Der aus Guinea stammende Kurienkardinal Robert Sarah war bislang einer der höchstrangigen Afrikaner der Weltkirche. Als Präfekt der Liturgiekongregation gehörte er nominell zu den einflussreichsten Männern im Vatikan. Doch unter Papst Franziskus entwickelte er sich zum ausgesprochenen Kritiker von dessen Reformkurs - und manövrierte sich mit nicht immer glücklichen Aktionen zunehmend ins Abseits.
Am Samstag nahm Papst Franziskus das altersbedingte Rücktrittsgesuch des 75-Jährigen an. Sarahs fünfjährige Amtsperiode als Präfekt endete eigentlich schon im November 2019, wurde aber von Franziskus, zumindest soweit bekannt, weder förmlich verlängert noch beendet.
Angezählt seit 2020
Anfang 2020 traute sich Sarah, in einer der heikelsten Fragen der katholischen Kirche zwischen zwei Päpsten zu jonglieren. Damals erschien ein neues Buch - angekündigt mit dem emeritierten Papst Benedikt XVI. als Co-Autor. Es ging um eine Verteidigung des Priesteramtes und des Pflichtzölibats. Die Publikation erschien wenige Woche, bevor Franziskus über den Vorstoß der Bischofssynode zum Amazonas befinden sollte, angesichts des pastoralen Notstands dort womöglich auch verheiratete Diakone zu Priestern weihen zu dürfen.
Der frühere Papst als Gewährsmann gegen den amtierenden. Doch die Rechnung ging nur bedingt auf. Die mediale Aufmerksamkeit war zwar enorm - doch Benedikts Privatsekretär Erzbischof Georg Gänswein dementierte eine Co-Autorenschaft. Benedikt XVI. habe im November lediglich die Publikation eines 2019 verfassten Aufsatzes über das Priestertum erlaubt. Seither galt Sarah als angezählt.
Eine steile Karriere
Seine steile Kirchenkarriere machte er vor allem unter Johannes Paul II. (1978-2005) und Benedikt XVI. (2005-2013). Geboren am 15. Juni 1945, wurde er 1969 in seiner Heimatdiözese Conakry zum Priester geweiht; er studierte in Rom und Jerusalem. 1979 ernannte Johannes Paul II. den gerade 34-Jährigen zum Erzbischof von Conakry - und damals jüngsten Diözesanbischof der Welt.
2001 wechselte Sarah als Sekretär der Missionskongregation nach Rom. 2010 machte ihn Benedikt XVI. zum Präsidenten des Päpstlichen Rates Cor unum, einer Art vatikanischem "Entwicklungshilfeminister". Franziskus beförderte den konservativen Theologen im November 2014 zum Präfekten der Gottesdienst- und Sakramentenkongregation, also zum "Liturgieminister"; wohl auch in der Überzeugung, den konservativen Flügel im Vatikan einbinden zu können.
Ein offizieller Rüffel vom Papst
Sarah machte mit seinen Aussagen als Hüter des rechten Glaubensvollzugs wenig Hehl daraus, was er von den Reformgedanken seines Vorgesetzten hält. Bereits in der innerkirchlichen Debatte über Ehe und Familie fiel er durch gewagte Nationalsozialismus-Vergleiche auf. Immer wieder forderte Sarah als Behördenleiter eine "Reform der Reform" der konziliaren Liturgie. Bei einer Konferenz in London 2016 ermunterte er die Priester, wieder wie vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) mit dem Rücken zur Gemeinde zu zelebrieren. Der Vatikan bemühte sich, die Aussagen interpretativ einzufangen.
Im Herbst 2017 wurde es dann ungemütlich. In einem beispiellosen Vorgang erteilte der Papst Sarah als einem seiner Minister einen offiziellen Rüffel, der sogar vom Vatikan veröffentlicht wurde. Franziskus hatte in einem Erlass den örtlichen Bischofskonferenzen mehr Spielraum bei der Übersetzung liturgischer Texte eingeräumt - und damit Sarahs Behörde beschnitten. Der Kardinal streute dagegen einen Kommentar, nach dem das letzte Wort weiter bei ihm und seiner Behörde liege.
Per Brief wies Franziskus ihn auf seine Fehlinterpretation hin - und machte höchst öffentlich deutlich, es sei falsch, die Übersetzung wichtiger liturgischer Texte "von oben herab" den Bischofskonferenzen "aufzuzwingen".
Ein "geistliches Übel" in der Pandemie
In der Corona-Krise warf der Afrikaner noch einmal sein theologisches Gewicht in die Waagschale. Mehrfach verwahrte er sich gegen liturgische Entgleisungen im Namen des Hygieneschutzes wie Segen per Weihwasserpistole oder geweihte Hostien zum Mitnehmen. Gott und der Leib Christi ließen sich nicht in kleine Tütchen verpacken.
In einem ausführlichen Gastbeitrag für den französischen "Figaro" schrieb Sarah, die Welt erwarte von der Kirche "ein Wort des Glaubens, das ihr ermöglicht, das Trauma vom Angesicht des Todes zu überwinden, das sie gerade erlebt". Die Corona-Krise habe gezeigt, dass viele moderne Gesellschaften an einem "geistlichen Übel" litten: Sie wüssten nicht, "wie sie Leid, Endlichkeit und Tod einen Sinn geben können".