Pfarrer des Bistums Fulda verkauft Kirche über Kleinanzeigen

"Sehr, sehr schmerzhaft"

"Gotteshaus zu verkaufen", heißt es in den Kleinanzeigen in Lispenhausen. Die komplette Kirche vor Ort im Bistum Fulda steht samt Nebengebäuden zum Verkauf. Für den Pfarrer ein notwendiger, aber auch "brutaler" Schritt.

Der Innenraum der Kirche Zur schmerzhaften Mutter Gottes. (privat)
Der Innenraum der Kirche Zur schmerzhaften Mutter Gottes. / ( privat )

DOMRADIO.DE: Sie haben eine Kleinanzeige geschaltet, um Ihre Kirche für rund 400.000 Euro zu verkaufen. Wie ist es dazu gekommen?

Pfarrer Andreas Schweimer (Dechant für Eschwege-Bad Hersfeld, Bistum Fulda): In ganz Europa sinkt die Zahl der Katholiken, vor allem die der praktizierenden Katholiken. In die zu verkaufende Kirche in Lispenhausen gehen nur noch wenige Menschen. Zum einen, weil wir hier in der Diaspora sind. Das heißt, es sind eh nur zehn Prozent der Bevölkerung katholisch. Davon besuchen nur sechs Prozent regelmäßig den Gottesdienst.

Außenansicht der Kirche Zur schmerhaften Mutter Gottes. (privat)
Außenansicht der Kirche Zur schmerhaften Mutter Gottes. / ( privat )

Zum anderen wurden zwei Drittel aller Kirchen in unserem Bistum nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut, weil viele heimatvertriebene Flüchtlinge, später noch Gastarbeiter, Spätaussiedler und ganz später Flüchtlinge aus dem Jugoslawienkrieg kamen. Auch ein Grund für den Rückgang der Gläubigen in den Diasporagebieten ist die Praxis der konfessionsverschiedenen Eheleute, ihre Kinder oft evangelisch taufen zu lassen. Auch deswegen sinkt die Zahl der Katholiken.

Die müssen wir dann nicht noch zusätzlich auf viele Kirchen verteilten, wo wir dann nur noch in ganz kleiner Zahl von Gläubigen Gottesdienst feiern. Natürlich kann man auch eine Christmette zu fünft feiern, aber das ist weder für den Zelebranten noch für die Gemeinde erquickend, beinahe schon depressiv. Daher glaube ich für die Zukunft an das Entstehen von Zentren, wo die Leute sich hinbewegen.

Für den Verkauf gibt es zudem finanzielle Gründe. Die Kirche ist zwar recht klein, aber steht auf einem größeren Anwesen und ist Teil eins Ensembles aus Kirche, kleinem Klösterchen und einem Wohnhaus. Es ist einfach sehr teuer, so ein großes Anwesen finanziell zu unterhalten.

DOMRADIO.DE: Es ist nicht das erste Mal, dass eine Kirche über ein Kleinanzeigenportal verkauft wird.

Schweimer: Genau. In unserem Bistum weiß ich von zwei Pfarreien. Zum einen bei Schwalbenstadt vor zwei Jahren und im vergangenen Jahr in der Nachbarpfarrei in Heringen. Dort ist es auch zum Verkauf gekommen. Über Kleinanzeigen erreicht man die Leute aus der Region besser. Es hat den Vorteil, dass viele davon mitbekommen und man spart sich die nicht unerheblichen Maklerkosten. Außerdem kamen wir letzte Woche in die örtliche Zeitung, die HNA.

Das Gelände der Kirche Zur schmerzhaften Mutter Gottes. (privat)
Das Gelände der Kirche Zur schmerzhaften Mutter Gottes. / ( privat )

Wir haben bisher 18 Interessenten und auch Besichtigungen. Es wird auch schon mit drei bis fünf Interessenten konkreter. Die Kirche und das Wohnhaus wurden 1963 gebaut. 1980 wurden beide Gebäude durch einen Zwischenbau verbunden, dem kleinen Klösterchen. Das ist ein Trakt mit acht Zimmern, vier im oberen und vier Zimmer im unteren Stockwerk. Dort haben fast 39 Jahre lang Schwestern gewohnt.

Pfarrer Andreas Schweimer

"Wir hatten sogar mehrere Anfragen von orthodoxen Gemeinden, die uns interessanterweise zurückgemeldet haben, dass die Kirche zu klein sei."

DOMRADIO.DE: Was wäre aus Ihrer Sicht eine sinnvolle Nachnutzung für die Kirche? Könnte auch eine Party-Location daraus werden?

