Buchstäblich gesäumt von Kreuzen hat Papst Franziskus eine Messe im Land der Mapuche gefeiert. 80 schlichte Holzkreuze aus Eiche, aufgereiht am Rand des Flugfelds von Temuco - sie sind als Erinnerung an den Gottesdienst bestimmt für die Pfarreien der Diözesen Temuco und Villarrica. Aber sie stehen auch für die Leiden der Menschen im schwach entwickelten Süden Chiles, nicht zuletzt für eine lange Geschichte der Unterdrückung und Diskriminierung der indigenen Völker.
Der kaum sechsstündige Besuch war die bislang schwierigste Station des Papstes, der in Chile Kritik und Widerständen begegnet wie auf keiner seiner 21 früheren Auslandsreisen. Erst in der Nacht vor seiner Ankunft gingen in der Region erneut zwei Kapellen und eine angrenzende Schule in Flammen auf, dazu zwei Hubschrauber. Ein Polizist erlitt eine Schussverletzung.
"Aggression nicht direkt gegen Kirche"
Wer Urheber der Taten ist, war am Mittwoch noch ungeklärt. Wenn Mapuche damit zu tun hätten, gingen sie in jedem Fall auf das Konto von wenigen Extremisten, versichern Katholiken in Temuco. Die Aggression richte sich auch nicht gegen die Kirche an sich; angezündete Gotteshäuser erlitten sozusagen die Kollateralschäden des Konflikts, bloß weil sie auf Grundstücken stehen, die als angestammtes Mapuche-Land gelten.
Gewiss war das Verhältnis zwischen Kirche und Indigenen im Zuge der spanischen Kolonisierung von Spannungen geprägt, sagt Arturo Hernandez Salles, ausgewiesener Mapuche-Experte an der Katholischen Universität Temuco und einer der Organisationsverantwortlichen der Papstreise. In den vergangenen Jahrzehnten zeigte sich die Kirche aber als Unterstützer der Minderheit. Hernandez verweist unter anderem auf ein umfangreiches Dokument seines Bistums, das sich mit Fragen der Indigenen zu Land, Wasserrechten, Sprache und kultureller Identität befasst.
Schuldbekenntis fehlt - Werben für Einheit
So erklärt sich, dass in der Messe des Papstes so etwas wie ein Schuldbekenntnis fehlt. Es reicht eine lyrische Andeutung, ein Zitat von Violeta Parra, einer Ikone der chilenischen Folk-Musik: "Arauco tiene una pena" - "Arauco hat einen Schmerz, den es nicht verschweigen kann; es sind Ungerechtigkeiten von Jahrhunderten, die alle geschehen sehen". Da applaudieren die Menschen - auch wenn es weitaus weniger sind als die 380.000, die ursprünglich auf dem Flugplatz von Maquehue erwartet wurden.
Bei denen, die gekommen sind, wirbt Franziskus eindringlich um Einheit. Dabei wendet er sich gegen "erzwungene Integration". Der Reichtum eines Landes, sagt Franziskus, "entsteht gerade daraus, dass jeder Teil sich entschließt, sein Wissen mit den anderen zu teilen". Einheit besteht für ihn weder in "erstickender Einförmigkeit" noch in berührungsloser Koexistenz, sondern in gegenseitiger Anerkennung und "versöhnter Verschiedenheit". Araukanien ist ein Testfall dieser kulturellen Ökumene.
Gewalt kann dafür keine Basis sein. "Gewalt verkehrt die gerechteste Sache zur Lüge", sagt der Papst. Es gibt aber auch eine andere Gewalt: eine Hinhaltetaktik, Versprechungen, die nicht gehalten werden, oder in der bildhaften Sprache des Papstes: "wenn man mit dem Ellenbogen ausradiert, was mit der Hand geschrieben wurde". Auch hier klatschen die Hörer.
Wunden auf allen Seiten
Wie hoch der Anteil der Mapuche unter den Messeteilnehmern ist, lässt sich schwer ausmachen. Schätzungen zufolge leben noch rund 600.000 von ihnen in der Region; wohl an die 400.000 siedelten in die Metropolregion Santiago über. Fern von der Heimat ihrer Ahnen und mit entsprechenden Schwierigkeiten, ihre an das Land und naturverbundene Riten geknüpfte Identität zu wahren.
In Araukanien wie in vielen Orten, an denen Konflikte von Generation zu Generation weitergereicht werden, verschränken sich die Rollen und Schicksale von Opfern und Tätern. Am Mittag traf der Papst mit acht Angehörigen der Mapuche zusammen, um während eines Essens ihre Geschichten zu hören. Am Tisch saßen aber auch ein Opfer indigener Gewalt im Landkonflikt und ein Abkömmling deutsch-schweizer Siedler. Franziskus weiß, dass es auf allen Seiten Wunden zu heilen gilt, wenn Versöhnung gelingen soll.