Papst verurteilt Missbrauch und betet für Frieden

"Das Böse muss öffentlich bekannt werden"

Papst Franziskus fordert die Bischöfe auf, Missbrauchsfälle offenzulegen und Täter zu bestrafen. Zum Ende seiner Belgienreise ruft er zu Frieden im Nahen Osten auf und ermutigt junge Katholiken, das Angelusgebet wiederzuentdecken.

Papst Franziskus hält die Ferula, während er der Sonntagsmesse im König-Baudouin-Stadion vorsteht. / © Andrew Medichini/AP (dpa)
Papst Franziskus hält die Ferula, während er der Sonntagsmesse im König-Baudouin-Stadion vorsteht. / © Andrew Medichini/AP ( dpa )

Auch am letzten Tag seiner Reise nach Luxemburg und Belgien hat Papst Franziskus den sexuellen Missbrauch in der Kirche scharf verurteilt. Er rief die Bischöfe auf, Missbrauchsfälle nicht zu verschweigen, sondern sie öffentlich zu machen und die Täter zu bestrafen. Der Papst äußerte sich in einer Predigt beim Gottesdienst im König-Baudouin-Stadion von Brüssel vor rund 40.000 Menschen, die nach diesen Ausführungen lange applaudierten.

Der Papst hob lobend hervor, dass einige der Missbrauchsbetroffenen das Böse, das sie erlitten haben, öffentlich gemacht haben. "Das Böse muss öffentlich bekannt werden, und der Täter müssen verurteilt werden, ganz gleich ob es jemand ohne Weihe, oder ein Priester oder ein Bischof ist. Der Täter soll verurteilt werden!"

Vertuschung ist eine Schande

Auf dem Rückflug von seiner Belgienreise nach Rom am Sonntag ergänzt der Papst seine Predigt. "Ich habe die Missbrauchsbetroffenen angehört, ich glaube, das ist eine Pflicht. Wir haben die Verantwortung, den Missbrauchsbetroffenen zu helfen und uns um sie zu kümmern." Einige brauchten psychologische Hilfe, andere auch finanzielle Unterstützung.

Vor allem müssten die Täter bestraft werden, betonte Franziskus. Missbrauch sei nichts Vorübergehendes, sondern eine psychiatrische Krankheit, die behandelt werden müsse. "Man kann keinen Missbrauchstäter frei im normalen Leben belassen, mit Verantwortung in Pfarreien oder Schulen", betonte der Papst und fuhr fort: "Die Schande, ja das ist die Vertuschung".

Plädoyer für eine bescheidene Kirche

Auch an weiteren Stellen seiner Predigt fügte der Papst Ausführungen über den Missbrauch hinzu. So sagte er: "Weit weg von uns sei jene Hand, die zuschlägt, um einen sexuellen Missbrauch, einen Machtmissbrauch oder einen Gewissensmissbrauch gegen Schwächere zu verüben! Wie viele Fälle von Missbrauch haben wir in unserer Geschichte und in unserer Gesellschaft!"

Zuvor hatte der Papst die katholische Kirche dazu aufgefordert, ihren Auftrag mit Offenheit und Bescheidenheit zu erfüllen. Wörtlich sagte er: "Wenn wir also mit offener und aufmerksamer Liebe am freien Wirken des Geistes mitwirken wollen, ohne mit unserer Anmaßung und Starrheit Ärgernis zu erregen, ohne ein Hindernis für irgendjemanden zu sein, müssen wir unseren Auftrag mit Demut, Dankbarkeit und Freude erfüllen. Wir dürfen also keinen Groll hegen, sondern müssen uns freuen, dass auch andere das tun können, was wir tun".

Gegen reine Marktwirtschaft

Im politischen Teil seiner Predigt wandte sich der Papst gegen Egoismus und eine rein liberale Marktwirtschaft. Er sagte: "Der Egoismus ist, wie alles, was die Liebe verhindert, ein Ärgernis, weil er die Kleinen erdrückt, die Würde der Menschen erniedrigt und den Schrei der Armen erstickt. (...) Wenn man dem Leben der Einzelnen und der Gemeinschaften allein die Prinzipien des Eigennutzes und allein die Gesetzmäßigkeiten des Marktes zugrunde legt, entsteht eine Welt, in der es keinen Platz mehr gibt für die, die in Schwierigkeiten sind, keine Barmherzigkeit für die, die Fehler machen, kein Mitgefühl für die, die leiden und nicht zurechtkommen."

