In seiner Neujahrsansprache an das Diplomatische Corps äußerte er sich außerdem zu weiteren politischen Themen sowie zum Missbrauchsskandal innerhalb der Kirche.
In der heutigen Zeit bereite die zurückkehrende Tendenz Sorge, nationale Interessen voranzustellen, "ohne auf vom internationalen Recht vorgesehene Mittel zurückzugreifen", sagte der Papst vor dem Diplomatischen Corps. Letzteres empfahl er, um Auseinandersetzungen zu lösen und die Achtung des Rechts zu sichern.
Das multilaterale System schaffe es offenbar nicht, "wirksame Lösungen für verschiedene seit langer Zeit ungelöste Situationen sowie einige 'eingefrorene' Konflikte zu finden", bemängelte Franziskus. In internationalen Organisationen seien zudem verstärkt Interessengruppen zu finden, die «oft die Identität, Würde und Empfindsamkeiten der Bevölkerung außer acht ließen.
Verlust von Vertrauen und Glaubwürdigkeit
Das Kirchenoberhaupt machte vor den beim Heiligen Stuhl akkreditierten Botschaftern auch eine stellenweise zu schnell und chaotisch erfolgte Globalisierung als Ursache aktueller Probleme aus. Wo Globalisierung nur als Gleichmachung mit Verlust örtlicher Eigenheiten gesehen werde, erstarke schnell Nationalismus.
Franziskus weiter: "Einige dieser Verhaltensweisen verweisen auf die Zeit zwischen den zwei Weltkriegen, in der populistische und nationalistische Neigungen über das Handeln der Staatengemeinschaft siegten." Solche Impulse schwächten das multilaterale System; sie führten zum Verlust von Vertrauen und weltweiter politischer Glaubwürdigkeit sowie zu einer Ausgrenzung der Schwächsten. Um neue Ungleichheiten, Ungerechtigkeiten, Diskriminierung und Gewalt zu verhindern, gelte es, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wiederzuentdecken.
Für Einheit Europas
Franziskus warnte zudem vor einer neuen Spaltung Europas und der "Errichtung neuer Eisener Vorhänge". Europa dürfe nicht vergessen, welchen Nutzen es von der wachsenden Freundschaft und Annäherung seit dem Zweiten Weltkrieg gewonnen habe, sagte er während der Neujahrsansprache.
Vor den beim Heiligen Stuhl akkreditierten Botschaftern erinnerte er an den Fall der Berliner Mauer im November 1989. Mit der Teilung Europas sei die letzte Hinterlassenschaft des Zweiten Weltkriegs beseitigt worden. Die Freiheit für die Staaten östlich des Eisernen Vorhangs habe viele Völker auf den Weg zur Europäischen Union gebracht, so der Papst.
Herausforderungen der Migration angehen
Seine Neujahrsansprache verband der Pontifex auch mit einem Appell an die Staatengemeinschaft zur Hilfe für Flüchtlinge und Migranten. Regierungen müssten allen helfen, die aufgrund von Armut, Gewalt oder Verfolgung, Naturkatastrophen oder Klimawandel auswanderten, sagte Franziskus.
Er forderte mehr Integration und Maßnahmen für den Zusammenhalt von Familien. "Jeder Mensch sehnt sich nach einem besseren und glücklicheren Leben, und die Herausforderung der Migration kann weder durch die Logik von Gewalt oder Wegwerfkultur gelöst werden noch durch Teillösungen", so das Kirchenoberhaupt.
Franziskus würdigte die UN-Globalpakte zu Migration und Flüchtlingen. Auch wenn einige Regierungen nicht zugestimmt hätten und es keine rechtliche Verbindlichkeit gebe, seien die Dokumente eine wichtige Richtschnur für Politiker und alle im Bereich Migration und Flüchtlinge.
Syrien-Konflikt: Am Ende nur Verlierer
Der Papst äußerte sich auch zu aktuellen Konflikten weltweit: Er drängte auf eine politische Lösung des Syrien-Konflikts. Die Verletzung humanitärer Rechte müsse enden. "Ich erneuere meinen Aufruf an die internationale Gemeinschaft, sich für eine politische Lösung eines Konflikts einzusetzen, bei dem es am Ende nur Verlierer gibt", betonte Franziskus. Die Gewalt treffe vor allem die Zivilbevölkerung und Einrichtungen wie Krankenhäuser, Schulen und Flüchtlingslager sowie Kirchengebäude.
