DOMRADIO.DE: Haben Sie am Samstag alles live mitverfolgt oder interessiert Sie die Krönung nicht so sehr?
Andreas Blum (Pfarrer der deutschsprachigen katholischen Gemeinde in London): Ich bin bestimmt kein Monarchist, aber man kann sich, wenn man in England, insbesondere in London lebt, der ganzen Sache nicht entziehen. Ich habe in unserem Gästehaus die ganze Liturgie und die Paraden verfolgt.
Dort haben sich einige Gemeindemitglieder getroffen, aber auch Gäste, die nicht bis zum Palast vorgedrungen sind. Denn in der Londoner Innenstadt gab es trotz Regen massenhaft Besucher.
DOMRADIO.DE: Die erste Krönung war im Jahr 1066, dementsprechend traditionsreich war diese Zeremonie. Aber Charles hat doch einige neue Akzente gesetzt. Zum Beispiel hat er laut ein sehr persönliches Gebet gesprochen. Ist Ihnen das auch aufgefallen?
Blum: Es ist an mehreren Stellen aufgefallen, dass der König Rücksicht darauf genommen hat, dass sich Großbritannien oder sein Königreich verändert haben. Es war sicherlich wesentlich homogener zu Zeiten der letzten Krönung vor 70 Jahren bei Elisabeth II.
Charles hat an vielen Stellen ökumenische und sogar interreligiöse Akzente gesetzt. Wenn ich nur daran denke, dass die Fürbitten von den Oberhäuptern christlicher Konfessionen gesprochen wurden. Oder dass Rabbiner, und Imame anwesend waren. Ebenfalls waren Sikhs, Hindus und Buddhisten anwesend.
Das sollte, glaube ich, ein bisschen widerspiegeln, dass Charles III. zwar das Oberhaupt der anglikanischen Kirche ist, sich aber auch als das Staatsoberhaupt versteht, das allen Gläubigen, allen Religionen und auch Nichtgläubigen Raum, Schutz und Sicherheit geben möchte.
DOMRADIO.DE: Diese Krönungs-Zeremonie soll laut Medienberichten rund 113 Millionen Euro gekostet haben. Ist das noch zeitgemäß?
Blum: Ein schlauer Kopf hat mal ausgerechnet, was alle Ausgaben und Einnahmen des Königshauses für das Vereinigte Königreich bedeuten. Man kommt auf etwa 1,50 Euro, die das Königshaus jeden steuerzahlenden Briten kostet. Dafür kriegen sie in London keine einfache Busfahrkarte mehr und auch keinen Kaffee.
Wenn der Schuh drückt, dann sind sicherlich eher die Energiekosten und Mietkosten als Ursachen zu nennen, ähnlich wie in Deutschland. Aber es geht nicht um das Königshaus.
DOMRADIO.DE: Proteste gab es von Monarchie-Gegnern. Die Polizei hat ziemlich hart durchgegriffen, Menschen direkt festgenommen. Das blieb nicht ohne Kritik. Wie beobachten Sie diese Diskussion?
Blum: Es gab an verschiedenen Stellen im Königreich Proteste, die in der Regel unbehelligt abgelaufen sind. Es ging lediglich um die Proteste, die am Trafalgar Square oder direkt am Paradeweg stattfanden und wo die Polizei Sorge hatte, dass es zu Störungen und zu Behinderungen kommen würde.
London ist da in den letzten Jahren ein bisschen geplagt. Die sogenannten Klimaaktivisten haben nicht nur von ihrem Recht Gebrauch gemacht, ihre Meinung darzustellen und zu Demonstrationen aufzurufen, sondern haben den Lebensalltag in London massiv gestört, sodass der Ruf laut wurde, die Polizei müsse stärker durchgreifen, um Leuten die Möglichkeit zu geben, zur Arbeit zu kommen, die Kinder zur Schule zu bringen oder Krankenwagen durchzulassen. Das ist der Hintergrund dieser neuen Gesetzgebung.
An dieser Stelle hat die Polizei unmittelbar am Palast, am Parlament, an Westminster Abbey und am Paradeweg vereinzelt eingegriffen. Aber grundsätzlich steht weder die Meinungsfreiheit noch die Kritik am Königshaus zur Debatte.
DOMRADIO.DE: An diesem Montag ist Feiertag bei Ihnen, einmalig nach einer Krönung. Dieser Tag heißt "Big Help out". Was passiert heute?
Blum: Anders als in Deutschland ist die staatliche Sozialfürsorge in Großbritannien nicht so ausgebaut. Stattdessen gibt es zahlreiche Charities, also Wohltätigkeitsorganisationen, und es gibt ein großes ehrenamtliches Engagement.
Am heutigen Tag gibt es im Prinzip die Möglichkeit, dass sich diese Wohltätigkeitsorganisationen vorstellen. Sie laden ein, sie kennenzulernen und sie werben um neue Freiwillige in allen Bereichen des sozialen und kulturellen Lebens.
Das Interview führte Verena Tröster.