Papstberater Grabois fordert Schutzschirm

Argentiniens Stimme der Armen

Der Arbeiterführer Juan Grabois wird im Heimatland des Papstes mehr und mehr zu einer politischen Führungsfigur. Auch zu Franziskus hat er einen direkten Draht. Seine bisweilen wütenden Reden sind in Argentinien nicht unumstritten.

Autor/in:
Tobias Käufer
Juan Grabois, Anwalt, Sozialaktivist und Papstberater / © Mariano Campetella (KNA)
Juan Grabois, Anwalt, Sozialaktivist und Papstberater / © Mariano Campetella ( KNA )

Früh am Morgen versammeln sich die Demonstranten an der so wichtigen Brücke "Puente Pueyrredon" in Buenos Aires. Sie wollen die Verkehrsachse blockieren, damit ihr Protest auch im Zentrum der Hauptstadt zu spüren ist. Gekommen ist auch der Mann in Lederjacke und Jeans, der so etwas wie die "Stimme der Armen" in Argentinien geworden ist. Juan Grabois, Sozialaktivist, Arbeiterführer, Streikorganisator - und auch ein Berater von Papst Franziskus.

Das Grundeinkommen

Es geht an diesem Tag um Grabois' Lieblingsprojekt: das Grundeinkommen, eine Art Mindestlohn, der das Überleben derer sichern soll, die besonders von Inflation und hohen Gaspreisen betroffen sind. Ein paar tausend Demonstranten sind gekommen. Gewerkschafter, Arbeiterinnen und Arbeiter, Nachbarn: "das richtige Argentinien", wie einer sagt, der neben Grabois steht.

Das richtige Argentinien sind nicht die Nobelviertel Recoleta oder Palermo, sondern die Villas, die Armenviertel, die Vororte, die Provinz. Hier verstehen sie Grabois' Frage: "Was kann man denn heute noch mit 1.000 Pesos bezahlen?", ruft er von der Ladefläche eines LKW in die Menge. An dem Tag, an dem er zu den Menschen spricht, ist ein "Dollar Blue" in den Wechselstuben auf 340 Pesos hochgeschnellt. Sofort wirkt sich das in den Läden aus. Ein Kilo Brot kostet inzwischen 400 Pesos. Für den Niedriglohnsektor sind das Preise, die das tägliche Überleben gefährden.

Schutzschirm für Menschen

Grabois will deshalb, dass der Staat für die Menschen eine Art Schutzschirm ausbreitet. "Wir müssen ein Mindesteinkommen für jene garantieren, die weder gewerkschaftlich noch durch Tarifverträge oder durch staatliche Vorschriften geschützt sind", sagt Grabois im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Ohne dieses Mindesteinkommen sei die Gesellschaft zutiefst ungerecht; mit einem Sektor von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ohne Schutz.

Seine bisweilen wütenden Reden sind in Argentinien nicht unumstritten. Grabois warnt vor bevorstehenden Plünderungen von Verzweifelten. Das bringt ihm den Vorwurf ein, indirekt zu Anarchie und Aufstand aufzurufen. Als wenig später tatsächlich versucht wird, einen Supermarkt in San Juan zu stürmen, gibt es Forderungen, Grabois dafür juristisch verantwortlich zu machen.

Unterstützer von Ex-Präsidentin Cristina Kirchner

Grabois gilt im schwer zu durchschauenden Polit-Dickicht Argentiniens als ein Unterstützer von Ex-Präsidentin Cristina Kirchner (2007-2015), die inzwischen als Vizepräsidentin neben Präsident Alberto Fernandez die Regierung führt. Zwischen Kirchner und Fernandez kommt es immer wieder zu offenen Machtkämpfen. Mit seiner Forderung nach dem Mindesteinkommen setzt Grabois Fernandez unter Druck.

Der reagierte vor wenigen Tagen mit einer neuerlichen Kabinettsumbildung. Sergio Massa, einer der Strippenzieher der argentinischen Politik, steigt zum Superminister auf. Er soll die Wirtschaft stabilisieren, versuchen, einen Dialog mit der mächtigen Agrar-Lobby zu organisieren. Die ist laut Grabois neben dem vom konservativen Ex-Präsidenten Mauricio Macri (2015-2019) ausgehandelten IWF-Milliardenkredit Schuld an der aktuellen Misere im Land. Das Land werde ausgeraubt von Spekulanten und dem Macri-Lager, meint Grabois.

 Wahl in Argentinien

2023 wird in Argentinien gewählt. Noch ist nicht absehbar, wie sich die Lage weiterentwickelt. Seit Massa im Amt ist, scheint das Land leicht stabilisiert. Doch Grabois verlangt vom Präsidenten mehr, "als nur die Märkte beruhigen zu wollen". Er verlangt ein klares Signal, dass die Regierung die Ärmsten der Armen nicht vergisst. Dafür lieben sie ihn in den Armenvierteln. So sehr, dass ihm noch eine große politische Karriere zugetraut wird.

Quelle:
KNA