Mary heißt eigentlich anders. Sie hat Angst, ihren Namen zu nennen. Ihre Geschichte möchte sie aber erzählen. Mit Beginn des Bürgerkriegs 2013 floh sie aus ihrer Heimat Bentiu im Norden des Südsudans. Seitdem lebt sie in der Hauptstadt Juba in einem Flüchtlingslager - gemeinsam mit ihrem Mann und ihren 8 und 6 Jahre alten Kindern.
Der Südsudan ist Schauplatz einer der größten Flüchtlingskrisen auf dem afrikanischen Kontinent. 4,3 Millionen Südsudanesen sind laut Flüchtlingshilfswerk UNHCR auf der Flucht - fast ein Drittel der gesamten Bevölkerung des Landes. 2,3 Millionen von ihnen sind in die Nachbarländer geflohen. 2 Millionen sind Vertriebene im eigenen Land.
Gehen, um zu überleben
Die Menschen leben nicht nur in den Städten, sondern meist in abgelegenen Flüchtlingslagern, die für Hilfskräfte nur schwer erreichbar sind. Allein in Juba leben rund 33.000 Menschen in einem Lager für Binnengeflüchtete.
Betroffen sind vor allem Frauen und Kinder - sie machen rund 80 Prozent der Geflohenen aus. Es sind nicht nur Konflikte, die sie ihre Heimat haben aufgeben lassen. Auch aufgrund von Überschwemmungen verloren viele ihre Lebensgrundlage. Um zu überleben, müssen sie gehen. Wortwörtlich.
In Flüchtlingslagern finden sie Zuflucht, eine Perspektive zumeist nicht. Mary ist 34 Jahre alt. Dass sie jemals wieder außerhalb eines Camps wohnen wird, kann sie sich nicht vorstellen. Sie habe schlicht keine Option herauszukommen, sagt sie. Auch für ihre Kinder glaubt sie an keine bessere Zukunft. Eine Schulbildung können sich die arbeitslosen Eltern nicht leisten.
Der Alltag im Flüchtlingslager sei mehr als beschwerlich, erzählt Mary. Sie hätten keine Gesundheitseinrichtung, die sanitären Anlagen seien schlecht, zeitweise gebe es keine Versorgung mit Lebensmitteln.
Dann müssten sie raus, Feuerholz sammeln und verkaufen. Mit dem Geld könnten sie dann etwas Essbares für ihre Kinder besorgen. Es gebe viele Waffen im Lager, die Kriminalitätsrate sei hoch. Darum sorge sie sich auch um ihre kleinen Kinder.
Mary ist mit ihrer Geschichte nicht allein. Auch andere Binnenflüchtlinge verbringen Jahre in den Lagern aus Baracken und Zelten; Kinder wachsen dort auf, haben nie etwas anderes gesehen.
Papst hört sich Schicksale an
Einige erzählen dem Papst am Samstag in Juba ihre Geschichte. Etwa der 14-jährige Johnson. Seit 2014 lebt er mit seinen Eltern in einem Lager in Malakal nahe der Grenze zum Sudan. Auch er berichtet von schlechten Bildungschancen und Überfüllung.
Die Zukunft könne nicht in Vertriebenenlagern liegen, sagte der Papst Franziskus in der Freedom Hall in Juba. Als Pilger für den Frieden begleiten ihn bei der Südsudan-Reise Anglikanerprimas Justin Welby und der Moderator der Kirche von Schottland, Iain Greenshields. Es sei absolut notwendig, die Ausgrenzung von Gruppen und die Ghettoisierung von Menschen zu vermeiden. Dafür brauche es jedoch Frieden und die Hilfe von vielen, von allen, fordert das katholische Kirchenoberhaupt. Aber Nothilfe sei nicht alles, wichtig sei der Blick in Zukunft: die Bevölkerung auf dem Weg der Entwicklung zu begleiten, um ein eigenständigeres Wachstum zu ermöglichen.
Orden um Unterstützung bemüht
Einige katholische Orden arbeiten im Südsudan darum für eine bessere Bildung. Besonders Mädchen hätten sonst kaum eine Chance, erzählt Schwester Alice Drajea, Leiterin der Schwestern vom heiligsten Herzen Jesu in Juba. Die Ordensfrauen betreiben etwa Schulen und Weiterbildungseinrichtungen, kümmern sich um unbegleitete Flüchtlingskinder und vertriebene Frauen. Letzteren geben sie mit Mikrokrediten Hilfe zur Selbsthilfe, bieten sichere Unterkünfte mit der Möglichkeit, sich selbst zu versorgen.
Mädchen wollen sie ausbilden, damit sie ein eigenständiges Leben führen können. Das sei nicht die Regel im Südsudan - nur wenige erhielten eine Schulbildung, so die Ordensfrau. Mädchen seien wertvoll für ihre Familien, weil ihre Verheiratung die Versorgung der Familie sichere. Die Familie des künftigen Ehemanns müsse eine bestimmte Anzahl von Kühen für die Frau bezahlen. Mitspracherecht bei der Wahl des Ehemanns hätten die Mädchen nicht.
Zudem wollten Männer keine gebildeten Frauen, ergänzt die 18-jährige Südsudanesin Martha. Gute Schulbildung brauche Zeit, das sei das Problem, erzählt die Frau, die bald ein Studium beginnt. Mit 18 oder 19 Jahren seien die Frauen in den Augen der Familien eigentlich schon zu alt für einen Heirat. Hochzeiten mit 15 Jahren sind keine Seltenheit in dem afrikanischen Land. Genauso wenig wie sexuelle Gewalt im eigenen Haus, Vergewaltigungen als Waffe bei Konflikten von verfeindeten Gruppen oder nur beim Nachgehen der täglichen Arbeit.
Die Frau müsse beschützt, geachtet, geschätzt und geehrt werden, ruft Franziskus darum die Südsudanesen am Samstag auf. Sein Begleiter Erzbischof Justin Welby bekräftigt das und wendet sich dann direkt an die Teilnehmerinnen eines Abendgebets: "Ihr seid unglaublich starke Frauen!"