Papst Franziskus trifft auf Kanada-Reise in Quebec ein

Katholischer, aber auch kritischer

Etappe Nummer 2 für Papst Franziskus. Am Mittwoch traf das Kirchenoberhaupt im französischsprachigen Quebec ein. Die Begeisterung für den Besuch des Kirchenoberhauptes ist hier größer. Die persönliche Kritik ebenso.

Autor/in:
Severina Bartonitschek
Justin Trudeau, kanadische Premierminister, und die Generalgouverneurin Mary Simon begrüßen Papst Franziskus / © John Locher/AP (dpa)
Justin Trudeau, kanadische Premierminister, und die Generalgouverneurin Mary Simon begrüßen Papst Franziskus / © John Locher/AP ( dpa )

Seit Sonntag bereist Papst Franziskus Kanada. Bislang standen Begegnungen mit führenden Politikern nicht auf seiner Agenda. Geht es doch vor allem um die indigenen Völker des Landes. Am Mittwochabend schließlich traf das Kirchenoberhaupt mit der Staatsführung zusammen - in einer großen, sternförmigen Festung, der Zitadelle von Quebec.

Wiederholung der Bitte um Vergebung

Im Amtssitz der Vertreterin der britischen Queen, Generalgouverneurin Mary Simon, und vor Premierminister Justin Trudeau wiederholte Franziskus seine Bitte um Vergebung für das Unrecht an indigenen Kindern in katholischen Internatsschulen. Dabei ging er über das bisher Gesagte nicht hinaus. Er warnte stattdessen vor neuer ideologischer Kolonialisierung, die mit ihrem Individualismus und globalen Standards auch indigene Traditionen und Familiensinn zu zerstören drohe.

Am Mittwochmorgen (Ortszeit) war das Kirchenoberhaupt zur zweiten Station seiner Kanadareise aufgebrochen. Den Besuch in der Provinz Alberta beschloss Franziskus am Abend zuvor am Lac Sainte Anne, einem bedeutenden Pilgerort für Indigene und Einwanderer. Vor rund 10.000 Menschen verurteilte er "die schrecklichen Auswirkungen der Kolonialisierung, den unauslöschlichen Schmerz so vieler Familien, Großeltern und Kinder." Bereits am ersten Tag seiner Kanadareise hatte Franziskus die vom staatlich-kirchlichen System der Residential Schools betroffene Indigenen um Vergebung gebeten; das Hauptanliegen seiner Kanadareise.

Ausgang des Kolonialismus

In Quebec kommt der Papst nun an den Ort, von dem aus der Kolonialismus in Kanada seinen Ausgang nahm. Vom nordamerikanischen "Neufrankreich" strömten katholische Missionare in die "Neue Welt". Ordensleute etwa der Franziskaner, Ursulinen oder Johanniter gründeten Schulen, richteten Krankenhäuser ein und eröffneten Seminare. Den ersten Quasi-Bischof, einen Apostolischen Vikar, erhielt Kanada Mitte der 17. Jahrhunderts. Francois de Laval wurde später erster katholischer Bischof Nordamerikas.

Quebec ist traditionell Hochburg kanadischer Katholiken. Franziskus' Fahrt vom Flughafen in die Stadt wurde von vielen Menschen am Straßenrand begleitet, die Vatikan-Fahnen schwenkten. Zuvor in Edmonton hatte sich nur eine Handvoll Schaulustige an die ein oder andere Kreuzung verirrt.

Ältestes Bistum Kanadas

Rund 75 Prozent der Menschen auf dem Gebiet des ältesten Bistums Kanadas sind katholisch; knapp eine Million. In Edmonton liegt ihr Anteil bei 25 Prozent. Insgesamt aber - auch in Quebec - geht die Zahl der Katholiken im zweitgrößten Land der Welt seit Jahren zurück. Katholiken machten laut Kanadas Kirche ungefähr 44 Prozent der Bevölkerung aus. Dem Katholizismus zugehörig fühlen sich laut einer statistischen Erhebung aber nur gut ein Drittel der Kanadier. Tendenz sinkend. Ähnlich sind die Verhältnisse unter den rund 1,6 Millionen Indigenen des Landes.

Großen Einfluss auf Politik und Kultur verloren

Wie in anderen westlichen Ländern hat die Kirche ihren einstmals großen Einfluss auf Politik und Kultur verloren; Priesternachwuchs gibt es kaum, Kirchengebäude müssen aufgegeben werden. Skandale wie die um die Residential Schools und ein eher verhaltener Aufarbeitungswille tun ihr übriges. Premierminister Trudeau etwa äußerte sehr offen seine Kritik und Enttäuschung gegenüber der katholischen Kirche, forderte ein Einschreiten und eine Vergebungsbitte von Papst Franziskus. Die sprach Franziskus am Montag aus.

Wirkung auf Betroffene

Zweifellos habe sie eine enorme Wirkung auf die Betroffenen gehabt, sagte Trudeau nun dem Kirchenoberhaupt bei ihrem Zusammentreffen in Quebecs Zitadelle, bei der auch Indigenenvertreter anwesend waren. Zugleich merkte Trudeau an, es habe lange dafür gebraucht. Überhaupt sei die gesamte Papstreise vor allem der Hartnäckigkeit der Überlebenden von Residential Schools zu verdanken gewesen. Mit dem Hinweis, die Kirche als Institution müsse ihre Schuld eingestehen und um Vergebung bitten, griff der Regierungschef zudem eine anhaltende Debatte während des Papstbesuchs auf.

Franziskus sprach bisher nur von "vielen" oder "einigen" Christen und kirchlichen Organisationen, die den indigenen Völkern Übel angetan hätten. Seinerseits sprach er von dem "beklagenswerten, von den damaligen Regierungsbehörden geförderten System" der Residential Schools, an dem verschiedene kirchliche Organisationen mitgewirkt hätten. Kanadische Historiker sehen die Verantwortung oft anders verteilt. Einig sind sich Gast und Gastgeber darin, dass die Vergebungsbitte nur ein erster Schritt sein könne.

Am Donnerstag wird sich Franziskus weiter in Quebec aufhalten und zwei Messen feiern: In der Wallfahrts-Basilika Sainte-Anne-de-Beaupre sowie nachmittags mit örtlichen Kirchenvertretern in der Kathedrale von Quebec.

Katholische Kirche in Kanada

Die katholische Kirche in Kanada hat eine vergleichsweise junge Geschichte. Mit den Europäern und ihrer Kolonialisierung Anfang des 17. Jahrhunderts kam der Katholizismus in die "Neue Welt". So waren es zunächst die Franzosen, die Missionare ins heutige Kanada schickten. Trotz der späteren Eroberung durch die Briten wuchs der Katholizismus in dem Land weiter.

Eine Kirche in Kanada / © Bob Silverman CDN (shutterstock)
Eine Kirche in Kanada / © Bob Silverman CDN ( shutterstock )
Quelle:
KNA