Paukenschlag in Rom. Papst Franziskus hat in beispielloser Weise in den Malteserorden eingegriffen. Mit einem am Samstag veröffentlichten Dekret, über dessen Inhalt schon in den vergangenen Wochen spekuliert wurde, hat Franziskus das Leitungsgremium des Malteserordens entlassen und einen provisorischen Souveränen Rat eingesetzt. Dieser wird bis zu einer Wahl durch ein Generalkapitel im Januar die Geschicke des Ordens leiten.
Damit wurde unter anderem der bisherige Großkanzler des Malteserordens, der Deutsche Albrecht Freiherr von Boeselager, aus der Regierung des Ordens entfernt. Zugleich erließ der Papst - mit sofortiger Wirkung - eine neue Verfassung und ein neues Gesetzbuch für den Orden.
Neue Verfassung für den Orden
Vorangegangen waren dem Showdown jahrelange Querelen, in die der Papst mehrfach eingriff. Zunächst kreisten die Konflikte um die theologische und kirchenpolitische Ausrichtung des Ordens. In den vergangenen Monaten wurde immer deutlicher, dass der Papst und sein Beauftragter, Kardinal Silvano Maria Tomasi, die kirchenpolitische und auch die finanzielle Souveränität des Ordens in Frage stellten.
Der weltweit karitativ tätige katholische Orden ist als souveränes Völkerrechtssubjekt in seinen weltlichen Belangen unabhängig vom Vatikan, in den geistlichen Belangen jedoch dem Papst zum Gehorsam verpflichtet. Die Situation hatte sich zugespitzt mit einer ordensinternen Krise unter dem damaligen Großmeister Fra' Matthew Festing (1949-2021), der Großkanzler Boeselager entlassen hatte.
Festing trat 2017 auf Druck von Papst Franziskus nach internen Querelen zurück - Boeselager wurde vom Heiligen Stuhl wieder in sein Amt eingesetzt.
An der Spitze des Ordens herrschte seither wenig Kontinuität. Festings Nachfolger, Großmeister Giacomo della Torre, starb 2020 mit 75 Jahren. Vergangenen Juni starb mit 71 Jahren der Übergangsleiter, Statthalter Fra' Marco Luzzago. Seither hat Fra' John Dunlap (65) dieses Amt inne, der das Eingreifen des Papstes in einer Erklärung am Samstag eilig befürwortete. "Der Malteserorden begrüßt die väterlichen Maßnahmen Seiner Heiligkeit, die die große Liebe des Papstes zu unserem Orden zeigen", ließ der Professritter wissen. Nach sorgfältiger Prüfung der verschiedenen Vorschläge, die in den vergangenen Monaten vorgelegt worden seien, habe der Papst einen Kurs eingeschlagen, um die Zukunft des Ordens als Ordensinstitut und auch als völkerrechtlich souveränes Gebilde zu sichern.
Unterstützung für Reformplan
Dunlap gilt schon länger als Unterstützer der Reformpläne des Papstes. Er trug schon immer die Entscheidungen des von Franziskus mit weitreichenden Befugnissen ausgestatteten Sonderbeauftragten mit.
Franziskus hatte Tomasi beauftragt, dem Orden wieder ein mehr religiöses Profil zu geben. Dazu gehörte die Stärkung der an Gelübde gebundenen Ritter des "Ersten Standes", aber zugleich eine zeitgemäßere Leitungsstruktur mit Veränderungen im Finanzwesen und bei Fragen der Compliance.
Dekret mehr als bemerkenswert
In dem nun veröffentlichten Dekret beruft sich Franziskus in bemerkenswerter Weise auf eine vatikanische Gerichtsentscheidung unter Pius XII. Ein Urteil habe bereits 1953 die dem Orden als Völkerrechtssubjekt innewohnenden Vorrechte beschränkt. Der Orden habe demnach nicht dieselben Befugnisse und Vorrechte wie andere souveräne Körperschaften. "Die Qualität der Institution als souveräner Orden ist funktional, das heißt, sie ist darauf ausgerichtet, die Verwirklichung der Ziele des Ordens und seine Entwicklung in der Welt zu gewährleisten", zitiert Franziskus die damalige Entscheidung.
Bislang verschafft der Status als souveränes Völkerrechtssubjekt dem katholischen Orden einzigartige Zugänge auf diplomatischer Ebene, er ermöglicht besondere Unabhängigkeit in Konflikten. Beobachter bangen aufgrund der jüngsten Eingriffe des Papstes um diese Privilegien im Dienste weltweiten humanitären Engagements.
Basis des Ordens nicht zufrieden
Schon bislang haben Eingriffe des Papst-Gesandten Tomasi, wie die Ernennung von Statthaltern in unabhängigen Assoziationen, Irritationen verursacht. Die Basis rebellierte - vor allem in Deutschland. Besonders kritisch wird der Vorschlag gesehen, die Verantwortung von rund 13.000 Laien auf drei Dutzend Ordensritter zu übertragen, die mit ihren Gelübden in einem besonderen Gehorsamsverhältnis zum Papst stehen. Diesen zum großen Teil betagten Rittern fehle die Erfahrung und die Qualifikation, so große Organisationen zu führen, so die Warnung.
Entgegen der sonst üblichen Zurückhaltung veröffentlichte ein gutes Dutzend Vorsitzender nationaler Malteser-Vereinigungen Mitte August einen Offenen Brief an den Papst. Darin baten sie ihn, die laufenden Reformpläne zu stoppen und stattdessen unter breiter Beteiligung der Mitglieder neue Vorschläge ausarbeiten zu lassen. Andernfalls könnten der Orden und seine Werke "schweren Schaden erleiden".
Ob der Eingriff des Papstes die Situation innerhalb des Ordens zu beruhigen vermag, ist so ungewiss wie die Motive des Heiligen Stuhls unklar sind. Viel wird an der Reaktion der Staaten liegen, mit denen der Malteserorden diplomatische Beziehungen unterhält. Zu diesen 110 Staaten zählt auch Deutschland, wo die finanzkräftigste Malteser-Assoziation ansässig ist. Sie finanziert einen großen Teil der humanitären Einsätze.