DOMRADIO.DE: Das Oktoberfest startet am kommenden Wochenende. Wie groß ist die Vorfreude bei Ihnen auf die 188. Wiesn?
Pfarrer Rainer Maria Schießler (Münchner Stadtpfarrer und Autor): Es ist eine andere Vorfreude, als ich noch die zehn Jahre gearbeitet habe, aber sie ist da. Ich bin ja geborener Münchner. Man spürt das in der Stadt. Ähnlich, glaube ich, wie in Köln, wenn das Höhepunkt-Wochenende kommt zum Karneval: Es ist ein Knistern da. Es ist eine innere Anspannung da. Die ist natürlich immer auch verbunden mit der Wetterfrage.
DOMRADIO.DE: Sie haben zehn Jahre gekellnert beim Oktoberfest. Was für ein Knochenjob mit all den Feiernden und Betrunkenen. Was hat Ihnen persönlich das Kellnern gegeben?
Schießler: Man war mittendrin statt nur dabei. Es war einfach was Besonderes. Es war diese Nähe zu den Menschen. Was mich vor allem so fasziniert hat, das war das Zusammensein mit Menschen, die das Leben feiern. Wir erleben ja gerade genau das Gegenteil. Das Leben wird mit Füßen getreten. Wir führen Krieg. Wir gehen aufeinander los. Und hier kommen Menschen, um zu feiern.
Im Übrigen muss ich sagen, das mit den Betrunkenen ist eine falsche Vorstellung. Hier laufen ja nicht bloß Besoffene herum. Das findet man auf jeder Großveranstaltung, dass manche keine Grenze haben. 99 Prozent, die wir treffen, sind Menschen, die das Leben feiern.
DOMRADIO.DE: Könnten Sie sich ein Comeback als Wiesn-Kellner vorstellen?
Schießler: Jedes Jahr! Jedes Jahr kribbelt es in mir, aber man muss alles mitrechnen. Ich bin ja wieder ein Jahr älter, ich habe schon mal aufgehört und es ist ja doch eine gewisse zeitliche Verpflichtung. Aber jedes Jahr denke ich drüber nach. Ich muss sogar aufpassen, wenn ich auf dem Oktoberfest raus gehe und durch die Reihen durchgehe, dass ich nicht leere Maßkrüge mitnehme und an der Schenke abgebe. Man hat so ein inneres Bedienungs-Gen.
DOMRADIO.DE: Man merkt schon, das Thema liegt Ihnen auf jeden Fall weiter sehr am Herzen. Sie haben jetzt alle Münchner aufgerufen, Bedienungen und Küchenhilfen vom Oktoberfest einen Schlafplatz zur Verfügung zu stellen. Warum?
Schießler: Na ja, ich bin gefragt worden, denn ich habe das die ganzen Jahre über gemacht. Und ich kann nur sagen, dass es zunächst mal eine Hilfe ist für Leute, die wirklich da draußen arbeiten und fleißig sind. Das sind nicht irgendwelche Gäste, sondern das sind ganz besondere Gäste, die man unterbringt. Die brauchen nur einen Platz zum Schlafen, wo sie sich duschen können, die Kleidung waschen können – und fertig. Und dann sind die da draußen.
Warum sollte man das nicht unterstützen? Das sind keine Feier-Biester, die sich da rumtreiben, sondern das sind werktätige Leute, die unwahrscheinlich viel leisten. Das ist ein Knochenjob.
DOMRADIO.DE: Seit vielen Jahren ist es ja auch Tradition, dass Kellner in Ihrem Pfarrheim von St. Maximilian übernachten. In diesem Jahr werden es drei sein. Was bekommen Sie von denen für Rückmeldungen jetzt über die Arbeit auf der Wiesn?
Schießler: Das sind Alteingesessene, die wissen, das ist 14 Tage Bestandteil ihres Jahresablaufs. Das ist immer fest eingeplant, dass sie wieder da sind. Die sind so verwurzelt mit der Wiesn, das ist ein Teil von ihnen.
Ich höre mir das gerne an, weil es ist ja immer wieder ein Begegnen. Ich würde die Leute ja sonst nie mehr sehen. Ich bin froh, wenn ich immer wenigstens eine Handvoll bei mir unterbringen kann.
Das Interview führte Simone Walter.