Papst greift hart gegen kirchliche Sondertruppe in Peru durch

Zwist um ein Ermittlungsverfahren

Lange war die Gruppe "Sodalicio" in Peru so mächtig wie das Opus Dei in Spanien oder die "Legionäre Christi" in Mexiko. Dann lösten Missbrauchsvorwürfe gegen den Gründer Ermittlungen aus. Nun hagelt es Strafandrohungen.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
Papst Franziskus / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Die vorläufige Bilanz des vatikanischen Durchgreifens gegen führende Mitglieder des "Sodalitio Christianae Vitae" (SCV) in Peru ist beeindruckend: Elf Mitglieder - darunter der Gründer - wurden aus dem SCV verbannt, ein Erzbischof musste frühzeitig seinen Rücktritt einreichen, und gegen zwei Laien liegt eine Exkommunikationsandrohung durch den Papst persönlich vor; überdies muss ein weltliches Gericht in Peru über einen Strafantrag eben dieser Laien gegen den vatikanischen Sonderermittler in dem Fall entscheiden.

Auslöser der Prozess-Lawine in Rom und im Andenstaat waren Berichte über sexuellen Missbrauch sowie über weitreichende finanzielle Unregelmäßigkeiten im Umfeld des SCV-Gründers Luis Fernando Figari (77). 

Kontaktverbot für Figari

2015 hatten zwei Journalisten in ihrem Buch "Halb Mönche, halb Soldaten" belastende Zeugenaussagen gegen das "Sodalitium Christianae Vitae" gesammelt. Betroffene berichteten darin über psychischen und sexuellen Missbrauch in der Gemeinschaft.

Der Vatikan reagierte zunächst außergerichtlich und verbot Figari per Anordnung im Jahr 2017 jeglichen Kontakt mit den Mitgliedern seiner Vereinigung. Er soll seither laut Medienberichten in Italien leben und sich nicht immer an das Kontaktverbot gehalten haben. Erst am 9.

August 2024 schloss der Vatikan nach umfangreichen Ermittlungen und Zeugenbefragungen Figari wegen Missbrauchsvorwürfen aus der von ihm über Jahrzehnte angeführten Vereinigung aus. Das Dekret der vatikanischen Ordensbehörde trägt die Unterschrift von Papst Franziskus.

Kathedrale von Lima in Peru / © Gottfried Bohl (KNA)
Kathedrale von Lima in Peru / © Gottfried Bohl ( KNA )

Zuvor hatte bereits der frühzeitige Rücktritt des peruanischen Erzbischofs Jose Antonio Eguren Anselmi (67) für Schlagzeilen gesorgt. Ihm wurde in Medienberichten vorgeworfen, er habe kriminelle Vorgänge im Sodalitium vertuscht. 

Allerdings lieferte der Vatikan nicht - wie zuvor in vergleichbaren Fällen - die Begründung mit, dass Eguren gegen seine Aufsichtspflichten als Bischof verstoßen habe.

Am 25. September teilte dann der Apostolische Nuntius in Lima mit, dass der Papst den Ausschluss von zehn weiteren prominenten Mitgliedern aus dem "Sodalicio" angeordnet habe. Betroffen von dem Dekret waren unter anderem der bereits erwähnte Erzbischof Eguren, der frühere Generalobere der Gemeinschaft, Eduardo Antonio Regal, sowie mehrere Regionalverantwortliche und Ausbilder.

Ein Journalist unter den möglichen Missetätern

Auch der Journalist Alejandro Bermudez, Mitbegründer und langjähriger Chef des konservativen lateinamerikanischen Nachrichtendienstes ACI Prensa und Kommentator beim Sender EWTN, wird in dem Dekret als Ausgeschlossener genannt. Ihm wird "Missbrauch in der Ausübung des journalistischen Verkündigungsauftrags" vorgeworfen.

Weitere Vorwürfe gegen ausgeschlossene Mitglieder lauten: "Körperliche Misshandlung einschließlich sadistischer Gewalt", "sektenartige Methoden, um den freien Willen der Untergeordneten zu brechen", "geistlicher Missbrauch", "Vertuschung von Vergehen" sowie "missbräuchlicher Umgang mit kirchlichen Gütern". Vorwürfe sexuellen Missbrauchs enthielt das Register der Anschuldigungen diesmal nicht.

Verdachtsmeldungen / © Pixel-Shot (shutterstock)

Wenig später verbreitete Bermudez ein Video in sozialen Netzwerken, in dem zwei dem Sodalicio nahe stehende Laien, Giuliana Caccia und Sebastian Blanco, schwerwiegende Vorwürfe gegen den Vatikan erheben.

Der Papst habe ihnen, vermutlich aufgrund falscher Informationen, die Exkommunikation angedroht, falls sie nicht ihrerseits eine weltliche Klage gegen den vatikanischen Sonderermittler Jordi Bertomeu aus dem Glaubensdikasterium zurückziehen.

Vorgetäuschtes Opfer-Schicksal?

Die beiden hatten dem spanischen Geistlichen vorgeworfen, vertrauliche Informationen über eine Befragung an Medien weitergegeben zu haben, bei der sie als Zeugen verhört wurden. Eine mit dem Fall vertraute Quelle berichtete der KNA, dass die beiden sich fälschlich als Opfer ausgegeben hätten, um auf diese Weise die Ermittlungen beeinflussen zu können.

Blanco hatte bereits einmal für Schlagzeilen gesorgt, als er Kurienkardinal Robert Prevost beschuldigte, einen Fall von sexuellem Missbrauch im Klerus seines früheren peruanischen Bistums vertuscht zu haben. Prevost war von 2015 bis 2023 Bischof von Chiclayo in Peru.

Die jetzt ins Zentrum des Interesses gerückten Befragungen zum "Sodalicio" fanden im Juli 2023 in der Apostolischen Nuntiatur in Lima statt. Der Chef des Verfahrens, der in vielen Verfahren erprobte maltesische Erzbischof, Charles Scicluna, war bei der umstrittenen Befragung von Blanco und Caccia nicht anwesend, weil er seinen Flug nach Lima verpasst hatte. Deshalb richten sich deren Vorwürfe gegen Bertomeu.

Das "Sodalicio" wurde 1971 in Lima gegründet. Binnen weniger Jahre erlangte die Gruppe als Gegenbewegung zur Theologie der Befreiung großen Einfluss in der katholischen Kirche Perus und darüber hinaus. Papst Johannes Paul II. (1978-2005) erkannte die Gemeinschaaft 1997 kirchenrechtlich an. 

Im Vatikan wurde die Bewegung damals hoch geschätzt. Sie füllte Priesterseminare und Ordenshäuser mit jungen Mitgliedern, während die Seminare anderer Ordensgemeinschaften immer leerer wurden. Hinweise auf Fälle von Misshandlungen und Missbrauch wurden von den örtlichen Kirchenoberen lange Zeit nicht verfolgt.

Die katholische Kirche in Peru

Peru ist für die katholische Kirche eine wichtige Bastion in Lateinamerika, von den 31 Millionen Einwohnern gelten 90 Prozent als katholisch. Die Kirche hat viele Entwicklungsprojekte und setzt sich für den Schutz der indigenen Minderheiten ein, die gerade im Amazonasgebiet durch den Raubbau an der Natur und die zunehmenden Flussverschmutzungen infolge des illegalen Goldabbaus in ihren Lebensgrundlagen bedroht werden.

Gläubiger in Peru mit Rosenkranz / © Geraldo Caso (dpa)
Gläubiger in Peru mit Rosenkranz / © Geraldo Caso ( dpa )

 

Quelle:
KNA