Der katholische Patriarch von Venedig, Francesco Moraglia, sieht die am Sonntag anstehende Abstimmung über mehr Unabhängigkeit der italienischen Region Venetien positiv. Wenn das Referendum in aufrichtigem Geist der Gemeinschaft mit der Nation geführt werde und zum Ziel habe, die Besonderheiten und Notwendigkeiten der Region herauszustellen, könne dies zu gerechteren Bedingungen sowohl vor Ort als auch in ganz Italien führen, sagte Moraglia der italienischen Tageszeitung "La Stampa" am Samstag. Autonomie sei nicht mit einer Abspaltung gleichzusetzen: "Sie kann auch ein Impuls für stärkere Verantwortung zur Integration sein, die mehr auf die besonderen Charakteristiken im jeweiligen Kontext achtet."
Königsweg Dialog
Es gehe darum, herauszufinden, welche berechtigten Forderungen es gebe, betonte Moraglia. Mit Blick auf die Entwicklungen nach dem umstrittenen Referendum über die Unabhängigkeit der Region Katalonien sagte er, Autonomiebestrebungen seien eine der großen Herausforderungen in der heutigen Demokratie. Der Königsweg sei hier gemäß Papst Franziskus ein Dialog, in dem keiner arrogant auf "einem Teil der Wahrheit" beharre.
Am Sonntag stimmen die Bürger der zwei norditalienischen Regionen Lombardei und Venetien per Referendum über mehr regionale Kompetenzen ab. Es geht dabei unter anderem um größere internationale Verhandlungsspielräume etwa mit der Europäischen Union sowie um mehr Autonomie im Gesundheitswesen, im Bildungsbereich oder beim örtlichen Katastrophenschutz. Mehr als elf Millionen Bürger können ihre Stimme abgeben. In Venetien muss mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten am Referendum teilnehmen, damit das Ergebnis gültig wird. In der Lombardei gibt es diese Vorgabe nicht.