domradio.de: Erstrahlt die Kapelle - die auch Ädikula genannt wird - jetzt wieder in neuem Glanz?
Pater Nikodemus Schnabel (Ostkirchenexperte und Prior-Administrator der Dormitio-Abtei in Jerusalem): Ja, der Raumeindruck ist wunderbar. Das war vorher schon eine Herausforderung: Der heiligste Ort der Christenheit, der Auferstehungsort Jesu. Das Stahlgerüst von 1947 hat das mit Ruß verdreckte Gebäude gehalten. Es hatte seinen eigenen Charme, aber es war nicht beeindruckend. Jetzt, wo das Gerüst weg ist, sieht man die Malereien und die Inschriften, und man sieht die Schönheit dieses kleinen Gebäudes, die das leere Grab umfasst. Der ganze Raum atmet anders.
domradio.de: Die Grabeskirche ist der gemeinsame Besitz verschiedener Konfessionen: der griechisch-orthodoxen, westlich-katholischen und armenisch-orthodoxe Christen, und zu geringem Teil auch der koptischen, syrischen und äthiopischen Orthodoxen. Kein Wunder, dass es da auch immer wieder mal Streit um Gestaltung und Nutzung gab. Bringt die abgeschlossene Restaurierung heute vielleicht die verschiedenen christlichen Konfessionen?
Schnabel: Die Auferstehungskirche hat ein übles Image, was sie nicht verdient hat. Jeder Reiseführer erzählt von den prügelnden Mönchen und wie schlimm das alles sei. Die Realität sieht anders aus: Der letzte kleinere Zwischenfall den es gab, war 2005. Seitdem ist zwischen den Konfessionen nichts passiert. Wenn die Griechen zu Hause sind, bringen sie den Franziskanern Geschenke mit. Dort herrscht ein gutes familiäres Miteinander. Das, was im Verborgenen schon seit Jahren Realität ist, ist jetzt für die ganze Welt sichtbar geworden. Immerhin haben sich die Franziskaner für die katholische Kirche, die Armenier und die Griechen gemeinsam geeinigt, als es um die Finanzierung und den gesamten Bau ging. Die Athener hatten zwar die Bauaufsicht, aber daran waren durchaus armenische und franziskanische Architekten beteiligt. Auch das war sehr ökumenisch. Die Feier heute war sehr schön, denn es wurde wunderbar gesungen. Die Griechen, die Franziskaner und die Armenier haben einen Chor aufgestellt. Diese Kirche, die das Image der Kakophonie hat, gerade wenn die Konfessionen kreuzen und jeder durcheinander singt, war heute eine schöne Sinfonie. Man hat den besten griechischen Gesang, aber auch den armenischen Gesang, in ihrer Schönheit gehört. Auch die Franziskaner haben gesungen. Es entstand das Gefühl der Einheit des Christentums. Dieses Jahr gibt es die Besonderheit, dass der östliche und der westliche Ostertermin zusammenfallen. Das heißt, dass wir in diesem Jahr noch dichter zusammen rücken. Der Ort von Ostern wurde jetzt ökumenisch und gemeinsam konserviert und restauriert, und auch zeitlich gehen wir gemeinsam auf dasselbe Datum zu. Diese Stimmung war sehr schön.
domradio.de: Die Renovierung war ja dringend nötig: Mehr als 70 Jahre lang war die Kapelle in einen Eisenkäfig gehüllt, der sie stützen sollte. Weil ein Erdbeben die Wände fast zum Einsturz gebracht hatte. Wieso hat es so lange gedauert, bis mit der Renovierung begonnen wurde?
Schnabel: Es gibt die drei großen und die drei kleinen Konfessionen. Es ist ein Bau, der von allen Seiten genutzt wird. Die Frage war, wer die Kosten trägt. Die Sorge war, dass derjenige, der die Kosten trägt, der Einzige ist, der auch die Rechte daran hat. Es war eine große Skepsis da. Ich als Jerusalemer habe erfahren, dass diese Skepsis nicht vor Ort herrscht. Man kennt sich, Jerusalem ist wie ein kleines Dorf. Die Weltkirche schaut auf uns. Rom, Moskau, Athen, Konstantinopel schauen, ob wir richtige Arbeit machen. Die Grabeskirche ist nicht irgendein Ort, sondern der Auferstehungsort Christi. Auch der Kreuzigungsort Golgota gehört dazu. Das ist ein hochsensibles Thema. An diesem heiligen Ort der Christenheit möchte jeder präsent sein.
In Deutschland haben wir 500 Jahre Reformation, bei der es auch um die Versöhnung geht. Dabei liegt die Trennung 500 Jahre zurück. Bei der Grabeskirche reicht die Trennung bis zu 1700 Jahre zurück. Diese Verletzungsgeschichte ist enorm. Vieles ist einander gegenseitig angetan worden. Da braucht es mehr Zeit, bis man Mut fasst, aufeinander zuzugehen. Das ist ein starkes Zeichen, was auch heute in den Reden vermehrt erwähnt wurde: Wir haben Vertrauen zueinander gewonnen, und wir haben uns gegenseitig getraut, dass wir das gemeinsam schaffen. Das war eine berührende Feier. Ich hoffe, dass damit das Korn gelegt wurde, aus dem hoffentlich noch viele Früchte hervorkommen. Jerusalem ist die Stadt mit dem Image, dass es nur Konflikte gibt, alles schlecht ist und es hier drunter und drüber geht. Hier geht ein kirchlich-ökumenisches Zeichen hervor. Wir Jerusalemer möchten der Welt und den anderen Christen sagen: Wenn wir das schaffen, schafft ihr eure kleinen ökumenischen Probleme in der Welt auch.
domradio.de: Die Restaurierung hat 3,4 Millionen Euro gekostet. Wie ist das finanziert worden?
Schnabel: Auch das war ökumenisch und politisch ausgewogen. Ein großer Geldgeber war der jordanische König. Das jordanische Königshaus versteht sich als Hüter der muslimischen und christlichen heiligen Stätten in Jerusalem. Außerdem gab es viele verschiedene Spender und Geldgeber. Sowohl von armenischer und griechischer, wie auch katholischer Seite. Die Spenden waren ausgewogen, sodass man sagen kann, dass jeder mitgeholfen hat. Von der Finanzierung bis hin zur Ausführung war es immer ökumenisch.
Das Gespräch führte Hilde Regeniter.