Katholische Nachrichten-Agentur (KNA): Herr Severin, wie nehmen Sie aktuell die Lage in Brüssel wahr?
Pfarrer Wolfgang Severin: Es herrscht eine große Aufregung. Ständig sind Polizeisirenen zuhören, niemand ist mehr in der Stadt unterwegs. Alle größeren Veranstaltungen sind abgesagt. Die große Sorge ist natürlich auch, was in den kommenden Tagen passiert. Die Angst vor dem Terror hat ja bereits Ende vergangenen Jahres schon einmal das öffentliche Leben so gut wie lahmgelegt.
KNA: Können Sie bereits etwas zur Stimmung unter den Mitgliedern der deutschen Gemeinde sagen?
Severin: Viele Gemeindemitglieder arbeiten für die EU-Institutionen und sind dementsprechend besonders geschockt über die Anschläge, die ja unter anderem auf die U-Bahn-Station Maelbeek im Herzen des EU-Viertels verübt wurden. Derzeit sind allerdings viele von ihnen in den Osterferien und daher zugleich erleichtert, nicht unmittelbar von den Attentaten betroffen zu sein.
KNA: Sie bieten ein ökumenisches Friedensgebet in der St.-Paulus-Kirche an - kann so etwas überhaupt gegen den Terror helfen?
Severin: Direkt können wir dagegen mit Gebeten sicher nichts ausrichten. Darum kann es auch gar nicht gehen. Aber bei vielen Leuten kommt angesichts der Anschläge Hass und Wut hoch. Und genau das ist es doch, was die Terroristen wollen: Sie wollen diesen Hass säen, damit ein Riss durch unsere Gesellschaft geht. Und dem will ich nicht auf den Leim gehen. Wir dürfen gerade jetzt dem Hass keinen Raum geben.
KNA: Und dabei hilft das Gebet?
Severin: Ein Gebet kann Wut und Hass in Trauer umwandeln. Und es gibt mir Vertrauen und Geborgenheit, dass das Leben weitergeht. Die ersten Rückmeldungen aus meiner Gemeinde signalisieren mir: Das ist genau das, was wir jetzt brauchen.
KNA: Es gibt Anzeichen, die auf einen islamistischen Hintergrund bei den Anschlägen hindeuten. Welche Rolle kann da der Dialog der religiösen Gemeinschaften in Brüssel spielen?
Severin: Der Austausch war schon vor den Anschlägen sehr lebendig und ich bin mir sicher, dass er fortgesetzt wird, fortgesetzt werden muss, gerade auch, weil in dieser Stadt sehr viele Muslime leben. Unabhängig davon, ob sich die Anzeichen auf einen islamistischen Hintergrund bestätigen, gilt: Auch die muslimischen Familien wollen mit ihren Angehörigen hier in Frieden leben. Noch einmal: Wir dürfen uns von den Terroristen unser friedliches Miteinander nicht kaputtmachen lassen.