DOMRADIO.DE: Die Jugend zeigt jetzt wortwörtlich Flagge. Warum gehen Sie mit beim CSD in Köln?
Pascal Schockert (Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg, DPSG, im Diözesanverband Köln): Zuallererst ist es uns wichtig, als Jugendverband gemeinsam mit der Outinchurch-Initiative ein Zeichen gegen Diskriminierung zu setzen. Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt sollten in unserer Gesellschaft, in unseren Verbänden und besonders in der Kirche ihren Platz haben..
Wichtig ist auch einfach für uns, die Vielfalt, die es gibt in unseren Verbänden und in der Kirche sichtbar zu machen. "OutInChurch" hat gezeigt, wie viele Menschen in der Kirche aktiv sind, die selber queer sind. Gleichzeitig ist es natürlich für uns auch eine super Gelegenheit zur Vernetzung.
Viele queere Menschen in der Kirche, die in verschiedenen Städten aktiv sind, kommen zusammen, können sich über ihre Erfahrungen austauschen. Gerade weil man in einigen Gemeinden, an einigen Stellen, immer noch marginalisiert, an den Rand gedrückt wird, ausgegrenzt wird, kann man sich durch so eine Erfahrung austauschen, auch ermächtigen, dass man den Mut bekommt, weiter dazu zu stehen und weiter zu kämpfen.
DOMRADIO.DE: Werden Sie denn ersichtlich sein als christliche Jugend? Wie treten Sie auf?
Schockert: Zuerst wird auffallen, dass wir auch einen großen Wagen dabei haben. Ein 40-Tonner-Auflieger, womit wir, glaube ich, etwas Besonderes sind, weil das meistens nur die großen Unternehmen haben. Da sind Banner drauf, Transparente, da wird dick und groß drauf stehen: "queer und katholisch".
Wir haben auch alle einheitliche T-Shirts in Grün, was auch drauf steht. Es ist eine Demonstration. Wir werden Plakate dabeihaben mit Forderungen, auch explizit an die Kirche, innerhalb der Kirche oder die Aussage "wir sind hier, wir sind auch Teil von Kirche, wollen das auch selbstverständlich sein".
DOMRADIO.DE: Ist das denn in Ihren Augen "nur die christliche Jugend", die dieses Zeichen setzen will? Oder sehen Sie echten Aufbruch in Zusammenhang mit queeren, homosexuellen, Transgender-Menschen, auch bei anderen Verbänden oder insgesamt in der katholischen Kirche? Wie nehmen Sie das gerade wahr?
Schockert: Durchaus gemischt. Bei uns in den Verbänden gibt es eine breite Unterstützung, die das mitträgt. In anderen Teilen der Kirche erlebe ich auch einen Anfang, dass das Verständnis in vielen Gemeinden da ist, da man viel weiter ist.
Problematischer ist es meistens, wenn man nach oben schaut auf Amtsträger, die da noch nicht immer das Verständnis entgegenbringen, die aktiv dagegen vorgehen. Aber auch da zeichnen sich die ersten Aufbrüche an. Es ist ein langsamer Prozess, den wir mit unseren Protestenvoranbringen wollen.
DOMRADIO.DE: Die aktuellen Meldungen dürften Sie freuen. Im Vatikan tut sich ja tatsächlich was. Der argentinische Erzbischof Victor Fernandez ist ab September der neue oberste Glaubenshüter im Vatikan. Und er sagt zumindest: Es ist okay, homosexuelle Paare zu segnen. Oder jetzt auch am Rande des CSD gibt es einen Gottesdienst, besonders für Menschen aller Geschlechtsidentitäten. Reicht das, oder was muss passieren?
Schockert: Das ist natürlich ein erster Schritt, dass hier mehr Anerkennung da ist. Es wird gezeigt, Ihr könnt auch den Segen als Paare empfangen oder ihr bekommt auch Gottesdienste, wie es auch für Pilgerschaften zum Beispiel Gottesdienste gibt. Aber es ist eben nur ein Anfang.
Am Ende ist es wichtig, dass eigentlich in allen Gruppen, in den Gemeinden, in den Verbänden queere Menschen wie selbstverständlich Teil sein können und nicht als etwas Besonderes wahrgenommen werden, was irgendwie auch mit dazugehört. Wir sind selbstverständlich Teil auch der Gemeinden, der Kirche.
DOMRADIO.DE: Was sagen Sie denen, die sich trotzdem nach wie vor kritisch äußern und die vielleicht sogar sagen: Das steht in der Bibel aber irgendwie anders, oder das geht theologisch nicht. Haben Sie da Argumente?
Schockert: Was ich als erstes sage, ist einfach die Botschaft von Jesu, dass wir andere Menschen so akzeptieren, wie sie sind und ihr Leben ermöglichen und sich entfalten können. Was für mich die eigentliche christliche Nächstenliebe ist.
Die Stellen in der Bibel, auf die sich diese Kritiker und Kritikerinnen berufen, muss man im historischen Kontext einordnen. Die wurden vor 2000 und 3000 Jahren geschrieben.
Das Interview führte Verena Tröster.