Pater Nikodemus zur Schließung der Grabeskirche in Jerusalem

"Ein starkes Signal"

Christliche Kirchenführer haben die Grabeskirche in Jerusalem auf unbefristete Zeit geschlossen. Hintergrund ist die staatliche Enteignung von Kirchengrundstücken. Pater Nikodemus Schnabel spricht im Interview über die Hintergründe.

Grabeskirche in Jerusalem / © Sebastian Scheiner (dpa)
Grabeskirche in Jerusalem / © Sebastian Scheiner ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was sagen Sie zur Schließung der Grabeskirche? Ist dieser Schritt ihrer Ansicht nach gerechtfertigt?

Pater Nikodemus Schnabel (Dormitio-Abtei in Jerusalem): Es ist in der Tat ein sehr drastischer Schritt. Auch die Wortwahl ist drastisch gewählt, aber ich interpretiere es als einen Hilfeschrei der Jerusalemer Lokalkirchen. Ich denke, es geht noch viel tiefer. Was ich in den letzten Monaten - und zugespitzt in den letzten Wochen - beobachten kann, ist die Frage nach der Vision für Jerusalem.

Die Frage ist: Träumt und wünscht man sich ein Jerusalem, das eine heilige Stadt für Juden, Christen und Muslime ist? Ich tue das. Und freut man sich daran, dass alle drei großen monotheistischen Weltreligionen eine lebendige Präsenz in der Stadt haben, dass sie sich für Pilgerinnen und Pilger aus der ganzen Welt und auch karitiativ-sozial im Gesundheitssektor sowie im Bildungsbereich engagieren? Das ist die Frage. Es verstärken sich die Anzeichen, dass es Kräfte gibt, die diese Vision nicht teilen.

DOMRADIO.DE: Die Situation für die christlichen Kirchen in Israel wird zunehmend ungemütlicher. Heißt das, dass der Druck Israels auf die christlichen Kirchen wächst - und wie äußert sich der?

Pater Nikodemus: Ich würde schon sagen, dass der Druck wächst. Es gibt natürlich verschiedene Stömungen. Wir haben bei den beiden Brandanschlägen 2014 auf die Dormitio-Abtei und 2015 auf Tabgha erlebt, dass es gerade in der Zivilgesellschaft eine enorme Solidarität gibt. Viele haben gesagt: 'Ein Jerusalem, ein Heiliges Land ohne euch, ist nicht mehr die Stadt, das Land, in dem ich leben möchte. Wir haben aber auch gespürt, dass es Strömungen gibt, die sich eine Reduzierung der christlichen Präsenz wünschen und die durchaus Anstoß daran nehmen, dass man Glocken hören kann; dass Jerusalem eben auch eine Stadt ist, die drei Religionen heilig ist.

Es gibt Gruppen in der Gesellschaft, die klar skandieren, dass Israel den Juden gehört und alle Nicht-Juden raus sollen. Da sind verschiedene Strömungen am Werk. Ich kann sehr gut verstehen, dass die christlichen Verantwortlichen - gerade die Kirchenführer - zu Recht sagen: 'Wir müssen ein Warnsignal setzen.' Es gibt den Eindruck - und dies hängt stark mit der US-Administration zusammen, die sich bewusst als christlich inszeniert - Israel sei das Paradies schlechthin; als Christ gebe es kein schöneres Land. Verglichen mit den Nachbarländern Irak und Syrien stimmt das natürlich. In Jerusalem wird Christen nicht die Kehle von islamistischen Terroristen durchgeschnitten. Allerdings kann man auch nicht von einem Paradies sprechen, weil immer wieder Aktionen große Zweifel daran wecken.

Ein Beispiel: 2014 erlebten wir den ersten vandalistischen Akt bei uns in der Dormitio, wo zwei Autos zerstört und mit Graffiti gesprüht wurde. Danach haben wir um zwei Überwachungskameras gebeten. Ganz Israel ist überwacht, nur der Bereich um die Dormitio nicht. Jetzt haben wir das Jahr 2018 und wir warten immer noch. Es gibt viele kleine derartige Mosaiksteine, die den Eindruck erwecken: Wenn es um Christen geht, herrscht eine Lethargie; ein Nicht-Wollen; es gibt bürokratische Hürden und dies verstärkt sich.

DOMRADIO.DE: Müssen die Christen ausbaden, was Donald Trump mit der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem ausgelöst hat?

Pater Nikodemus: Das nicht, es ist eher andersherum. Ich glaube, die Christen, die seit Jahrhunderten vor Ort präsent sind, wollen für sich sprechen – als eine Zwei-Prozent-Minderheit und eine der kleinsten Gemeinschaften im Land. Sie wollen selbst sagen, welche Herausforderungen damit verbunden sind, eine Minderheit zu sein und sich selbst mit diesen arrangieren. Sie wollen, dass eben nicht Leute wie Mike Pence oder Donald Trump für die Christen im Land sprechen. Darum geht es: Dass die Christen im Land wieder ihre Stimme zurückbekommen und für sich selbst sprechen.

DOMRADIO.DE: Wie geht es denn nun weiter? Wie lange bleibt die Grabeskirche, die ungezählte Pilger und Touristen in Jerusalem aufsuchen, geschlossen?

Pater Nikodemus: Ich kann da nur raten. Die großen Hochfeste stehen vor der Tür. Ich denke, wir reden hier von einer maximal einwöchigen Schließung. So oder so: Es ist ein starkes Signal, um zu zeigen, dass Diskriminierung in vielen Bereichen läuft; dass Selbstverständlichkeiten wie eine Steuergesetzgebung aus osmanischer Zeit, die nie umstritten waren, plötzlich in Frage gestellt werden. Auf einmal brechen Selbstverständlichkeiten ein. Ich kann die Nervosität sehr gut verstehen.

Das Gespräch führte Heike Sicconi.

 

Pater Nikodemus Schnabel / © Stefanie Järkel (dpa)
Pater Nikodemus Schnabel / © Stefanie Järkel ( dpa )
Quelle:
DR