Erstmals ist ein katholischer Bischof in Deutschland im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal zurückgetreten. Der Papst habe den Amtsverzicht des Osnabrücker Bischofs Franz-Josef Bode (72) angenommen, teilte der Vatikan am Samstag mit.
Bischof Bode: Fehler bei Missbrauchsaufarbeitung Grund für Rücktritt
Bischof Bode begründet seinen Rücktritt vor allem mit eigenen Fehlern bei der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch. So habe der im vergangenen September veröffentlichte Zwischenbericht zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Bistum Osnabrück "noch einmal deutlich seine eigenen Fehler im Umgang mit Missbrauchsfällen vor Augen geführt", erklärte der Bischof am Samstag in Osnabrück. Er bekenne sich ausdrücklich zu seiner Verantwortung als Bischof wie zu seinen persönlichen Fehlern, so Bode: "Ich kann heute nur alle Betroffenen erneut um Verzeihung bitten."
Er habe in seiner Amtszeit Missbrauchsfälle falsch eingeschätzt und zu zögerlich gehandelt, so Bode: "Insbesondere im Umgang mit Fällen sexualisierter Gewalt durch Kleriker habe auch ich selbst lange Zeit eher die Täter und die Institution als die Betroffenen im Blick gehabt."
Hoffnung auf "befreiende" Wirkung des Rücktritts
"Der Entschluss zu diesem Rücktritt ist in den letzten Monaten in mir gereift", erklärte der Bischof in einer Stellungnahme, in der er mehrere Gründe für diesen Schritt anführte. Er wünsche sich, dass vor dem Hintergrund des erlittenen Vertrauensverlusts sein nun vollzogener Rücktritt als Bischof für die Menschen im Bistum auch befreiend wirken könne. Der Zeitpunkt sei auch deshalb geeignet, weil die in unmittelbarer Reaktion auf die Studie von ihm angekündigten Maßnahmen zur Verbesserung des Umgangs mit Fällen sexualisierter Gewalt inzwischen auf den Weg gebracht seien: "Der diözesane Schutzprozess gegen sexualisierte Gewalt und geistlichen Missbrauch ist erheblich gestärkt, die Aufarbeitung geht weiter."
Zudem sei mit dem vorläufigen Abschluss des Synodalen Weges der katholischen Kirche in Deutschland ein ihm wichtiges Zwischenziel erreicht, auf dessen Basis er zuletzt noch einige konkrete Reformvorhaben für das Bistum Osnabrück in Kraft setzen konnte, so Bode. Die weiter notwendige Verstetigung des synodalen Prinzips in der Kirche werde allerdings noch viel Kraft verlangen, die er selbst nicht mehr aufbringen könne: "Denn ich habe gemerkt, dass meine zunehmend angeschlagene Gesundheit es mir nicht mehr gestattet, meine Leitungsaufgaben in Osnabrück und in der Kirche in Deutschland noch weitere drei Jahre bis zur Vollendung meines 75. Lebensjahres in der für das Amt erforderlichen Weise wahrzunehmen."
Der Bischofssitz im Bistum Osnabrück ist damit ab sofort nicht mehr besetzt, es beginnt die Zeit der Sedisvakanz. Das Kirchenrecht legt fest, dass zeitgleich mit dem Bischof auch das Amt des Generalvikars erlischt und alle dem Bischof zugeordneten Gremien aufhören zu bestehen.
DBK-Vorsitzender Bätzing würdigt Amtsbruder
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, nahm den Rücktritt mit "großem Bedauern und Respekt" zur Kenntnis. "Gerne hätte ich Dich noch weitere Jahre an unserer Seite in der Deutschen Bischofskonferenz gesehen. Gleichzeitig verstehe ich Deine Entscheidung und die damit verbundenen Konsequenzen."
Mit dem Rücktritt übernehme Bode auch Verantwortung für das "uns alle seit langem begleitende Thema des sexuellen Missbrauchs in der Kirche", sagte Bätzing: "Es war ein Ringen in Dir, eine innere Zerrissenheit, manchmal auch die Enttäuschung über Mitbrüder".
Der in Paderborn geborene Bode war der dienstälteste amtierende katholische Bischof in Deutschland. Seit 2017 war er auch stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, und seit 2019 gehörte er zum Präsidium des Reformprozesses des Synodalen Weges der Kirche in Deutschland. Bode war seit 1991 Weihbischof im Erzbistum Paderborn und seit 1995 Bischof von Osnabrück.
