DOMRADIO.DE: Laut Landkarte ist Ihre Kirche gerade mal acht Kilometer Luftlinie von Schloss Elmau entfernt. Um den Tagungsort wurde eine 16 Kilometer lange und teils meterhohe Absperrung gebaut. Merken Sie in der Stadt, dass es nun losgeht?
Pfarrer Josef Konitzer (Pfarrer der Gemeinde St. Martin in Garmisch-Partenkirchen): In Wirklichkeit merken wir schon seit längerer Zeit, dass bei uns einiges bevorsteht. Im Verhältnis zu den letzten sieben Jahren ist für viele die Präsenz der Polizei deutlich höher. Manches ist in der Marktgemeinde richtig eingezäunt und dahinter stehen bewaffnete Polizisten.
Man gewöhnt sich im Laufe der Zeit aber auch an dieses Bild. Man weiß, dass es nicht so lange dauert.
DOMRADIO.DE: Die Auswirkungen auf den Alltag der Bürger sollten so gering wie möglich gehalten werden, hieß es von Regierungsvertretern. Aber auch Kinder werden zum Lernen nach Hause geschickt. Was bekommen Sie von den Eltern zurückgemeldet?
Konitzer: Manche Eltern finden es inzwischen gar nicht so belastend, dass es Homeoffice und Homeschooling gibt. Inzwischen hat man sich daran gewöhnt und mittlerweile funktionieren auch die Telefonleitungen beziehungsweise Internetleitungen relativ gut.
Manche wollen auch zu ihren Verwandten ins nähere Umfeld fahren. Wieder andere sagten mir in einem Gespräch, dass man Homeschooling zum Glück inzwischen fast überall auf der Welt betreiben kann.
DOMRADIO.DE: Findet denn ihr Gemeindeleben komplett ohne Einschränkungen statt?
Konitzer: Unser Gemeindeleben findet absolut uneingeschränkt weiter statt. Wir haben zum Beispiel am Sonntag das Pfarrfest in St. Johannes der Täufer in Grainau direkt unterhalb der Zugspitze. Wir haben da überhaupt keine Probleme, keine Schwierigkeiten. Auch das Johannesfeuer überall auf den Bergen konnte uneingeschränkt stattfinden. Als das Feuer brannte konnte man ein paar Hubschrauber sehen, die mal drum herum geflogen sind. Das geschah aber aus Sicherheitsgründen.
DOMRADIO.DE: Beim G7-Gipfel soll auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vorsprechen. Er hat die Einladung angenommen. Gibt es eigentlich eine diffuse Angst vor möglichen Anschlägen oder Auswirkungen von Demonstranten?
Konitzer: Unsere Bevölkerung hier in Garmisch und im Werdenfelser Land ist schon immer weltoffen gewesen, etwa im Zusammenhang mit Olympischen Spielen. Man war in dieser Region mehr oder weniger darauf angewiesen, dass Leute als Gäste, als Touristen, als sportlich begabte Menschen von überall herkommen. So ist Garmisch auch in der Welt als ein Ort bekannt, den man gerne besucht, in dem man sich erholen kann und eine Natur anschauen kann, die auch ihresgleichen sucht.
Hier leben friedliche Menschen, die auf dem Boden der Tatsachen geblieben sind, die nicht abgehoben sind. Es bietet sich auch Platz für solche, die andere Ideen haben. Das möchte man nicht irgendwie verlieren oder sich zerstören lassen.
Das hat man bei der letzten G7-Konferenz auch so miterlebt. Das habe ich auch das erste Mal so erlebt. Wir standen doch etwas mehr unter Spannung, weil die Kirche neu war, und mit den Demonstranten hat man in vielen anderen Städten leider nicht so gute Erfahrungen gemacht. Wenn man so etwas mit vielen Tausenden von Menschen in so einem kleinen Ort wie in einem Kessel veranstaltet, dann fürchten die Leute beispielsweise, dass ihre Geschäfte kaputt gehen könnten. Die wurden dann verbarrikadiert.
DOMRADIO.DE: Sie haben sogar eine eigene Wache für ihre Kirche eingerichtet, oder?
Konitzer: Ja, das stimmt. Aber es war gar nicht notwendig. Ich denke, das wird schon alles zivilisiert stattfinden. Schließlich sind wir ja alle für die Meinungsfreiheit, und die sollte jedem Menschen möglich gemacht werden. Aber Gewalt und Zerstörung passieren leider auch immer mal wieder. Davor haben die Menschen schon Bedenken.
DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich als Ergebnis vom G7-Gipfel?
Konitzer: Ich bin ein Mensch, der prinzipiell gegen jeden Krieg ist. Ich glaube nicht, dass man die Welt verbessern kann, wenn man irgendwo dafür jemanden tötet. Das hat sich meines Erachtens in der Geschichte auch nie bestätigt.
Ich finde nur eines schade. Man kennt das vom Schulhof, wo die Jungs ihre Kräfte testen und aufeinander losgehen. Die reden gar nicht viel, aber sie lassen die Fäuste sprechen. Ich habe manchmal das Gefühl, dass unsere politische Ebene nicht unbedingt Worte benutzt, die ein Reden miteinander möglich macht, sondern manchmal von oben herab kommuniziert. Dann wundert es mich auch nicht, dass früher oder später aus freundschaftlichen Beziehungen Feindschaftliche werden. Das ist etwas, was ich wahnsinnig bedauere. Ich würde mir wünschen, dass wieder ein Signal auch in Richtung Russland ausgesendet wird.
Wir haben hier in Garmisch früher sehr viele Russen gehabt. Die haben hier teilweise eingekauft und dem Ort Geld gebracht. Es kamen Leute aus arabischen Ländern und von überall her. Die Embargos haben dann gezeigt, dass sich die Wirtschaft schnell umstellt. Aber der Mensch?
Ich hatte ein Gespräch mit einem jungen Mann, dessen Mutter Wolga-Deutsche und dessen Vater Russe ist. Er wurde in Deutschland geboren und hat hier studiert. Seine berufliche Karriere will er auch irgendwo in Bayern weiter fortsetzen. Wenn Sie mal sehen, was das für Menschen sind, dann sind das Geschenke für unsere Welt. Deshalb finde ich es schade, dass solchen Leuten durch den Krieg die Chancen genommen werden.
DOMRADIO.DE: Plädieren Sie denn dafür, mehr weibliche Regierungschefinnen in der Welt zu installieren. Wäre das eine Idee?
Konitzer: Wenn man in unsere Welt hineinschaut, glaube ich nicht, dass Frauen viel Besseres bewegen können. Für mich zählen das Können, das Wissen und die Fähigkeit, Menschen zu verbinden. Nur weil jemand ein Mann oder eine Frau oder eine Autorität ist, ist das an sich noch keine Garantie dafür gewesen, dass etwas stimmt.
Wir müssen schon den Menschen, die eine bestimmte Qualifikationen und ein gewisses Können haben, die Möglichkeit geben, Menschen miteinander zu verbinden. Unsere Welt-Familie ist groß geworden und sie ist durch die Medien auch so vernetzt, dass in Bruchteilen von Sekunden jeder von jedem etwas erfahren kann.
Ich bin der Meinung, dass hier eine wohlwollende Gemeinschaft von Regierenden zusammenkommen soll, die demokratisch begründet ist. Es ist wichtig, dass sie reden. Es ist wichtig, dass sie miteinander Probleme wirklich besprechen.
Das Interview führte Tobias Fricke.