Kurienkardinal Robert Sarah ist einer der höchstrangigen Afrikaner der Weltkirche. Als Präfekt der Liturgiekongregation gehört er nominell zu den einflussreichsten Männern im Vatikan.
Doch in der Amtszeit von Papst Franziskus hat er sich zum ausgesprochenen Kritiker von dessen Reformkurses entwickelt - und sich mit nicht immer glücklichen Aktionen zunehmend ins Abseits manövriert.
An diesem Montag wird Sarah 75 Jahre alt; er erreicht damit jene Altersgrenze, in denen Bischöfe dem Papst nach dem Kirchenrecht ihren Amtsverzicht anbieten müssen. Seine fünfjährige Amtsperiode als Präfekt endete schon im November. Sie wurde von Franziskus, zumindest soweit bekannt, weder förmlich verlängert noch beendet. Gut möglich also, dass der Zeitpunkt des Abschieds bald gekommen ist.
Ein Versuch, die Päpste gegeneinander auszuspielen?
Zu Jahresbeginn traute sich Sarah sogar, in einer der heikelsten Fragen der katholischen Kirche zwischen zwei Päpsten zu jonglieren.cDamals erschien ein weiteres Buch Sarahs - angekündigt mit dem emeritierten Papst Benedikt XVI. als Co-Autor.
Es ging um eine Verteidigung des Priesteramtes und des priesterlichen Pflichtzölibats. Das Buch erschien wenige Woche, bevor Papst Franziskus über den Vorstoß der Bischofssynode zum Amazonas befinden sollte, angesichts des pastoralen Notstands dort womöglich auch verheiratete Diakone zu Priestern weihen zu dürfen.
Sarah ist angezählt
Der frühere Papst als Gewährsmann gegen den amtierenden. Doch die Rechnung ging nur bedingt auf. Die mediale Aufmerksamkeit war zwar enorm - doch Benedikts Privatsekretär Erzbischof Georg Gänswein dementierte eine Co-Autorenschaft. Benedikt XVI. habe Ende November lediglich die Publikation eines 2019 verfassten Aufsatzes über das Priestertum erlaubt. Seither gilt Sarah als angezählt.
Seine steile Kirchenkarriere machte Sarah vor allem unter Johannes Paul II. (1978-2005) und Benedikt XVI. (2005-2013). Geboren am 15. Juni 1945 in der Stadt Ourous im westafrikanischen Guinea, wurde er 1969 in seiner Heimatdiözese Conakry zum Priester geweiht; er studierte in Rom und Jerusalem. 1979 ernannte Johannes Paul II. den gerade erst 34-Jährigen zum Erzbischof von Conakry - und damals jüngsten Diözesanbischof der Welt.
Beförderung zum Liturgieminister
2001 wechselte Sarah als Sekretär der Missionskongregation nach Rom. Ende 2010 machte ihn Benedikt XVI. zum Präsidenten des Päpstlichen Rates Cor unum, damals eine Art vatikanischer "Entwicklungshilfeminister". Papst Franziskus beförderte den konservativen Theologen im November 2014 zum Präfekten der Gottesdienst- und Sakramentenkongregation, also zum "Liturgieminister"; wohl auch in der Überzeugung, den konservativen Flügel im Vatikan einbinden zu können.
Kein Sinn für Reformen
Sarah machte mit seinen Aussagen als Hüter des rechten Glaubensvollzugs wenig Hehl daraus, was er von den Reformgedanken seines Vorgesetzten Franziskus hält. Bereits in der innerkirchlichen Debatte über Ehe und Familie fiel er durch gewagte Nationalsozialismus-Vergleiche auf. Immer wieder forderte Sarah als Behördenleiter eine "Reform der Reform" der konziliaren Liturgie.
Bei einer Konferenz in London 2016 ermunterte er die Priester, wieder wie vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) mit dem Rücken zur Gemeinde zu zelebrieren. Der Vatikan bemühte sich, die Aussagencinterpretativ einzufangen.
Der Streit wird öffentlich
Im Herbst 2017 wurde es dann ungemütlich. In einem beispiellosen Vorgang erteilte der Papst Sarah als einem seiner Minister einen offiziellen Rüffel, der sogar vom Vatikan veröffentlicht wurde. Franziskus hatte in einem Papsterlass den örtlichen Bischofskonferenzen mehr Spielraum bei der Übersetzung liturgischer Texte eingeräumt - und damit Sarahs Behörde beschnitten. Der Kardinal streute dagegen einen Kommentar, nach dem das letzte Wort weiter bei ihm und seiner Behörde liege.
Per Brief wies Franziskus ihn auf seine Fehlinterpretation hin - und machte höchst öffentlich deutlich, es sei falsch, die Übersetzung wichtiger liturgischer Texte "von oben herab" den Bischofskonferenzen "aufzuzwingen". Doch die Rüge von 2017 verhinderte wohl nicht, dass der Kardinal auf seinem Kurs weiterfuhr. Wie sonst wäre zu deuten, dass wenige Tage, bevor sich der amtierende Papst in der Zölibatsfrage äußern wollte, Sarah ihm mit Hilfe der theologischen Autorität des emeritierten Papstes in den Arm fiel?
Jünste Äußerungen
In der Außergewöhnlichkeit der Corona-Krise warf der Afrikaner nun noch einmal sein theologisches Gewicht in die Waagschale. In zahlreichen Äußerungen verwahrte er sich gegen liturgische Entgleisungen im Namen des Hygieneschutzes wie Segen per Weihwasserpistole oder geweihte Hostien zum Mitnehmen: Gott und der Leib Christi ließen sich nicht in kleine Tütchen verpacken.
Und in einem ausführlichen Meinungsbeitrag für den französischen "Figaro" schrieb Sarah, die Welt erwarte von der Kirche "ein Wort des Glaubens, das ihr ermöglicht, das Trauma vom Angesicht des Todes zu überwinden, das sie gerade erlebt". Die Corona-Krise habe gezeigt, dass unsere Gesellschaften an einem "geistlichen Übel" litten: Sie wüssten nicht, "wie sie Leid, Endlichkeit und Tod einen Sinn geben können", und seien so organisiert, dass sie den Tod leugnen, verbergen, ignorieren. Nach über 40 Jahren als Bischof dürfte Sarah demnächst den Hirtenstab weiterreichen.