Paukenschlag in Rom. Papst Franziskus hat in beispielloser Weise in den Malteserorden eingegriffen. Mit einem am Samstag veröffentlichten Dekret, über dessen Inhalt schon in den vergangenen Wochen spekuliert wurde, hat Franziskus das Leitungsgremium des Ordens entlassen und einen provisorischen Souveränen Rat eingesetzt.
Dieser wird bis zu einer Wahl durch ein Generalkapitel im Januar die Geschicke des Ordens leiten. Damit wurde unter anderem der bisherige Großkanzler des Malteserordens, der Deutsche Albrecht Freiherr von Boeselager, aus der Ordens-Regierung entfernt. Zugleich erließ der Papst - mit sofortiger Wirkung - eine neue Verfassung und ein neues Gesetzbuch für den Orden. Diese veröffentlichten die Malteser auf ihrer Internetseite.
Jahrelange Querelen
Darin wird unter anderem die Amtszeit des künftigen Großmeisters auf zehn Jahre begrenzt. Einmal darf sie verlängert werden, allerdings nur bis zu einer Altersgrenze von 85 Jahren. Ein Adliger muss er nicht mehr sein. Das öffnet das Amt für wesentlich mehr mögliche Kandidaten, besonders für Nicht-Europäer.
Vorangegangen waren dem Showdown jahrelange Querelen, in die der Papst mehrfach eingriff. Zunächst kreisten die Konflikte um die theologische und kirchenpolitische Ausrichtung des Ordens. In den vergangenen Monaten wurde immer deutlicher, dass der Papst und sein Beauftragter, Kardinal Silvano Maria Tomasi, die kirchenpolitische und auch die finanzielle Souveränität des Ordens in Frage stellten.
Der weltweit karitativ wirkende katholische Orden ist als souveränes Völkerrechtssubjekt in seinen weltlichen Belangen unabhängig vom Vatikan, in den geistlichen Belangen jedoch dem Papst zum Gehorsam verpflichtet.
Die Situation hatte sich zugespitzt mit einer ordensinternen Krise unter dem damaligen Großmeister Fra' Matthew Festing (1949-2021), der Großkanzler Boeselager entlassen hatte. Festing trat 2017 auf Druck von Papst Franziskus nach internen Querelen zurück - und Boeselager wurde vom Heiligen Stuhl wieder in sein Amt eingesetzt.
Wenig Kontinuität an der Spitze
An der Spitze des Ordens herrschte seither wenig Kontinuität. Festings Nachfolger, Großmeister Giacomo della Torre, starb 2020 mit 75 Jahren. Im Juni starb mit 71 Jahren der Übergangsleiter, Statthalter Fra' Marco Luzzago. Seither hat Fra' Dunlap (65) dieses Amt inne, der das Eingreifen des Papstes in einer Erklärung eilig befürwortete.
"Der Malteserorden begrüßt die väterlichen Maßnahmen Seiner Heiligkeit, die die große Liebe des Papstes zu unserem Orden zeigen", ließ der Professritter wissen. Nach sorgfältiger Prüfung der verschiedenen Vorschläge, die in den letzten Monaten vorgelegt worden seien, habe der Papst einen Kurs eingeschlagen, um die Zukunft des Ordens als Ordensinstitut und auch als völkerrechtlich souveränes Gebilde zu sichern.
Dunlap gilt schon länger als Unterstützer der Reformpläne des Papstes. Er trug schon immer die Entscheidungen des mit weitreichenden Befugnissen ausgestatteten Gesandten des Papstes mit.
Franziskus hatte Tomasi beauftragt, dem Orden wieder ein mehr religiöses Profil zu geben. Dazu gehörte die Stärkung der an Gelübde gebundenen Ritter des "Ersten Standes", aber zugleich eine zeitgemäßere Leitungsstruktur mit Veränderungen im Finanzwesen und bei Fragen der Compliance.
In dem jetzt veröffentlichten Dekret beruft sich Franziskus in bemerkenswerter Weise auf eine vatikanische Gerichtsentscheidung unter Pius XII. Ein Urteil habe bereits 1953 die dem Orden als Völkerrechtssubjekt innewohnenden Vorrechte beschränkt. Der Orden habe demnach nicht dieselben Befugnisse und Vorrechte wie andere souveräne Körperschaften. "Die Qualität der Institution als souveräner Orden ist funktional, das heißt, sie ist darauf ausgerichtet, die Verwirklichung der Ziele des Ordens und seine Entwicklung in der Welt zu gewährleisten", zitiert Franziskus die damalige Entscheidung.
Bislang verschafft der Status als souveränes Völkerrechtssubjekt dem katholischen Orden einzigartige Zugänge auf diplomatischer Ebene, er ermöglicht besondere Unabhängigkeit in Konflikten. Beobachter bangen aufgrund der jüngsten Eingriffe des Papstes um diese Privilegien im Dienste weltweiten humanitären Engagements.
Irritationen verursacht
Schon bislang haben Eingriffe des Papst-Gesandten Tomasi, wie die Ernennung von Statthaltern in unabhängigen Assoziationen, Irritationen verursacht. Die Basis rebellierte - vor allem in Deutschland. Besonders kritisch sehen sie den Vorschlag des zuständigen Papst-Delegierten, die Verantwortung von rund 13.000 Laien auf drei Dutzend Ordensritter zu übertragen, die mit ihren Gelübden in einem besonderen Gehorsamsverhältnis zum Papst stehen.
Doch diesen zum großen Teil betagten Rittern fehle die Erfahrung und die Qualifikation, solch große Organisationen zu führen, so die Warnung.
Entgegen der sonst üblichen Zurückhaltung schrieb ein gutes Dutzend Vorsitzender nationaler Malteser-Vereinigungen Mitte August einen Offenen Brief an den Papst. Darin baten sie ihn, die laufenden Reformpläne zu stoppen und stattdessen unter breiter Beteiligung der Mitglieder neue Vorschläge ausarbeiten zu lassen. Andernfalls könnten der Orden und seine Werke "schweren Schaden erleiden".
Ob der Eingriff des Papstes die Lage innerhalb des Ordens zu beruhigen vermag, ist so ungewiss wie die Motive des Heiligen Stuhls unklar sind. Viel wird an der Reaktion der Staaten liegen, mit denen der Malteserorden diplomatische Beziehungen unterhält. Zu diesen 110 Staaten zählt auch Deutschland, wo auch die finanzkräftigste Malteser-Assoziation ansässig ist. Sie finanziert einen großen Teil der humanitären Einsätze.
Kardinal Gianfranco Ghirlanda war als vatikanischer Kirchenjurist an der neuen Verfassung beteiligt, bei den Treffen des Kirchenoberhaupts mit der Ordensspitze dabei. Gegenüber Medienvertretern erklärte er, dass der Malteserorden nun Einheit anstreben müsse. Er selbst habe keine Angst vor einer Spaltung innerhalb des Ordens, denn eine solche könne nur vom Heiligen Stuhl selbst vorgenommen werden. "Wenn jemand protestiert, bedeutet das, dass er nicht versteht, welche Funktion der Papst in der katholischen Kirche hat", so der Kardinal.