Schweimer: Am besten wäre eine Nutzung durch eine andere christliche Glaubensgemeinschaft, die die Kirche und das Ensemble kaufen und weiter nutzen. Zum Beispiel orthodoxe, evangelische oder anglikanische Christen. Wir hatten sogar mehrere Anfragen von orthodoxen Gemeinden, die uns interessanterweise zurückgemeldet haben, dass die Kirche zu klein sei.

Während wir Katholiken hier in der Region schrumpfen, kommen orthodoxe Christen aus vielen Ländern und wachsen in Deutschland. Dafür suchen die Gemeinden Orte, wo sie sonntags zusammenkommen können, den Gottesdienst feiern und danach den Tag zusammen verbringen. Dafür suchen orthodoxe Gemeinden eben religiöse Gebäude wie die Kirche in Lispenhausen, die dafür eine gute Lage hat, direkt an der A4 und der A7. Eine solche Nutzung wäre mir am liebsten.

Blick über das Pfarrhaus auf die Kirche. (privat)
Blick über das Pfarrhaus auf die Kirche. / ( privat )

Wir hatten aber auch andere Anfragen wie zum Beispiel eine Praxis für Physiotherapie, Kinderbetreuung, ein Atelier, ein Ausstellungsraum oder die Nutzung des Ensembles als Wohnmöglichkeit für mehrere Generationen, die das Gelände gemeinsam kaufen würden.

Pfarrer Andreas Schweimer

"Als Pfarrer erlebt man den Rückgang der Zahl praktizierender Katholiken nur schleichend. Wenn dann eine Kirche verkauft wird, ist es brutal."

DOMRADIO.DE: Vor der Nachnutzung muss die Kirche profaniert werden. Wie schmerzhaft ist das für Sie persönlich?

Schweimer: Ja, das ist, muss ich sagen, sehr, sehr schmerzhaft, weil es dann konkret wird. Als Pfarrer erlebt man den Rückgang der Zahl praktizierender Katholiken nur schleichend. Wenn dann eine Kirche verkauft wird, ist es brutal. Besonders diese Kirche in Lispenhausen, weil dort 39 Jahre lang Schwestern gelebt haben. 30 Jahre lang Klarissen-Kapuzinerinnen (Anm. d. Red.: von der Ewigen Anbetung, OSClCap) und danach gut zehn Jahre "Heiligenstädter Schulschwestern" (Anm. d. Red.: Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel, SMMP). Diese Schwestern haben das Ortsbild geprägt und die Kirche sehr durchbetet.

Viele Menschen im Ort verbinden viel mit der Kirche und sie liegt den Menschen sehr am Herzen. Es schmerzt auch persönlich, weil es für mich die schönste von meinen vier Kirchen dieser Pfarrei ist. Der Verkauf dieser Kirche ist für mich ein Symbol für den Rückgang des Glaubens. Joseph Ratzinger sagte immer, dass man auch wissen müsse, was man glaube. Genau das wird in den Kirchgebäuden vermittelt, gelebt und gefeiert.

Ich höre oft von kirchenferneren Menschen, dass sie auch ohne die Institution Kirche glauben. Ich sage, das geht nicht, weil wir unseren Glauben von unseren Eltern, Lehrern, Priestern, Schwestern und Brüdern haben. Das ist alles Kirche. Trotzdem habe ich persönlich keine Angst vor der Zukunft. Auch wenn Glaube und Kirche in Mitteleuropa zurückgehen, glaube ich nicht, dass die Kirche untergeht oder dass es den Glauben nicht mehr geben wird. Ich schaue positiv in die Zukunft.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Umnutzung und Profanierung von Kirchen

Obwohl in Deutschland sowohl katholische als auch evangelische Kirchen leer stehen, ist die Umwidmung katholischer Kirchen komplizierter. Wenn eine katholische Kirche – oder ein anderer heiliger Ort – Weihe oder Segnung verliert, geschieht durch diese Profanierung das Gegenteil der (Kirch-)Weihe. Angeordnet wird eine solche Entwidmung durch ein Dekret des Diözesanbischofs, das im Allgemeinen in einem letzten Gottesdienst verlesen und damit wirksam wird. Damit wird dann das Gotteshaus dauerhaft profanem Gebrauch überlassen.

Die ehemalige Dominikanerkirche in Maastricht ist jetzt ein Buchladen. / © Wut_Moppie (shutterstock)
Die ehemalige Dominikanerkirche in Maastricht ist jetzt ein Buchladen. / © Wut_Moppie ( shutterstock )
Quelle:
DR