Pater Anselm Grün warnt Kirche vor Moralisierung

Gottesdienste nicht an den Menschen vorbeifeiern

Pater Anselm Grün erreicht mit seinen spirituellen Büchern viele Menschen. Zugleich verliert die Kirche zahlreiche Mitglieder. Was müsste sie anders machen, damit sie die Gläubigen wieder besser anspricht? Anselm Grün hat einige Tipps.

Das Schreiben halte Pater Anselm Grün lebendig. / © Julia Martin/ Abtei Münsterschwarzach
Das Schreiben halte Pater Anselm Grün lebendig. / © Julia Martin/ Abtei Münsterschwarzach

DOMRADIO.DE: Pater Anselm, Sie sagen, Ihre Leidenschaft dafür, den Menschen die Botschaft Jesu so zu verkünden, dass sie im Herzen berührt werden, ist es, was Sie ganz besonders motiviert, vor allem beim Schreiben sowie in der Seelsorge. Die katholische Kirche schafft gerade das oft nicht mehr, Menschen zu berühren. Was würden Sie sagen, wieso gelingt es Ihnen? 

Benediktinerpater Anselm Grün / © Harald Oppitz (KNA)
Benediktinerpater Anselm Grün / © Harald Oppitz ( KNA )

Pater Anselm Grün OSB (Mönch der Benediktinerabtei Münsterschwarzach und Bestseller-Autor): Ich versuche nicht zu moralisieren und versuche, die Menschen zu verstehen. Ich habe eine einfache Sprache. Ich versuche keine Ratschläge zu geben, sondern die Menschheit mit der Weisheit ihrer Seele in Berührung zu bringen. 

Ich glaube, dass die Menschen spüren, dass ich die Leser mag, dass da kein Belehren ist, sondern ich versuche, mit den Lesern und Leserinnen in Beziehung zu stehen. Ich schreibe einfach das, was ich spüre, was ihnen helfen könnte.

DOMRADIO.DE: Das heißt, Sie kommen nicht mit dem erhobenen Zeigefinger. Zu Ihnen in die Abtei kommen viele Gäste. Sie selbst leiten das Recollectio-Haus, sind der geistliche Leiter, geben auch Kurse. Mit welchen Themen kommen die Menschen zu Ihnen?

Grün: Die kommen oft mit dem Thema, ausgebrannt zu sein, innerlich leer zu sein zu uns. Sie wollen wieder Zugang zum Glauben finden. Vieles ist ihnen fremd geworden, oder sie haben keinen Zugang mehr zur Kirche, haben aber doch eine spirituelle Sehnsucht. 

Anselm Grün

"Aber ich versuche, die Menschen zu bestätigen, zu bestärken, dem zu folgen, was ihre Seele selber sagt."

Natürlich kommen auch viele mit Beziehungsproblemen, in der Partnerschaft, in der Familie, mit den Kindern. Es gibt sehr viele, auch ganz alltägliche Probleme. Aber sie wollen, dass ihnen jemand zuhört, dass sie wahrgenommen werden. Ich kann da keine Ratschläge geben. Aber ich versuche, die Menschen zu bestätigen, zu bestärken, dem zu folgen, was ihre Seele selber sagt.

DOMRADIO.DE: Heißt das, die Kirche müsste ihre Angebote grundlegend ändern? 

Anselm Grün

"Aber die Sprache, die wir in den Gottesdiensten sprechen, die müsste zumindest verständlich sein."

Grün: Ich denke, sie muss sie nicht grundlegend ändern, die Gottesdienste sind nach wie vor ein gutes Angebot. Aber die Sprache, die wir in den Gottesdiensten sprechen, die müsste zumindest verständlich sein. Die darf nicht an den Menschen vorbeigehen, an ihrem Alltag vorbeigehen. 

Sie muss die Menschen berühren und die Menschen brauchen auch wieder Verständnis, warum feiern wir Eucharistie? Was haben die Rituale für eine Bedeutung? Sie haben eine heilende Bedeutung, aber vieles ist verloren gegangen.

DOMRADIO.DE: Sie haben selber auch eine große Leidenschaft für die Liturgie. Sie bringen die Liturgie auch den Menschen wieder näher, die sich davon schon etwas entfernt hatten. Das kann auch Früchte tragen. 

Anselm Grün

"Wenn man das spürt, dass es um meine Verwandlung geht, dann merken die Leute, es geht um mich und nicht um irgendwas Abstraktes."

Grün: Ja. Bei Führungsseminaren, die ich halte, gibt es immer auch eine Eucharistiefeier und ich mache einige Rituale. Carl Gustav Jung sagt, dass dies die Feier der Verwandlung sei. Er hat als Psychologe auch ein eigenes Buch dazu geschrieben, "Das Wandlungssymbol in der Messe". Wenn man das spürt, dass es um meine Verwandlung geht, dann merken die Leute, es geht um mich und nicht um irgendwas Abstraktes. 

Das Interview führte Verena Tröster. 

INFO: In dieser Woche gibt Pater Anselm Grün OSB montags bis samstags um 07:45 Uhr im Radioprogramm von DOMRADIO.DE Impulse zum Bibeltext des Tages. Pater Anselm ist Mönch der Benediktinerabtei Münsterschwarzach und seit Jahrzehnten Bestsellerautor von spirituellen Büchern

Anselm Grün OSB

Der Münsterschwarzacher Benediktinerpater gilt als der bekannteste Mönch Deutschlands und als einer der erfolgreichsten Autoren christlicher Literatur. Seine Werke bringen es nach eigenen Angaben auf rund 20 Millionen Auflage. Übersetzt wurden sie demnach in rund 30 Sprachen. Derzeit seien etwa 300 Titel lieferbar.

Wenn die eigenen Bücher gelesen würden und Säle bei Vorträgen voll seien, sei er dankbar; darüber dürfe man sich aber nicht definieren. "Das ist ein Geschenk, und es ist nicht mein Verdienst." 

Pater Anselm Grün / © Harald Oppitz (KNA)
Pater Anselm Grün / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR