Pax Christi fordert Verhandlungen im Ukraine-Konflikt

"Ruf nach Verhandlungen muss raus aus der Schmuddelecke"

Deutschland liefert nach langer Diskussion Kampfpanzer an die Ukraine. Kann der Konflikt so beendet werden? Pax Christi sagt: Waffenlieferungen mögen ethisch gerechtfertigt sein, dürfen aber nicht als einzige Option im Raum stehen.

Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine / © vchal (shutterstock)
Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine / © vchal ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Deutschland hat sich nach monatelanger Diskussion in der vergangenen Woche dazu entschlossen, Leopard II-Kampfpanzer in die Ukraine zu schicken. Kann man als christliche, als pazifistische Organisation diese Waffenlieferungen an die Ukraine befürworten?

Christine Hoffmann (Generalsekretärin der katholischen Friedensbewegung Pax Christi): Pax Christi will dazu beitragen, die öffentliche Debatte aus der militärischen Engführung herauszuholen. Die ganzen Möglichkeiten ziviler, deeskalierender Handlungsoptionen müssen ernst genommen werden. Der Ruf nach Verhandlungen muss raus aus der Schmuddelecke.

In Pax Christi gibt es unterschiedliche Positionen zu den Waffenlieferungen, aber klar ist, dass der Fokus in den deutschen Talkshows auf der Frage liegt, welches Waffensystem als nächstes geliefert wird. Der verdeckt, dass auf dem Schlachtfeld das Recht des Stärkeren gilt. Im Krieg gewinnt der Skrupellose.

Pax Christi geht es darum, das Töten in der Ukraine zu beenden. Dafür muss verhandelt werden. Das gelingt nicht, militärisch zu beenden, sondern durch kluge Diplomatie.

Christine Hoffmann (Generalsekretärin der katholischen Friedensbewegung Pax Christi)

"Natürlich muss mit Putin verhandelt werden. Aber es gibt auch die Option in den Vereinten Nationen. Die Vereinten Nationen bieten die Möglichkeit, das internationale Recht und die internationale Ächtung des Krieges zu stärken."

DOMRADIO.DE: Das hieße ja aber in der Konsequenz man müsste sich einem Diktat-Frieden nach russischer Art beugen?

Hoffmann: Nein, darum geht es absolut und überhaupt nicht. Die Herausforderung ist aber, eine intelligente Lösung zu finden, um die Ukraine zu verteidigen. Und dabei geht es um das Territorium, in dem sich die Ukraine 1991 unabhängig erklärt hat. Es geht aber auch darum, zu sehen – und das wird viel zu wenig besprochen, dass in diesem Krieg täglich Hunderte ukrainische Soldaten und Hunderte russische Soldaten sterben und es wird überhaupt nicht gezählt, wie viele Zivilist:innen sterben. Es sterben wahrscheinlich Hunderte Zivilist:Innen. Wir müssen dieses Töten beenden.

Sitzung des UN-Sicherheitsrates / © Seth Wenig/AP (dpa)
Sitzung des UN-Sicherheitsrates / © Seth Wenig/AP ( dpa )

Da geht es gar nicht nur um Verhandeln mit Putin, was so viele für aussichtslos halten. Natürlich muss mit Putin verhandelt werden. Aber es gibt auch die Option in den Vereinten Nationen. Die Vereinten Nationen bieten die Möglichkeit, das internationale Recht und die internationale Ächtung des Krieges zu stärken. Dafür müssen die internationalen Möglichkeiten vom Internationalen Gerichtshof gestärkt werden, Aggression anzuklagen und das Verbot des Aggressionskrieges wirksam durchzusetzen.

Es gibt den Internationalen Gerichtshof, aber der ist in der Beziehung ein zahnloser Tiger. Da haben ganz viele Länder aus dem globalen Süden, als da verhandelt worden ist, viel mehr gewollt. Da muss sich der Westen ehrlich machen. Der Westen hat verhindert, dass jeder Aggressionskrieg unterschiedslos angeklagt werden kann, weil die USA und Großbritannien beispielsweise nicht vor Gericht stehen wollen und angeklagt werden wollen für den unrechtmäßigen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak. Da muss sich der Westen ehrlich machen. Es hat doch diese große Zustimmung bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen gegeben, dass die Russen ihre Truppen aus der Ukraine abziehen sollen.

Ganz viele Länder haben sich enthalten. Die haben nicht dagegen gestimmt, dass das ein Aggressionskrieg ist. Sie haben sich enthalten. Diese Länder können wir gewinnen. Sich nicht von Russland abzuwenden, aber Putin zu sagen: Hör diesen Krieg auf. Es geht nämlich nicht darum, Russland zu ächten. Es geht darum, den Krieg zu ächten. Wenn wir diesen Ländern klarmachen, dass der Westen bereit ist, unterschiedslos jeden Aggressionskrieg anzuklagen, zu verfolgen und Kriegsverbrecher zu bestrafen. Das ist eine Möglichkeit, dass wir die alle gewinnen und dass viele mehr noch auf der Welt wirklich Putin sagen: Zieh deine Truppen zurück. Dafür müssen wir aber wirklich verhandeln, und da können wir mit denen verhandeln und denen wirklich was anbieten.

