"Der nächste Papst sollte ein Mann sein, der von der Betrachtung und Anbetung Jesu Christi aus der Kirche hilft, aus sich heraus und an die existenziellen Randgebiete zu gehen." So endete im März 2013 die Rede eines Mannes, der sich eigentlich schon einen Platz im Altenheim reserviert hatte und der seine kirchliche Leitungsaufgabe abgeben wollte. Seit zwei Jahren ist er, der vormalige Kardinal von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio, Papst Franziskus. Vor allem innerhalb der Kirche hat der erste Südamerikaner auf dem Stuhl Petri große Hoffnungen geweckt. Was hat sich seit dem ersten schüchternen "Buona sera" auf dem Balkon des Petersdoms an jenem 13. März 2013 getan?
Der Papst, der im vatikanischen Gästehaus wohnt und am liebsten im Kleinwagen fährt, hat mit seiner Forderung nach einer "armen Kirche für die Armen" das Bewusstsein in der katholische Kirche nachhaltig verändert. Bischöfe und Priester stehen mehr denn je unter Rechtfertigungszwang für ihren Lebensstil. Zum theologischen Schlüsselbegriff seines Pontifikates machte Franziskus die Barmherzigkeit. Hierbei geht es für ihn nicht nur, wie anfangs oft behauptet, um eine "seelsorgerische Haltung", sondern um den "Kern des Evangeliums Jesu selbst".
Helfende Hand ersetzte den moralischen Zeigefinger
Welche Konsequenzen das hat, zeigte die Bischofssynode über Familie, Ehe und Sexualität im Herbst 2014. Franziskus sorgte nicht nur dafür, dass Bischöfe aus aller Welt in nie dagewesener Offenheit über Patchwork-Familien, Homosexualität und wiederverheiratete Geschiedene debattierten. Auch der Ton des Abschlussdokuments war ungewöhnlich: Die helfende Hand ersetzte den moralischen Zeigefinger. Sogar die Abstimmungsergebnisse wurden mitgeteilt. Ob am Ende freilich grundlegende Neuerungen oder nur kosmetische Eingriffe stehen, ist noch offen.
Das zweite Mammutprojekt ist die Reform der römischen Kurie, über die im Vorkonklave vor zwei Jahren viel Unmut laut wurde. Nach Franziskus' spektakulärem Start mit der Gründung eines Kardinalsrates zur Kurienreform und der Errichtung einer Wirtschaftsbehörde scheint das Projekt derzeit durch das übliche Kompetenzgezerre im Vatikan etwas an Tempo verloren zu haben.
Eigenwillige Personalpolitik
In der Personalpolitik lässt sich die Handschrift von Franziskus am deutlichsten an den Kardinalsernennungen ablesen. Er brach mit der Tradition, Inhabern prestigeträchtiger Bistümer den Kardinalshut zu verleihen. Stattdessen berief er engagierte Seelsorger aus den Randgebieten der Welt, etwa aus Tonga und Myanmar, in seinen Beraterkreis. Nicht mit Gewissheit lässt sich bislang sagen, welchen Kurs er bei Bischofsernennungen fährt. In Lateinamerika und den USA haben derzeit meist "fortschrittliche" Kandidaten die Nase vorn; andernorts ist noch keine klare Linie zu erkennen.
Auch im ökumenischen Dialog ging der Papst in die Randgebiete. Er machte die pfingstlerisch orientierten Freikirchen, bislang als theologische Heißsporne eher im ökumenischen Abseits, zu Gesprächspartnern. Als erster Papst besuchte er die Gemeinde einer protestantischen Freikirche in Italien. Das Gespräch mit nichtchristlichen Religionen prägte Franziskus vor allem durch Gesten: In Istanbul betete er mit gefalteten Händen in einer Moschee und nannte das später auch so. Symbolträchtig war auch die Umarmung mit einem muslimischen und jüdischen Freund vor der Klagemauer in Jerusalem.
Auf weltpolitischer Bühne hat das Papstamt mit Franziskus wieder an Bedeutung gewonnen. Der spektakulärste Erfolg der vatikanischen Diplomatie war die Vermittlung einer Annäherung zwischen Kuba und den USA. Dass der Papst im September in einer Premiere vor dem US-Kongress sprechen wird, gilt als weiterer Beleg.
Franziskus wird von den Medien gefeiert wie selten ein Papst vor ihm. Erst in den letzten Monaten bekam er erstmals Gegenwind zu spüren. Seine Äußerungen über schlagende Väter, Karnickel und vermeintliche "Faustschläge" riefen auch innerkirchlich teils scharfe Proteste hervor. Es zeigte sich, dass die spontane Art und die volkstümliche Ausdrucksweise von Franziskus auch riskant sein kann. Ernsthaft beeinträchtigt haben diese verbalen Ausrutscher seine Popularität bislang freilich nicht.
Kaum mehr vorstellbar erscheint heute, dass kurz nach Franziskus' Amtsantritt ernsthaft darüber spekuliert wurde, er könnte auf den universellen päpstlichen Leitungsanspruch weitgehend verzichten und sich mehr oder weniger mit einer Rolle noch als "Erster unter Gleichen" begnügen. Zum Abschluss der Bischofssynode hat er den päpstlichen Jurisdiktionsprimat sogar stärker herausgestellt, als sein Vorgänger Benedikt XVI. dies je getan hatte.
Gutes Verhältnis zum Vorgänger
Franziskus' Verhältnis zu seinem Vorgänger Benedikt XVI. war in den vergangenen zwei Jahren offenbar gut und herzlich. Als "weisen Großvater", den man stets um Rat fragen könne, bezeichnete der 78-jährige den knapp zehn Jahre älteren Vorgänger wiederholt.
Vereinzelte Befürchtungen, Benedikt XVI. könnte von interessierter Seite als Gegenpapst zu Franziskus in Stellung gebracht werden, haben sich nicht bestätigt. Zwar flammte die "Gegenpapst"-Debatte im vergangenen Herbst kurzzeitig auf, als die überarbeitete Version eines Aufsatzes von Benedikt XVI. über wiederverheiratete Geschiedene erschien, in der er seine frühere, liberalere theologische Position geändert hatte. Doch die Aufregung legte sich schnell wieder.
Im 20. Jahrhundert, so formulierte es der Kirchenhistoriker Andrea Riccardi, sei kein Papst innerkirchlich auf größere Opposition gestoßen als nun Franziskus. Vor allem in der römischen Kurie machen einige Beobachter einen Hort des Widerstands oder zumindest einen Bremsklotz aus. Unstrittig ist nur: Der Papst, der von Bischöfen und Pfarrern fordert, den "Geruch ihrer Herde" zu verströmen, hat den größten Rückhalt unter den einfachen Gläubigen.