Big Data - also riesige, computergestützt ausgewertete Datenmengen - könnten etwa dabei helfen, individualisierte Behandlungsschemata bei Tumorerkrankungen zu entwerfen. Zugleich bestehe aber die Gefahr von Datenmissbrauch oder der Abnahme der persönlichen Zuwendung des Arztes, so Schockenhoff in Augsburg, der von 2008 bis 2016 Mitglied des Deutschen Ethikrates war.
Die technische Entwicklung bringe eine Neuausrichtung des Krankheitsbegriffs, erklärte Schockenhoff. Es werde ein künstlicher Zwischenstatus zwischen gesund und krank eingeführt: potenziell krank. Dies sei dann der Fall, wenn über Big Data errechnet worden sei, dass jemand ein erhöhtes Risiko für eine bestimmte Erkrankung habe.
Medizinische Daten als soziale Ressource?
"Das kann nützen, aber auch die Gegenwart belasten. Das ist eine Verunsicherung, die Spontanität und Vertrauen nimmt." Diese Sorge erstrecke sich auch auf das persönliche Umfeld, zumal auf Verwandte, die ebenfalls von dem Krankheitsrisiko betroffen sein könnten.
Schockenhoff fragte, ob medizinische Daten nur einem selbst gehörten oder ob sie im Interesse der Allgemeinheit stünden. Schließlich dienten sie dem Fortschritt, von dem man selbst auch profitieren wolle. Insofern könne man die Daten als soziale Ressource verstehen und eine grundsätzliche Offenheit verlangen, sie zur Verfügung zu stellen. Dabei müsse jedoch gewährleistet sein, dass die Daten nicht ohne Zustimmung zu einem anderen Erkenntnisziel umgewidmet werden dürften; Schlagwort sei "Datensouveränität".