Christine Hoffmann (Generalsekretärin der katholischen Friedensbewegung Pax Christi)

"Eine Stärkung der Diplomatie ist eigentlich eine Stärke von Deutschland gewesen. Die Zeitenwende darf nicht bedeuten, einfach jetzt plötzlich auf Krieg zu setzen und sich dafür zu rüsten"

DOMRADIO.DE: Dennoch sieht man ja immer wieder, dass in den internationalen Gremien, sei es im UN-Sicherheitsrat, wichtige Entscheidungen blockiert werden aufgrund der Veto-Stimmen durch Russland oder China. Lassen Sie uns aber doch noch mal zurückblicken auf die Waffenlieferungen aus Deutschland. Bundeskanzler Olaf Scholz wurde immer wieder vorgeworfen, er zögere dabei. Wie bewerten Sie die bisherige Haltung der Bundesregierung in Hinsicht auf die Waffenlieferungen an die Ukraine?

Hoffmann: Es gibt unterschiedliche Positionen in Pax Christi, und wir ringen darum, ob das die beste Lösung ist – und womöglich ist es ethisch geboten, Waffen zu liefern oder nicht. Wir sind uns aber völlig einig darin, dass das 100-Milliarden-Programm (für die Bundeswehr, d.Red.) der falsche Weg ist. Alleine 100 Milliarden Sondervermögen ist Augenwischerei, weil es um Schulden geht, die wir als Steuerzahlerinnen zu tragen haben. Aber es geht eben auch nicht darum, Deutschland besser für den Krieg zu rüsten, sondern den Krieg zu ächten.

Da macht die Bundesregierung mir zu wenig deutlich, dass es beide Richtungen geben muss. Eine Stärkung der Diplomatie ist eigentlich eine Stärke von Deutschland gewesen. Die Zeitenwende darf nicht bedeuten, einfach jetzt plötzlich auf Krieg zu setzen und sich dafür zu rüsten und zu vergessen, dass es eigentlich darum geht, Krieg zu verhindern und Präventionsmöglichkeiten auszubauen.

Wir sind gescheitert, diesen russischen Krieg zu verhindern, aber jetzt müssen wir daraus lernen, wie weitere Kriege verhindert und dieser Krieg beendet werden kann. Das wird nicht durch diese Aufrüstung und durch diese Waffenlieferungen alleine funktionieren.

DOMRADIO.DE: Würden Sie sagen, dass die vor einiger Zeit veröffentlichte gemeinsame Erklärung der deutschen Kommission Justitia et Pax, wo auch Pax Christi Mitglied ist, wo noch von klugen Waffenlieferungen an die Ukraine die Rede war, heute überholt ist?

Hoffmann: Nein, das ist nicht überholt, aber das ist nicht das Einzige. Auf diesen Satz wird diese Erklärung gerne reduziert. Wir sagen, womöglich ist es sogar ethisch geboten, kluge Waffenlieferungen zu machen – womöglich. Wir sprechen aber auch ganz viel darüber, dass die Gewöhnung an die Gewalt nicht sein darf, dass eben diese andere Option, dass andere Möglichkeiten, diesen Krieg zu beenden im Blick behalten werden müssen.

Die Ukraine soll doch verteidigt werden. Die Ukraine verteidigt sich. Wir wollen sie darin unterstützen, ihre Demokratie zu erhalten. Wir wollen sie darin unterstützen, die Korruption in ihrem Land zu bekämpfen. Wir wollen, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer leben können, und darauf müssen wir achten. Und dafür können wir nicht hinnehmen, dass jetzt ein Abnutzungskrieg läuft, der von den Militärs mit dem Ersten Weltkrieg verglichen wird.

Auf dem Schlachtfeld setzt sich der Skrupellosere durch. Und wer das ist, ist ja wohl völlig klar. Wir wollen nicht skrupellos werden. Wir wollen jemanden bekämpfen, der Kriegsrecht und Menschenrecht und Völkerrecht mit Füßen tritt. Dafür müssen wir für ein Ende des Tötens eintreten. Und das sagt auch diese Erklärung.

Christine Hoffmann (Generalsekretärin der katholischen Friedensbewegung Pax Christi)

"Wie kann der Krieg beendet werden? Nicht alleine militärisch und durch Waffenlieferungen."

DOMRADIO.DE: Frau Hoffmann, anlässlich des Jahrestages des Kriegsbeginns in der Ukraine ruft Pax Christi gemeinsam mit anderen Organisationen zu Aktionstagen auf. Worum wird es dabei gehen?

Hoffmann: Unser Aufruf hat die Überschrift "Stoppt das Töten in der Ukraine" und ruft zu Verhandlungen auf. Wir möchten wirklich dazu beitragen. Der 24. Februar steht bald bevor und dann ist die Erinnerung. Wahrscheinlich ist dieser Krieg dann ein Jahr am Laufen. Das möchten wir zur Gelegenheit nehmen, Aktionen zu machen und in verschiedenen Städten zu Diskussionsrunden einzuladen.

Wie kann der Krieg beendet werden? Nicht alleine militärisch und durch Waffenlieferungen. Das ist eine Sackgasse. Wir müssen andere Optionen finden und dazu werden wir Aktionen anbieten.

Das Interview führte Moritz Dege.

Pax Christi

pax christi ist eine ökumenische Friedensbewegung in der katholischen Kirche. Sie verbindet Gebet und Aktion und arbeitet in der Tradition der Friedenslehre des II. Vatikanischen Konzils. 

Der pax christi Deutsche Sektion e.V. ist Mitglied des weltweiten Friedensnetzes Pax Christi International.

Entstanden ist die pax christi-Bewegung am Ende des II. Weltkrieges, als französische Christinnen und Christen ihren deutschen Schwestern und Brüdern zur Versöhnung die Hand reichten. (pax christi)

Friedenstauben (dpa)
Friedenstauben / ( dpa )
Quelle:
DR