Der letzte offizielle Besucher, den Papst Franziskus vor seinem Tod empfing, steht wie ein Symbol für sein problematisches Verhältnis zu Teilen der katholischen US-Kirche. Während einige Medien über eine mögliche Abfuhr für den zum Katholizismus übergetretenen Vizepräsidenten J.D. Vance spekulierten, empfing Franziskus ihn am Ostersonntag, bevor er - quasi als letzte Amtshandlung - der Welt den Segen "Urbi et Orbi" spendete. Eine letzte Geste der Größe dieses Papstes, der sich weiter auch - oder gar zuerst - als Hirte verstand.
Obwohl Franziskus die Massen-Abschiebungen, die Klimapolitik oder den Umgang mit den Ärmsten in der Politik der neuen US-Regierung zutiefst ablehnte, bewies er gegenüber dem jung-forschen Vance jene Geduld, die er auch gegenüber seinen traditionalistischen Widersachern in der US-Bischofskonferenz aufgebracht hatte. Der Vizepräsident zeigte sich betroffen von der Todesnachricht, die ihn in Indien erreichte. "Mein Herz ist bei den Millionen Christen auf der ganzen Welt, die ihn liebten", erklärte Vance über die Sozialen Medien. "Ich freute mich, ihn gestern zu sehen - obwohl er offensichtlich sehr krank war."
Kein Anzeichen großer Betroffenheit
Verhaltener fiel die Reaktion des Weißen Hauses aus. "Ruhe in Frieden, Papst Franziskus!", schrieb Trump auf seiner Plattform Truth Social. Beim traditionellen Ostereier-Rollen am Weißen Haus nannte er den Papst einen "guten Mann, der hart gearbeitet hat. Er liebte die Welt - und es ist eine Ehre, das zu tun." Später ließ Trump vor Journalisten noch offen, ob er zur Beisetzung nach Rom reisen wird.
Die Zurückhaltung des Präsidenten steht für ein Minimum an Respekt, den das Weiße Haus dem verstorbenen Oberhaupt von 1,4 Milliarden Katholiken gegenüber aufbringen musste - wie wohl auch die angeordnete Trauerbeflaggung. Auf ein inniges Verhältnis oder große Trauer über Franziskus' Ableben deutet aber nichts hin.
Zwist um Mauerbau
Das angespannte Verhältnis zwischen dem argentinischen Papst und dem New Yorker Immobilienmogul begann bereits im US-Wahlkampf 2016. Als Trump mit dem Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko warb, besuchte Franziskus demonstrativ die Grenzregion auf mexikanischer Seite. Dort legte er Blumen für jene Migranten nieder, die beim Versuch, in die USA zu gelangen, ums Leben kamen. "Eine Person, die nur daran denkt, Mauern zu bauen, wo auch immer sie sein mögen, und nicht Brücken zu bauen, ist kein Christ", so Franziskus damals.
Auch während Trumps zweiter Amtszeit kritisierte der Papst bis zum Tod dessen Migrationspolitik. Noch in einem Brief an die US-Bischöfe im Februar sprach er von einer "großen Krise", die die "Würde vieler Männer und Frauen sowie ganzer Familien" verletze.
Trotz ihrer allzu oft unterschiedlichen Prioritäten fand die US-Bischofskonferenz deutlich wärmere Worte für den Verstorbenen als Trump. "Papst Franziskus wird lange für seine Zuwendung zu den Menschen am Rande der Kirche und der Gesellschaft in Erinnerung bleiben", erklärte deren Vorsitzender, Erzbischof Timothy Broglio; und: "Er erneuerte für uns den Auftrag, das Evangelium bis an die Enden der Erde zu bringen und allen göttliche Barmherzigkeit anzubieten."
Harsche Kritik war keine Seltenheit
In der Kirchenhierarchie der USA saßen in der Vergangenheit entschiedene Widersacher des Papstes. US-Traditionalisten bezeichneten seinen Reformkurs als gefährlichen Irrweg und kritisierten, dass er Gläubige verunsichere. Der einflussreiche Kardinal Raymond Burke übernahm anfangs die Rolle des Anführers der Franziskus-Gegner. "Es gibt ein starkes Gefühl, dass die Kirche wie ein Schiff ohne Ruder ist", sagte er bereits 2014, im Jahr nach Franziskus' Wahl zum Papst.
Franziskus wiederum entfernte Burke von seiner Position als Leiter des obersten Gerichts der katholischen Kirche. Ende 2023 ließ er Burke dann auch aus seiner Vatikan-Wohnung ausquartieren.
Noch folgenreicher war 2024 die Entscheidung des Papstes, seinen früheren Botschafter in den USA aus der Kirche auszuschließen, Erzbischof Carlo Maria Viganò. Dieser hatte mit den Traditionalisten in den USA gegen ihn intrigiert - und dem Papst öffentlich vorgeworfen, ein "falscher Prophet" oder gar ein "Diener Satans" zu sein. Ebenso entfernte Franziskus 2023 auch den texanischen Bischof Joseph Strickland aus dem Amt, der ihm vorgeworfen hatte, den Glauben zu untergraben.
Franziskus wollte keine gespaltene Kirche
Die Polarisierung der US-Kirche spiegelt recht genau die Spaltung der US-Politik wider - und steht für die Politisierung der Kirche selbst. Franziskus erkannte diese Gefahr - und er versuchte gegenzusteuern. Etwa, als konservative Kräfte in der US-Bischofskonferenz versuchten, dem damaligen (katholischen) Präsidenten Joe Biden wegen seiner konziliant-empathischen Haltung zu Abtreibung die Kommunion zu verweigern. Biden übrigens nannte Franziskus in seiner Stellungnahme vom Montag "eine der bedeutendsten Führungspersönlichkeiten unserer Zeit".
Zugleich versuchte der Papst, die Berufung pastoral gesinnter Geistlicher in Bischofsamt und Kardinalsstand zu nutzen, um die US-Kirche behutsam auf seinen Kurs umzulenken. Diese Geistlichen zeigten sich nun naturgemäß besonders betroffen. Chicagos Kardinal Blase Cupich etwa bezeichnete den Papsttod als "einen Moment tiefen Verlusts für mich persönlich und für die Kirche".
In besonderer Mission
Zunächst zeigten sich die US-Bischöfe am Montag demonstrativ vereint im Gebet für den Verstorbenen. Für die bevorstehende Papstwahl hegen sie freilich sehr unterschiedliche Erwartungen: Während die einen auf eine Fortsetzung der Öffnung der Kirche hoffen, wünschen Widersacher von Franziskus wie Kardinal Burke (76) eine Rückkehr zu einem stärker lehrmäßigen Verständnis von Katholizismus.
In den kommenden Tagen spielt erst einmal ein anderer US-Kardinal eine Schlüsselrolle: Kevin Farrell, früher Bischof von Dallas und seit 2019 Kämmerer (Camerlengo) der Heiligen Römischen Kirche, teilte am Montag im Vatikan den Tod des Papstes mit. In seiner überlieferten Rolle als Kämmerer übernimmt er nun, gemeinsam mit dem Dekan des Kardinalskollegiums, vorübergehend die Leitung der laufenden kirchlichen Angelegenheiten - bis zur Wahl eines neuen Papstes.