Die Politiker des Landes seien nicht in der Lage, die wirtschaftlichen und politischen Probleme zu lösen, erklärte der Kardinal laut dem internationalen katholischen Hilfswerk "Kirche in Not" (Freitag).
Seiner Ansicht nach befinde sich der Libanon in einer politischen Sackgasse. Die Probleme lägen in der politischen Machtstruktur, in der sich die einzelnen Kräfte gegenseitig blockierten, so der 82-Jährige.
Libanon - "Ausnahme im Nahen Osten"
Der Kardinal setze seine Hoffnung auf die internationale Gemeinschaft. Dies liege auch in deren Eigeninteresse, da der Libanon eine "Ausnahme im Nahen Osten" darstellt.
Während in vielen Ländern der Weltregion autoritäre Regierungen ohne Gewaltenteilung herrschten und der Islam die dominierende Kraft sei, gebe es im Libanon "eine Aufteilung der Macht.
Es gibt keine Staatsreligion, keine muslimische Dominanz und die Verantwortlichen haben die Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet."
Kirche in Not unterstützt christliche Schulen
Das Hilfswerk hat seinen Angaben nach die Unterstützung angesichts der aktuellen Finanzkrise mit Teuerungsraten von mehr als 600 Prozent noch weiter verstärkt. Zuletzt brachte es ein Förderprogramm auf den Weg, damit 200 christliche Schulen wieder ihren Betrieb aufnehmen konnten.
Der Patriarch hob in diesem Zusammenhang hervor, wie wichtig diese Bildungseinrichtungen für die Gesellschaft seien. Dort würden Christen und Muslime gemeinsam unterrichtet, was die Toleranz fördere. Schulen, Universitäten und auch Krankenhäuser seien "Werkzeuge der Botschaft der Kirche".
Bisher keine Regierung im Libanon
Der Libanon befindet sich seit Jahren in einer politischen und wirtschaftlichen Krise. Die Parlamentswahlen im Mai haben den Einfluss der schiitischen Hisbollah geschwächt und progressivere Kräfte gestärkt. Dennoch konnte bisher keine Regierung gebildet werden. Am 31. Oktober läuft zudem die Amtszeit von Staatspräsident Michel Aoun ab.
Im Libanon herrscht ein strenger Proporz, um die verschiedenen religiösen Gruppen zu berücksichtigen: Der Staatspräsident muss maronitischer Christ sein, Ministerpräsident wird ein sunnitischer Muslim, Parlamentspräsident ein Schiit.
Die Parlamentssitze werden etwa je zur Hälfte von Christen und Muslimen besetzt. Auch alle anderen Ämter sind streng nach religiösen Gruppen und Konfessionen aufgeteilt.