Pfarrer Schießler fiebert dem EM-Auftakt in München entgegen

"Sommermärchen von 2006 ist nicht kopierbar"

Die Eröffnung der Fußball-EM in München nähert sich. Dem Start am kommenden Freitag fiebert auch der Münchener Stadtpfarrer Rainer Maria Schießler entgegen. Er erzählt, wie die Kirche vor Ort das Spektakel unterstützt.

Spieler der deutschen Fußballnationalmannschaft / © Christian Charisius (dpa)
Spieler der deutschen Fußballnationalmannschaft / © Christian Charisius ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie sind großer Fan der Münchner Löwen, also von 1860 München. Sind Sie aber auch ein Fan der deutschen Nationalmannschaft? 

Pfarrer Rainer Maria Schießler (Pfarrer in München): Ich denke da immer an mich selber. Ich habe es nicht zur großen Fußballkarriere geschafft. Ich habe es auch nie in die Schulmannschaft geschafft, das wäre für mich schon ein Quantensprung gewesen. Es macht vor allem den jungen Spielern schon sehr viel aus, diesen Bundesadler auf der Brust zu tragen. Sie repräsentieren uns als Land. Ein positives Gefühl eines Landes rüberzubringen, ist auch eine hohe Verantwortung und ein hohes Gut. 

Pfarrer Rainer Maria Schießler / © Dieter Mayr (KNA)
Pfarrer Rainer Maria Schießler / © Dieter Mayr ( KNA )

DOMRADIO.DE: Die EM-Spielorte in Deutschland machen sich aktuell fit für das Turnier. Wie viel EM-Stimmung fühlen Sie schon in München? 

Schießler: Ich vergleiche es immer mit der WM 2006, bei der ich selber Volunteer (Ehrenamtlicher Helfer, Anm. d. Red.) war. Ich war mittendrin. Jetzt bin ich das natürlich nicht mehr. Somit habe ich damit nicht so viel zu tun.  

Schießler

"Freunde, besinnt euch auf die Nebensache und lernt wieder das Wesentliche, nämlich miteinander leben zu können und Freude zu haben."

Wir hatten damals aber schon vier Wochen vorher begonnen, alles vorzubereiten. Da knisterte es schon mehr in der Stadt, nicht nur wegen der Fähnchen auf den Autos, sondern auch in den Gesprächen. Das ist einfach der Gesamtlage geschuldet.

Wir wollen die Spiele, wir wollen schönen Fußball, wir wollen Freude, wir wollen ein Fest. Aber das Sommermärchen von 2006 ist nicht kopierbar, gerade in den Zeiten, in der es so wild in der Welt zugeht. Es ist traurig, aber vielleicht ist es ja eine Chance zu sagen: "Freunde, besinnt euch auf die Nebensache und lernt wieder das Wesentliche, nämlich miteinander leben zu können und Freude zu haben." 

DOMRADIO.DE: In München wird es sechs Spiele geben, inklusive Fanfeste. Welche kirchlichen Aktionen gibt es in München, vielleicht auch bei Ihnen in der Gemeinde? 

Schießler: Es gibt Public Viewing, aber das ist privat organisiert. Da muss ich mich aber selber zurückziehen. Ich schätze es zwar, aber ich muss beim Zuschauen alleine sein. Vor allem, wenn wir schlecht spielen. Da will ich alleine leiden.

Aber wir als Kirche unterstützen das Public Viewing. Man kann die Räume bei uns haben und vielleicht gibt es auch mal einen Themengottesdienst dazu. Aber das hängt davon ab, wie sich die Mannschaft präsentiert.

Zuletzt haben wir uns an das frühe Ausscheiden gewöhnt. Da tut das Leiden dann auch nicht mehr so weh. Aber wir hoffen natürlich, dass wir dieses Mal weiter kommen. Ich wünsche es allen Beteiligten und ich wünsche es auch Bundestrainer Julian Nagelsmann. Das ist seine Nagelprobe, nach dem Rauswurf bei Bayern München zu zeigen, dass er ein guter Trainer ist. 

Schießler

"Wir müssen uns neu verstehen lernen, wir müssen auf die jungen Leute zugehen."

DOMRADIO.DE: Sportbischof Stefan Oster hat gesagt, die Kirchen wollen mithelfen, dass Deutschland ein weltoffener, guter Gastgeber der EM ist. Was können die Kirchen denn dafür tun? 

Schießler: Was heißt weltoffen? Das heißt, vor allem aufeinander zugehen. Ich erinnere mich an Zeiten als Jugendlicher, in der sich sich Kirche und Sportvereine gezofft haben: Wann darf man am Sonntag spielen?

Wir müssen uns neu verstehen lernen, wir müssen auf die jungen Leute zugehen. Wir als Kirche haben ja die Kapazitäten nicht mehr. Wir haben die Leute gar nicht mehr, die sich um die Kinder und Jugendlichen kümmern können. Aber wir finden sie in den Vereinen.

Deshalb würde ich mir eine engere Verzahnung zwischen den Ortskirchen, zwischen den Pfarreien und den Vereinen wünschen, damit nicht mehr lange darum gebeten werden muss, ob ich als Pfarrer bei der Sportplatzeinweihung dabei bin. Da feiere ich und ich bin der Letzte, der nach Hause geht. 

Allianz Arena in München / © rarrarorro (shutterstock)
Allianz Arena in München / © rarrarorro ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie werden Sie die EM-Spiele verfolgen? Werden Sie auch in der Allianz Arena sein? 

Schießler: Nein, im Stadion werde ich nicht sein. Das war aber der Grund, warum ich das damals als Volonteer gemacht habe, damit ich überhaupt mal Spiele sehen konnte. Ich habe mich diesmal auch nicht um Karten bemüht. Ich bin eher ein Fan von Fußballspielen vor dem Fernseher, weil man da viel näher dran ist. Das genügt mir. Aber die Stimmung in der Stadt vor und nach dem Spiel will ich draußen erleben. Das interessiert mich mehr. 

DOMRADIO.DE: Tippen Sie die Spiele auch in Sankt Maximilian? 

Schießler: Nein, aber wir bereiten schon den Trauergottesdienst nach dem frühen Ausscheiden der Deutschen Mannschaft vor. Das klingt jetzt böse, aber das ist natürlich nur ein Spaß. Wir reden in der Gemeinde untereinander, wer den Titel bekommt. Ich merke, dass die Tendenz in Richtung England oder Frankreich geht. 

DOMRADIO.DE: Deutschland dann doch nicht?

Schießler: Also ich glaube, wenn wir bis zum Viertelfinale kommen, dann haben wir schon was geleistet.

Das Interview führte Carsten Döpp. 

Quelle:
DR