Syrien und der gesamte Nahe Osten seien Schauplatz eines Kampfs unterschiedlicher Interessen, sagte Franziskus. Neben politischen und militärischen Zielen gebe es auch den Versuch, Feindschaft zwischen Muslimen und Christen zu schüren. Er wolle sich auch bei seinen Reisen in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach Marokko für interreligiösen Dialog einsetzen.
Für "Zweistaatenlösung" im Nahhost-Konflikt
Auch zur Lösung des Israel-Konflikts verlangte Franziskus einen "einmütigen Einsatz". Er mahnte zu einer Wiederaufnahme der Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern. Ziel müsse eine Zweistaatenlösung sein, die einen "lange erwarteten und ersehnten Frieden" für beide Völker sicherstelle.
Internationales Engagement verlangte der Papst besonders auch für einen Frieden im Jemen und im Irak. Sorge äußerte er auch über die Situation in der Ukraine. In dem fast fünf Jahre dauernden Konflikt habe es zuletzt "besorgniserregende Entwicklungen im Schwarzen Meer" gegeben, sagte er im Vatikan. Das Kirchenoberhaupt rief dazu auf, "friedliche Wege zur Lösung des Konflikts" einzuschlagen und mahnte die Einhaltung internationalen Rechts an. Dies sei Basis für Sicherheit und Zusammenleben in der gesamten Region.
Appell für dauerhaften Frieden im Kongo
Der Papst machte auch die kürzlich stattgefundenen Wahlen im Kongo zum Thema und rief dazu auf, das Abstimmungsergebnis zu respektieren. Dies sei entscheidend für einen dauerhaften Frieden, sagte er beim Neujahrsempfang. Er verfolge die Entwicklungen "mit besonderer Aufmerksamkeit" und hoffe, dass das Land wieder Versöhnung finde. Das zentralafrikanische Land müsse den Weg zur Entwicklung einschlagen und die anhaltende Unsicherheit beenden, die Millionen Menschen betreffe, unter ihnen viele Kinder, sagte der Papst.
Nach mehreren Verschiebungen waren am 30. Dezember 39 Millionen Bürger in der Demokratischen Republik Kongo aufgerufen, einen Nachfolger von Präsident Joseph Kabila zu wählen. Dessen Amtszeit lief offiziell 2016 ab. Die Abstimmung ist wegen Unregelmäßigkeiten, Gewalt im Wahlkampf und dem Ausschluss einzelner Regionen umstritten.
Wegen logistischer Probleme soll das Ergebnis laut der nationalen Wahlkommission erst kommende Woche bekanntgegeben werden. Die Kongolesische Bischofskonferenz forderte die Staatsführung zuvor auf, das Resultat "wahrheitsgemäß" zu verkünden. Der Sieger stehe bereits fest. Die katholische Kirche stellte rund 40.000 Wahlbeobachter.
Missbrauch bekämpfen und verhindern
Erneut verurteilte Papst Franziskus den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche.Den Botschaftern aus aller Welt sicherte er Aufklärung zu und nannte den Missbrauch Minderjähriger "eines der niederträchtigsten und unheilvollsten Verbrechen, das möglich ist". Auch Kleriker seien dafür verantwortlich.
Der Heilige Stuhl und die ganze Kirche setzten sich dafür ein, "solche Straftaten und ihre Vertuschung zu bekämpfen und zu verhindern". In den Fällen, in denen katholische Geistliche beteiligt seien, wolle man die Wahrheit herausfinden. Weiter versprach der Papst, "jenen Minderjährigen, die sexuelle Gewalt erlitten haben, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen".
Franziskus verwies auf ein im Februar stattfindendes Treffen zu Missbrauch und Prävention, zu dem die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen im Vatikan erwartet werden. Die Beratungen sollten ein weiterer Schritt sein, um "die Tatsachen vollständig ans Licht zu bringen und die Verletzungen zu heilen, die durch solche Straftaten verursacht wurden.