Gesicht gestorben. Das habe seinem Mörder, wie dieser später gestand, den Schlaf geraubt. Es brauche viele solcher Priester und Laienchristen mit einem solchen Lächeln. Nicht, weil sie das Leben auf die leichte Schulter nähmen, sondern weil sie von Gottes Freude erfüllt seien, so Franziskus.
"Fang du an!"
Puglisis Motto sei gewesen: "Wenn jeder etwas tut, kann man viel erreichen." Daher solle der Christ nicht fragen, was andere - der Staat, die Kirche - für ihn tun könnten, sondern umgekehrt. "Fang du an!", so Franziskus. "Fragen wir uns: Was kann ich tun?"
Nachmittags sind weitere Begegnungen mit Kirchenmitarbeitern und Jugendlichen vorgesehen.