DOMRADIO.DE: Leverkusen gehört ja nun zum Gebiet der rheinischen Landeskirche. Ist die Frage, für wen Ihr Herz heute Abend schlägt, damit eigentlich schon beantwortet?
Thorsten Latzel (Präses der Rheinischen Kirche und Sportbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland) lachend: Ja, ich habe zwei Herzen in meiner Brust. Als Präses der Rheinischen Kirche ist die Antwort klar: Leverkusen.
Und als Sportbeauftragter der EKD bete ich natürlich für beide Mannschaften, für alle Engagierten, für die Mitarbeitenden, dass es ein gutes Spiel wird und dass wir da viel Spaß heute Abend haben. Stefan Oster, Bischof aus Passau, ist ja bei dem Gottesdienst dabei. Das sollten wir gut hinkriegen.
DOMRADIO.DE: Der Gottesdienst in der Gedächtniskirche steht unter dem Leitwort "Teamgeist". Wie werden Sie das heute aufgreifen?
Latzel: Ja, wir werden gemeinsam einen Gottesdienst halten, auch mit dem DFB-Präsidenten Herrn Neuendorf.
Es ist schön, dass wir vorher immer einen gemeinsamen Gottesdienst haben, wo alle Leute zusammenkommen, Fans von beiden Seiten und noch mal gemeinsam innehalten.
Es ist schön, dass wir als Team der Christinnen und Christen zusammen sind, aber für beide Teams beten, hoffen, dass wir ein gutes Spiel haben, dass es fair zugeht und es einfach genießen.
Fußball ist eine der schönsten Nebensachen der Welt und das spürt man an diesen Tagen, wenn in Berlin die Menschenmassen strömen, Fan-Gesänge zu hören sind. Das ist wirklich Leidenschaft pur.
DOMRADIO.DE: Teamgeist ist ein gutes Stichwort. Brauchen wir auch in der evangelischen und katholischen Kirche manchmal mehr von diesem Teamgeist?
Latzel: Unbedingt. Wir sind ja längst ökumenisch aus der Phase heraus, wo sich die Fans des 1. FC Rom und Fortuna Wittenberg prügelten. Heute haben wir ein gutes ökumenisches Miteinander und wir wissen, dass wir beide zum Christus-Team gehören und sonst zu verschiedenen Fangemeinschaften.
DOMRADIO.DE: War es eigentlich kompliziert, einen Gottesdienst gemeinsam mit dem Deutschen Fußballbund zu planen und zu organisieren?
Latzel: Überhaupt nicht. Das ist eine gute Tradition, die wir schon lange haben. Herr Neuendorf ist ein engagierter Christ. Das macht sehr viel Spaß, mit ihm gemeinsam einen Gottesdienst zu gestalten.
Und es sind verschiedene Leute dabei, zum Beispiel Hilfskräfte und ein Schiedsrichter. Es ist uns wichtig, dass wir das sehr breit aufstellen und gemeinsam diese Fußball-Leidenschaft und unsere Leidenschaft für unseren christlichen Glauben teilen.
DOMRADIO.DE: Dürfen Fußballfans eigentlich für den Sieg ihrer Mannschaft beten?
Latzel: Wir sollten erst mal dafür beten, dass Gott uns schützt und behütet. Und um das mal klar zu sagen. Jürgen Klopp hat es mal schön ausgedrückt: Es gibt keinen Fußballgott. Es gibt nur den einen Gott, der für uns überall zuständig ist. Aber dieser Gott liebt uns Menschen und deswegen liebt er auch Fußball. Weil es eine schöne Sache ist, weil da Leidenschaft und Herz drin ist.
Und ja, ich glaube, man kann auch für den eigenen Sieg beten. Aber ich glaube, man kann das auch gut aushalten, wenn es dann anders kommt. Es ist etwas, was das eigene Herz bewegt.
"All' eure Sorgen werft auf Ihn", heißt es im ersten Petrusbrief und deswegen kann man, glaube ich, Gott alle Sorgen nennen. Was Gott dann daraus macht, ist seine Freiheit.
DOMRADIO.DE: Es sind ja noch ein paar Stunden bis zum Anpfiff um 20 Uhr im Olympiastadion. Merken Sie etwas vom Pokal-Feeling oder ist das noch zu früh?
Latzel: Wir sind gestern angereist und da konnte man schon Fan-Gesänge in den Kneipen und Bars hier hören. Die Leute laufen hier im Trikot herum und Sie müssen sich das vorstellen: Später im Olympiastadion sind 75.000 Menschen, da bebt wirklich das ganze Stadion von dem Singen, von dieser Leidenschaft.
Diese Emotionalität ist etwas, von dem wir in unserer Kirche vielleicht noch etwas lernen können. Also sozusagen in den großen Gesang der Schöpfung mit Leidenschaft einzustimmen. Und ja, man spürt schon überall etwas - da ist viel Leben drin.
Das Interview führte Carsten Döpp.