Heilige Messe mit Papst Franziskus am 29. September 2024 im König-Baudouin-Stadion in Brüssel. / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Heilige Messe mit Papst Franziskus am 29. September 2024 im König-Baudouin-Stadion in Brüssel. / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Ausdrücklich ging der Papst dabei auch auf die Lage der Migranten ein, die als sogenannte "Sans Papiers" ohne gültige Papiere in Ländern wie Frankreich oder Belgien leben. Der Papst erklärte: "Sie sind Menschen, Schwestern und Brüder, die wie alle anderen von einer besseren Zukunft für sich und ihre Angehörigen träumen und stattdessen oft ungehört bleiben und zu Opfern von Ausbeutung werden." 

Wachstum durch Migration

An die Regierungen in Europa appellierte er, die Migration als eine Gelegenheit für gemeinsames Wachstum zu begreifen. "Ich lade alle ein, in jedem eingewanderten Menschen das Gesicht Jesu zu sehen, der unter uns Gast und Pilger war", so der Papst am Sonntag in Brüssel.

Er erinnerte daran, dass Belgien ein Ziel vieler Migranten war und weiterhin ist. Anlass des Papst-Appells kurz vor Ende seiner Belgienreise war der katholische Welttag der Migranten und Geflüchteten, der am Sonntag begangen wurde.

Lage im Libanon

Mit einem Aufruf zum Waffenstillstand im Nahen Osten und einem Gebet um Frieden in der Welt beendete Papst Franziskus seine knapp viertägige Reise nach Luxemburg und Belgien. Nach der Sonntagsmesse im König-Baudouin-Stadion sagte er beim traditionellen Angelusgebet, er sei bestürzt über die Ausweitung des Krieges im Libanon. "Zu viele Menschen sterben Tag für Tag im Nahen Osten. Beten wir für die Opfer und ihre Angehörigen, beten wir für den Frieden."

Weiter sagte er: "Ich bitte alle Konfliktparteien um einen sofortigen Waffenstillstand im Libanon, in Gaza, in Israel im übrigen Palästina. Alle Geiseln sollen freigelassen, humanitäre Hilfe muss zugelassen werden".

Am Ende seiner Ausführungen sagte der Papst: "Erbitten wir von Gott das Geschenk des Friedens für die gepeinigte Ukraine, für Palästina und Israel, für den Sudan, für Myanmar und alle vom Krieg verwundeten Länder."

Papst Franziskus winkt den Fotografen während der Abschiedszeremonie auf dem Luftwaffenstützpunkt Melsbroek am Ende eines viertägigen Besuchs in Belgien und Luxemburg zu. / © Geert Vanden Wijngaert/AP (dpa)
Papst Franziskus winkt den Fotografen während der Abschiedszeremonie auf dem Luftwaffenstützpunkt Melsbroek am Ende eines viertägigen Besuchs in Belgien und Luxemburg zu. / © Geert Vanden Wijngaert/AP ( dpa )

Gebet und Seligsprechung

Zuvor legte er den jungen Katholiken ans Herz, die alte Tradition des Angelusgebets wieder neu zu entdecken. Er erklärte: "Dieses Gebet, das bei den vergangenen Generationen sehr beliebt war, verdient es, wiederentdeckt zu werden: Es ist eine Zusammenfassung der Geheimnisse des christlichen Glaubens, das die Kirche uns lehrt, in unseren Tagesablauf zu integrieren. Ich lege es euch ans Herz, vor allem den jungen Menschen".

Zu Beginn der Messfeier hatte der Papst die aus Spanien stammende Ordensfrau Anna von Jesus (1545 - 1621) selig gesprochen. Sie sei wegen ihres Lebens in Gebet, Arbeit und Nächstenliebe auch heute noch ein Vorbild für die Kirche.

Quelle:
KNA