"Ich bin überzeugt davon, dass wir heute nicht mehr gut weinen können. Wir haben vergessen, wie man weint" sagte er in einem Interview des italienischen Senders Rai 1, das am Karfreitag ausgestrahlt wurde. Daher seien Freudentränen sein Wunsch für das Osterfest. "Mein Wunsch ist es, die Hoffnung nicht zu verlieren." Er wolle daher um die Gnade bitten, "zu weinen, aber Tränen der Freude, des Trostes, Tränen der Hoffnung".
Angesichts der Grausamkeit des Krieges, nicht nur in der Ukraine, gebe es für menschlichen Schmerz, auch für moralischen "keine Betäubung. Nur Gebet und Weinen", sagte das Kirchenoberhaupt. Zudem hätten viel mehr Männer als Frauen, die Fähigkeit zu weinen verlernt. In seinem Leben habe er gelernt, nichts zu sagen, wenn jemand leidet - ob körperlich oder seelisch. "Seid still! Seid still", so der Papst. "Im Angesicht des Schmerzes: Schweigen. Und Weinen." Weinen sei "eine Gabe Gottes, um die wir bitten müssen".
"Wir dürfen niemanden aufgeben"
Weinen sei zugleich aber auch "Scham, die körperlich zum Ausdruck kommt". Vielen Menschen mangele es an Scham. "Wir sind so oft ohne Scham", kritisierte Franziskus und zitierte ein argentinisches Schimpfwort, das besagt: "Das ist einer, der keine Scham kennt."
Auf die Frage nach Formen der Vermittlung und des Dialogs mit jenen, die andere unterdrücken, plädierte der Papst für ein von Zärtlichkeit geprägtes Gespräch. "Wenn ich jemanden vor mir habe, dann muss ich darüber nachdenken, was ich über diese Person sage: die schlechte Seite oder die verborgene, die gute Seite", so Franziskus. Jeder Mensch trage in sich auch etwas Gutes. "Wir dürfen niemanden aufgeben, von niemandem meinen, sein Leben sei endgültig dem Bösen geweiht."
Auf die Frage der Interviewerin, wie man Menschen vergeben könne, "die uns verletzen" und Unschuldige töten, antwortete Franziskus mit dem Hinweis auf seine grundsätzliche Lebenshaltung. "Wenn ich das Böse nicht getan habe, dann deshalb, weil er (Gott) mich mit seiner Hand, mit seiner Barmherzigkeit, daran gehindert hat." Sonst hätte auch er viel Böses getan, sagte Franziskus. Darin sei er "ein Zeuge der Barmherzigkeit Gottes".
"Niemanden verurteilen, der um Vergebung bittet"
Deshalb könne er auch "niemanden verurteilen, der kommt und um Vergebung bittet". Vermutlich könne in einer solchen Situation kaum einer sagen: "Komm her und gib mir einen Kuss". Aber auch wütend und zornig könne man Gott darum bitten, den Zorn zu besänftigen. Und wenn sich das Gefühl der Vergebung nicht einstelle, müsse man Gott darum bitten, "Vergebung zu bringen".