Die Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz im Wortlaut:
"Papst Franziskus hat heute (25. März 2023) das Rücktrittsgesuch von Bischof Dr. Franz-Josef Bode (Osnabrück) angenommen. Damit endet die Amtszeit des dienstältesten, amtierenden Bischofs in Deutschland, der seit 2017 auch stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz war und seit 2019 zum Präsidium des Synodalen Weges der Kirche in Deutschland gehörte. Bischof Bode wurde 1991 Weihbischof im Erzbistum Paderborn und war seit 1995 Bischof von Osnabrück.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing, hat das Rücktrittsgesuch von Bischof Bode mit „großem Bedauern und Respekt“ zur Kenntnis genommen. „Gerne hätte ich Dich noch weitere Jahre an unserer Seite in der Deutschen Bischofskonferenz gesehen. Gleichzeitig verstehe ich Deine Entscheidung und die damit verbundenen Konsequenzen. Von Herzen spreche ich Dir ganz persönlich und im Namen der Deutschen Bischofskonferenz meinen Dank und meine Anerkennung für Dein Wirken aus“, schreibt Bischof Bätzing an Bischof Bode. Er fügt hinzu: „Über 60 Vollversammlungen hast Du in mehr als drei Jahrzehnten Deines bischöflichen Dienstes erlebt. Hinzu kommen rund 135 Sitzungen des Ständigen Rates … Sicherlich war Dir die Aufgabe manchmal schwer und Deine Gesundheit hat darunter gelitten. Aber Du hast bis auf den heutigen Tag die Aufgaben und Herausforderungen mit Herzblut ausgefüllt.“
In seinem Brief würdigt Bischof Bätzing die Verdienste von Bischof Bode als langjähriger „Jugendbischof“ der Deutschen Bischofskonferenz bei den Weltjugendtagen: „Manches ist vom Weltjugendtag geblieben: Gerne hast Du von den ‚Biotopen des Glaubens‘ gesprochen, die noch immer vielerorts in unserem Land zu erleben sind.“ In seiner Verantwortung als Vorsitzender der Pastoralkommission (2010 bis 2021) habe Bischof Bode wesentlich am Grundlagendokument der Deutschen Bischofskonferenz, „Gemeinsam Kirche sein“ (2015), mitgewirkt. „Du warst und bist ein Bischof für die Menschen auf Augenhöhe. Das ist Deinen theologischen Gedanken, den ungezählten Hirtenbriefen und Deinem Herzensanliegen, Theologie, Glaube und Spiritualität zu verbinden, in besonderer Weise gelungen. Wer Dich erlebt, versteht Deine Worte, Deine Botschaft, Deine Theologie“, so Bischof Bätzing. Er dankte Bischof Bode auch für dessen unermüdlichen Einsatz beim Synodalen Weg: „Nicht nur als Vizepräsident hast Du Dich in unzähligen Sitzungen eingebracht, um mit Deiner Erfahrung und dem Wissen der seelsorglichen Nöte in den Pfarreien eine authentische Sicht der Dinge in viele Dokumente einfließen zu lassen. Es war vor allem auch Deine Arbeit als Vorsitzender des Forums ‚Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche‘. Im Dialog mit Frauen, Theologinnen, Ordensfrauen war es Dir ein Anliegen, beim Synodalen Weg die drängenden Fragen zur Rolle der Frau in der Kirche zu stellen … Mit Dir verliere ich am heutigen Tag meinen engsten Mitstreiter auf dem Synodalen Weg, der noch viele Wegetappen für uns bereithält.“
Ausdrücklich geht Bischof Bätzing in seinem Brief auch auf jenen Aspekt ein, der einer von mehreren Gründen für den erbetenen Rücktritt vom Amt des Bischofs von Osnabrück war. Mit dem heutigen Rücktritt übernehme Bischof Bode „auch Verantwortung für das Dich wie uns alle seit langem begleitende Thema des sexuellen Missbrauchs in der Kirche. Du hast früh um Entschuldigung gebeten. Unvergessen ist Dein Bußgottesdienst 2010, als Du – vor dem Altar auf dem Boden ausgestreckt – um Vergebung im Namen der Kirche gebeten hast. Dein Wille zur Aufarbeitung, zur Verbesserung des Umgangs mit Betroffenen und Tätern in Deinem Bistum und auch zur systemischen Veränderung unserer Kirche haben Dich seither nicht mehr losgelassen.“ Bischof Bätzing fügt hinzu: „Es war ein Ringen in Dir, eine innere Zerrissenheit, manchmal auch die Enttäuschung über Mitbrüder – und es ist Deine von Dir am heutigen Tag ins Wort gefasste Verantwortungsübernahme, Deiner bischöflichen Pflicht und der primären Sorge für die Betroffenen sexueller Gewalt nicht immer genügend nachgekommen zu sein. Auch dafür gebührt Dir Respekt und ich sehe es mit großer Anerkennung, dass Du diesen Grund – als einen von mehreren Gründen Deines erbetenen Rücktritts – nicht aussparst.“
Sein bischöflicher Wahlspruch, „Gott ist größer als unser Herz“, habe Bischof Bode in besonderer Weise geprägt. Das weite Herz des Osnabrücker Bischofs „war ein offener Geist, nicht von Mauern umgeben, sondern immer wieder neugierig, sich selbst zu hinterfragen und den Blick nach vorne zu wagen. Verengtes Denken war Dir ebenso fremd wie das Zementieren einer Meinung. Zutiefst überzeugt von der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils und den Aufbrüchen der Würzburger Synode bist Du ein treuer Zeuge und Realisator dessen, was das Konzil gewollt hat: Die Kirche in der Welt von heute zu leben, zu erklären, präsent zu machen. All das ist Dir ebenso gelungen wie Dein stetes Werben dafür, dass die Kirche ihren Platz in der Gesellschaft hat, dass sie trotz aller Säkularisierungstendenzen nicht wegzudenken ist und dabei stets neu in das Heute übersetzen muss, was ihr Auftrag ist.“ Diese Übersetzungsarbeit sei Bischof Bode gelungen. Das Vokabelheft für diese Aufgabe, so Bischof Bätzing, sei die Predigt gewesen, „mit der Du Menschen – ganz eng mit der Kirche verbunden aber auch weit von ihr entfernt – berührt hast. Das unbegreifliche Geheimnis unseres Glaubens, Gott, hast Du in Worte gefasst und Dein eigenes Handeln an diesem Gott ausgerichtet. Dein Glaubenszeugnis, Dein Mut als Bischof und Deine visionäre Kraft für eine Erneuerung der Kirche sind das, was – neben vielem anderen – bleiben wird.“
(25.03.2023, 12:38: aktualisiert um die Stellungnahme von Bischof Bode)
(25.03.2023, 12:59: aktualisiert um weiteres Zitat von Bischof Bode)