Gegen Stillstand und Erstarrung im Vatikan hat sich Papst Franziskus in seiner Weihnachtsansprache an die römische Kurie ausgesprochen. In einer langen Grundsatzrede an die führenden Mitarbeiter der Zentrale der katholischen Weltkirche sagte er am Donnerstag im Vatikan: "Auch im Dienst hier in der Kurie ist es wichtig, in Bewegung zu bleiben; nicht aufzuhören, die Wahrheit zu suchen und zu vertiefen; die Versuchung zu überwinden, stehen zu bleiben und innerhalb unserer umhegten Bereiche und Ängste 'herumzuirren'. Ängste, Starrheit und schablonenhafte Wiederholung erzeugen eine Unbeweglichkeit, die den scheinbaren Vorteil hat, keine Probleme zu schaffen (...), sie führen dazu, dass wir uns in unseren Labyrinthen im Kreis drehen."
Zu der traditionellen Weihnachtsansprache in der Benediktionsaula im Vatikan waren am Donnerstagvormittag zahlreiche Kurienkardinäle, Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien gekommen, die an der Spitze der Vatikan-Behörden arbeiten. Mit jedem und jeder einzelnen tauschte sich der Papst anschließend kurz aus, darunter auch mit dem deutschen Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller und dem deutschen Kurienbischof Franz-Peter Tebartz-van Elst.
"Nur wer liebt, geht weiter"
Eindringlich mahnte der Papst in seiner Ansprache die vatikanischen Führungskräfte, sich nicht in ideologischem Streit zu verlieren, sondern sich für ihren Auftrag zu begeistern. Wörtlich sagte er mit Blick auf das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965): "60 Jahre nach dem Konzil wird immer noch über die Unterscheidung zwischen 'Progressiven' und 'Konservativen' debattiert, während der zentrale Unterschied doch zwischen 'Verliebten' und 'Gewöhnten' besteht. Dies ist der Unterschied. Nur wer liebt, geht weiter."
Scharf kritisierte der Papst die Kommunikationskultur im Vatikan und mahnte: "Manchmal laufen wir in der Kommunikation untereinander Gefahr, uns wie reißende Wölfe zu verhalten: Wir versuchen sofort, die Worte des anderen zu verschlingen, ohne wirklich zuzuhören, und stülpen ihm sofort unsere Eindrücke und Urteile über. Einander zuzuhören erfordert stattdessen eine innere Stille, aber auch einen Raum der Stille zwischen dem Hören und dem Antworten."
Das Leben der Menschen habe "Vorrang vor den Ideen"
Bei Entscheidungsprozessen im Vatikan warb der Papst für die Kunst der klugen Unterscheidung, ohne dabei auf inhaltliche Streitfragen einzugehen. Er sagte: "Für uns alle ist die Unterscheidung wichtig, diese Kunst des geistlichen Lebens, die uns von der Anmaßung befreit, schon alles zu wissen; von der Gefahr, zu glauben, es reiche aus, die Regeln anzuwenden; von der Versuchung, auch im Leben der Kurie, einfach nach den immer selben Mustern vorzugehen, ohne zu bedenken, dass das Geheimnis Gottes uns immer übersteigt und dass das Leben der Menschen und die Wirklichkeit, die uns umgibt, den Ideen und Theorien immer überlegen sind und bleiben." Abweichend vom Redemanuskript fügte er danach den Satz hinzu, das Leben der Menschen habe "Vorrang vor den Ideen."
Nach dem Weihnachtsempfang für die Kurien-Spitzen traf der Papst in der vatikanischen Audienzhalle mehrere hundert Mitarbeiter des Heiligen Stuhls und des Vatikanstaats mit ihren Familien. Dort sprach er in Anwesenheit vieler Kinder über das Wunder von Weihnachten, das darin bestehe, dass Gott sich klein mache. Den Mitarbeitern dankte er für ihren Dienst, der oft im Verborgenen geschehe.