Pastor: Schadenersatzklagen gegen VW legal - aber unmoralisch

Wer ist ohne Schuld?

An dem VW-Abgasskandal tragen Verbraucher eine Mitschuld, sagt Pastor Schladebusch. Er coacht Führungskräfte in Niedersachsen. Mobilität verlange entsprechende Motoren. Forderungen nach "rollenden Köpfen" findet er furchtbar.

Vortrag für VW-Aktionäre / © Ole Spata (dpa)
Vortrag für VW-Aktionäre / © Ole Spata ( dpa )

domradio.de: Martin Winterkorn hat die Konsequenz aus dem Skandal gezogen, er hat den Hut genommen, sagte aber er sei unschuldig gewesen. Wird man bei VW je die Schuldfrage je abschließend klären können?

Peer-Detlev Schladebusch (evangelischer Pastor für Führungskräfte in der Wirtschaft, Coach und Trainer): Die Schuldfrage ist natürlich immer schwer zu klären. Natürlich wird jetzt  mit Hochdruck geguckt, woran liegt es. Aber ich denke, wir sind auch als Verbraucher mit Schuld. Wir als Verbraucher wollen Mobilität haben und eine gewisse Mobilität, die auch entsprechende Motoren verlangt. Ich denke, ein Produzent produziert das, was Kunden wünschen. Wir brauchen uns selber nichts vorzumachen. Die Frage ist tatsächlich, wer ist ohne Schuld? Ich denke, die Verbraucher trifft letztlich auch eine Mitschuld.

domradio.de: 600.000 Mitarbeiter stehen vor einer ungewissen Zukunft. Keiner weiß, wie VW aus der Krise herausgeht. Was sagen Sie Führungskräften, die zwischen Konzernleitung und Fließbandarbeitern stehen. Wie ist jetzt der richtige Umgang mit ihren Mitarbeitern?

Schladebusch: Ich denke, es kommt darauf an, sich auf das zu konzentrieren, was man auch kann, wo die Potenziale sind und die sind wirklich vielfältig - gerade in diesem Unternehmen, das auch schon verschiedene Krisen durchlebt hat. Es ist ein Unternehmen mit ganz vielen Kulturen an vielen Standorten mit einer Vielfalt, mit einer Offenheit auch, mit einer besonderen Form der Mitbestimmung von Arbeitgebern und Arbeitsnehmern und guter Ausbildung und sozialem Engagement und man darf nicht vergessen mit einem großen Umweltbewusstsein, was sich auch in Produktionsprozessen ausdrückt und was dieser Tage oft vergessen wird.

domradio.de: Die VW-Aktie hat einen ganz schönen Sturz hinter sich. Die Aktionäre sind entsprechend sauer. Ihrer Ansicht nach zu Recht?

Schladebusch: Aktionäre sind natürlich immer, wenn sie sich dessen bewusst sind, darauf orientiert, dass in einer Aktie auch Chancen und Risiko stecken. Als Aktionär müsste man vielleicht nicht immer nur ökonomische Verantwortung übernehmen, sondern auch ökologische und soziale. Ich finde im Moment wäre es fast so was wie eine Selbstanklage, wenn ein Anteilseigner ein Unternehmen nun auf Schadenersatz verklagt, weil letztendlich die Folgen, die Arbeitnehmer tragen würden, die gute Arbeit gemacht haben. Ein Aktionär versucht sich da selbst aus der Affäre zu ziehen und letztlich auch aus der Verantwortung. Ich denke, da müsste man mal neu drüber nachdenken. Natürlich ist es legal eine Schadenersatzklage zu stellen, aber  es kann auch manchmal in der Konsequenz unmoralisch sein.

domradio.de: Welche christlich begründeten Werte können denn jetzt dazu beitragen, die Krise bei VW zu bewältigen und gestärkt daraus hervorzugehen?

Schladebusch: Ich denke, man kann mit Werten in Führung gehen. Ob man Christ ist oder eine andere Wertebasis hat. Offenheit, Ehrlichkeit spielt da natürlich eine ganz große Rolle, aber natürlich auch Fehlerkultur. Aus unseren christlichen Werten: Glaube, Hoffnung, Liebe können wir auch ganz viel voneinander lernen. Was ich gelernt habe beim "Netzwerk Christen in der Automobilindustrie", ist, dass zum Beispiel Mitarbeitende eines Unternehmens für Mitarbeitende eines anderen Unternehmens in der Krise gebetet haben. Ich habe es erlebt, dass Daimlerleute für Opelleute gebetet haben als es Opel ganz schlecht ging und ich weiß, dass es jetzt auch bei anderen Herstellern Gebetskreise gibt, die für die Mitarbeitenden bei VW beten. Es ist eine neue Verantwortungsdimension. Wer füreinander betet, geht auch fair miteinander um, weil eine andere Verantwortungsperspektive da ist. Nämlich nicht nur das "Ich" und das "Du", sondern eben auch noch Gott. Ich denke, diese Perspektive können wir mit reinbringen und das heißt eben Vergebung und auch nicht Vernichtung. Wir hören in diesen Tagen viel davon, es müssten Köpfe rollen. Das finde ich ganz furchtbar! Wir müssen neu lernen, auch eine Fehlerkultur zu haben, auch in der Kommunikation, wo jetzt ein Unternehmen wirklich schlecht geredet wird, sollten wir uns über die Konsequenzen dessen bewusst sein, was unser Reden bewirken kann.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR