Pfarrer bietet Lösungsansätze für die Kirchenkrise

"Wir sind die Kirche"

Die Kirche hat gerade nicht das beste Image. Pfarrer Maik-Peter Schirpenbach macht in seinem Buch "Retten wir die Kirche" aber Mut, selbstbewusst den Glauben zu leben. Er sieht Kirchenkrise und gesellschaftliche Krise eng verknüpft.

Symbolbild christlicher Glaube / © Ben Photo (shutterstock)
Symbolbild christlicher Glaube / © Ben Photo ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Das sind schwierige Zeiten für die Kirche. Aber im Titel Ihres Buches steckt ja ein Aufruf, der Mut machen kann: "Retten wir die Kirche". Können wir die Kirche retten? 

Pfr. Dr. Meik Peter Schirpenbach / © G. Bildhauer
Pfr. Dr. Meik Peter Schirpenbach / © G. Bildhauer

Pfarrer Dr. Maik-Peter Schirpenbach (Autor und leitender Pfarrer in Grevenbroich und Rommerskirchen): Ja. Ich denke, wir können sie auf jeden Fall retten, wenn wir uns klar machen, was und wer die Kirche ist. Dass Kirche eben nicht das ist, auf was sie oft reduziert wird, ihr rein institutioneller Teil, sondern jede und jeder von uns, der getauft ist, der in einer Gemeinde engagiert ist, zählt dazu.

Wir sind die Kirche. Gerade dieses Selbstbewusstsein brauchen wir. 

DOMRADIO.DE: Warum ist es so wichtig, dass die Kirche überhaupt gerettet wird? 

Schirpenbach: Wir sind in einer Zeit totaler Krisen, gesellschaftlich, eigentlich in jeder Hinsicht. Ob das die Klimakrise ist, die für mich an erster Stelle steht, oder vieles andere. Ich brauche es nicht aufzählen. Wir brauchen vor allem innere Kraft, um damit umgehen zu können.

Das ist eigentlich das, was unser christlicher Glaube, unser christlicher Weg uns erschließen will. Es wäre fatal, wenn jetzt, genau in dieser Zeit, diese innere Kraft und auch diese zusammenhaltende Kraft - katholisch heißt für mich allumfassend, also für alle Menschen offen - gerade jetzt verloren ginge. Das wäre fatal. 

Pfarrer Dr. Maik-Peter Schirpenbach (Autor und leitender Pfarrer in Grevenbroich und Rommerskirchen)

"Wir sind die Kirche. Und gerade dieses Selbstbewusstsein brauchen wir."

DOMRADIO.DE: Das sagen Sie als katholischer Pfarrer. Aber wenn jemand der Kirche fern steht, der zuckt dann nur die Achseln, wenn er das hört. 

Schirpenbach: Das kann gut sein. Aber ich bin selber mit vielen, die aus der Kirche ausgetreten sind, in Kontakt. Mich bewegt deren Heimatlosigkeit. Denn irgendwie kommt für die nichts Neues. Wenn etwas anderes käme, könnte ich noch sagen: "Okay, dann kann ich das noch verantworten".

Aber ein großer Teil der Menschen bleibt heimatlos. Und die gehen ja nicht, weil sie keinen Glauben mehr haben, sondern weil sie ein Problem mit Teilen in der Kirchenleitung haben und das nicht mehr aushalten. 

Informationen zum Buch

Meik Schirpenbach

Retten wir die Kirche. Zwischen Resignation, Skandalen, Sehnsucht und Begeisterung. Ein Landpfarrer schlägt Alarm.

Bonifatius Verlag

Gebunden, 240 Seiten, 13,5 x 21,5 cm

ISBN 978-3-89710-941-4

Erschienen am 13.07.2022

Eine Frau liest in einem Buch / © j.chizhe (shutterstock)
Eine Frau liest in einem Buch / © j.chizhe ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Und da gibt es dann einen Zusammenhang zwischen der kirchlichen Krise und der gesellschaftlichen Krise?

Schirpenbach: Davon bin ich zutiefst überzeugt. Das ist für mich einer der Kernpunkte im Buch. Denn es ist immer wieder die Angst, die uns letztlich unsere eigene Hoffnung aufgeben lässt. In der Kirche ist es die Angst, in der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals, wirklich für institutionelle Fehler um den Kult, den man um den Klerus und vor allem den zölibatären Klerus gemacht hat, Verantwortung zu übernehmen. Das ging ja schon teilweise Richtung Götzendienst.

In unserer Gesellschaft ist es beispielsweise die Angst vor Veränderungen, die wir mit Blick auf die Klimakrise auf uns nehmen müssen, die einfach auch globale Gerechtigkeit von uns fordern wird.

Es ist immer wieder die Angst, die uns letztlich unseren Blick nach vorne aufgeben lässt. Wir leben in der Gegenwart und verdrängen das, was vor uns liegt. Es ist uns irgendwie egal. Die Angst blockiert uns. 

DOMRADIO.DE: Was kann denn die Kirche selber tun, um sich zu retten? 

Schirpenbach: Das allererste ist aus meiner Sicht, das Selbstbewusstsein der Menschen, die sich als Christinnen und Christen verstehen, zu festigen. Kirche heißt ja wörtlich im Griechischen Ecclesia - die, die herausgerufen sind. Dass ich mich selber als jemanden erkenne, die oder der gerufen ist, der tatsächlich von Gott persönlich irgendwie berührt ist, und dann aus dem Selbstbewusstsein heraus sagt: Deshalb bin ich Christin und Christ und lebe das.

Das hängt nicht davon ab, wer gerade in einer bestimmten Position in der Kirche steht.

Pfarrer Dr. Meik-Peter Schirpenbach (Autor und leitender Pfarrer in Grevenbroich und Rommerskirchen)

"Ein großer Teil der Menschen bleibt heimatlos."

Ich finde es wichtig, das nicht denen zu überlassen, die offiziell als Kirche wahrgenommen werden. Auch, um diesen Leuten zu helfen. Denn es ist ansonsten eine völlige Überforderung, was auf Bischöfe und andere da projiziert wird. 

DOMRADIO.DE: Ihr Buch ist im Juli erschienen. Hat sich seitdem durch Ihr Buch schon etwas Positives verändert? Haben Sie irgendetwas mitbekommen? 

Schirpenbach: Was mich sehr bewegt, ist die Reaktion von vielen Leuten, die das lesen. Hier bei uns in Grevenbroich und Rommerskirchen, in Gemeinden, wo ich früher war, in Bonn, in meiner Heimat Leverkusen, in Brühl, auch aus ganz anderen Ecken Deutschlands.

Die Menschen sagen: "Da habe ich was für mich gefunden". Nämlich genau das, was mir dieses Selbstbewusstsein gibt. Etwas, was mich aufbaut. Ein Buch, das Tiefe hat, das mir Quellen erschließt und zugleich aber auch ganz nüchtern die Problematiken unserer Zeit und gerade die kirchlichen analysiert.

Aussagen wie: Mich bewegt das, das berührt mich, aber es gibt mir auch Kraft, Lebendigkeit und wieder eine neue Leichtigkeit. Das ist schön. Das hat die Mühe gelohnt, glaube ich, dieses Buch zu schreiben. 

Das Interview führte Tobias Fricke.

Quelle:
DR