DOMRADIO.DE: Der Straßenkarneval ist nicht vollständig abgesagt. Wie war Ihr erster Eindruck? Hatten Sie eventuell schon mit dem nächsten Karnevals-Verbot gerechnet?
Thomas Frings (Pfarrer und Sitzungspräsident der Kölner Karnevalsgesellschaft "Die Große von 1823"): Ich war durchdrungen von der Hoffnung, es möge möglich sein. Ich bin zwar alt genug zu wissen, dass wir nicht bei "Wünsch dir was" sind. Aber gewünscht habe ich es mir.
DOMRADIO.DE: Ganz Deutschland hat am 11.11. auch genau auf Köln, Düsseldorf, Aachen geschaut, wo eben viele den Beginn der fünften Jahreszeit ausgelassen gefeiert haben. Über die Folgen wurde auch viel gesprochen. Und man muss kein Prophet sein: In zwei Wochen werden wieder alle genauso auf die Karnevals-Hochburgen gucken. Kann man sich als Karnevalist denn guten Gewissens ins Getümmel stürzen? Was meinen Sie?
Frings: Ich kann das mit meinem Gewissen vereinbaren, muss ich wirklich sagen. Meine Gesellschaft bot ja am 11.11. eine der größten Veranstaltungen an, obwohl wir gar kein großer Verein sind. Am Tanzbrunnen hatten wir 10.000 Gäste am 11.11.21. Man muss sagen, auch wenn sich alle aufgeregt haben oder mit dem Finger auf Köln gezeigt haben, dass die Welle in Köln nicht höher gegangen ist, als irgendwo anders auch.
DOMRADIO.DE: Gucken wir mal auf die Beschlüsse, die beim Gipfeltreffen gestern herausgekommen sind mit NRW-Gesundheitsminister Laumann und den Bürgermeistern von Köln, Düsseldorf und Aachen. Für gewisse abgesteckte Party-Zonen gelten höhere Schutzmaßnahmen vielleicht oder wahrscheinlich etwas wie 2G+ und Maske in der gesamten Innenstadt. Wäre das zum Beispiel okay für Sie?
Frings: Ich wäre mit allem einverstanden, was ein Mehr an Gemeinschaft ermöglicht. Als ich gehört habe "Brauchtums-Zone" musste ich natürlich schon schmunzeln. Ich habe sofort an Jürgen Becker und sein Buch gedacht "Biotop für Bekloppte". Es wäre schön, wenn Biotope für Bekloppte eingerichtet werden.
DOMRADIO.DE: Karnevalsumzüge bleiben ja weiterhin verboten. Auch das ist noch mal klar geworden. Wie sehr blutet da ihr Karnevalisten-Herz?
Frings: Das blutet schon. Ich habe das schon mehrfach gesagt. Da wird ja in Köln und im Rheinland nicht nur ein Tag abgesagt, sondern eine ganze Jahreszeit. Da ist nicht nur eine Party, die ausfällt, sondern ein ganzes Lebensgefühl, das sich über sechs bis acht Wochen im Jahr erstreckt. Da sind ja nicht nur ein Tag oder fünf Tage, wo hier wirklich gefeiert wird, sondern das prägt einfach von Dreikönige an bis Aschermittwoch eine ganze Gesellschaft. Wer ein bisschen unterwegs ist, der weiß, dass man nicht nur einen Abend unterwegs ist. Ich hätte vier Sitzungen gehabt und an vielen anderen auch noch teilgenommen. Das ist einfach viel Freude, die verloren geht.
DOMRADIO.DE: Die Karnevalsvereine hatten alle ihre Sitzungen weitgehend freiwillig abgesagt. Es gibt aber Veranstaltungen kommerzieller Anbieter, die zum Teil sehr gut besucht sind. Was halten Sie davon?
Frings: Um eine gute Sitzung vorzubereiten, brauchen wir einfach viel Zeit. Da ist nicht einfach nur ein Tag und ein Ort genannt. Das ist viel Organisation, die damit verbunden ist. Genauso gilt das ja für die Umzüge. Der große Unterschied ist eben, dass beim Straßenkarneval an Weiberfastnacht oder Rosenmontag es um sehr viel Spontanität geht und man sehr schön feiern kann in unterschiedlichen großen und kleinen Gaststätten. Da habe ich doch die Hoffnung, dass das möglich ist.
DOMRADIO.DE: Wahrscheinlich wird es so sein, dass es mal wieder zwei Lager gibt. Die einen, die sagen, dass sie auf jeden Fall feiern gehen und dafür auch alles gemacht haben, wie Impfung, Test etc. Und andere, die sagen, dass es ihnen noch zu heikel ist. Wie können diese zwei Lager aufeinander zugehen und wie muss man da dem anderen begegnen?
Frings: Mit ganz großer Freiheit. Ich glaube, dass es auch um die Eigenverantwortung geht an der Stelle, dass keiner überredet werden oder sich überwinden muss. Aber wenn die Politik uns die Freiheit und die Möglichkeit gibt zu feiern, bin ich derjenige, der diese Möglichkeit auch dann gerne in Anspruch nehmen möchte.
Das Interview führte Michelle Olion.