"Wie in anderen Bereichen der Seelsorge muss auch in der Justiz die Kultur des Zuhörens, die eine Voraussetzung für eine Kultur der Begegnung ist, gefördert werden. Standardantworten auf die konkreten Probleme einzelner Menschen sind schädlich", sagte Papst Franziskus am Donnerstag vor Mitarbeitern der Römischen Rota. Diese ist vor allem für Ehenichtigkeitsverfahren zuständig.
Wie im synodalen Prozess sei das Zuhören im juristischen Bereich mehr als das reine Hören. Es gehe darum, "die Sichtweise und die Gründe des anderen zu verstehen und sich fast damit zu identifizieren", so der Papst anlässlich der Eröffnung des Gerichtsjahres der Römischen Rota. Dies gelte auch unter den Richtern und den verschiedenen Parteien. Jeder Richter müsse für die Beweggründe der anderen Parteien offen sein, um zu einem ausgewogenen Urteil zu kommen.
"Vergeben und sich zu versöhnen"
Weiter rief der Papst Richter und Seelsorger dazu auf, in der Phase vor einem Gerichtsprozess gemeinsam nach der Wahrheit zu suchen. Wenn sich Gläubige in ihrer Ehe bereits in Schwierigkeiten befänden, aber eine Eheannullierung noch nicht angestoßen sei, sollte es vor allem darum gehen, zu vergeben und sich zu versöhnen. "Und auch eine ungültige Ehe für gültig zu erklären, wenn dies möglich und ratsam ist", so der 85-Jährige. Entscheidend sei, dass das Urteil am Ende für alle Beteiligten nachvollziehbar sei.
Die Römische Rota ist die Berufungsinstanz für Ehenichtigkeitsverfahren, die von den Bistümern überwiesen werden. Franziskus hatte diesen Prozess 2015 vereinfacht. Die kirchenamtliche Feststellung der Ungültigkeit einer Ehe ist Voraussetzung dafür, dass Partner trotz einer früheren Verbindung erneut katholisch heiraten dürfen.