Rainer Maria Schießler (64), Münchner Stadtpfarrer und einer der bekanntesten katholischen Priester Deutschlands, erwartet zu Weihnachten ein besonderes Publikum in der Kirche.
"Ich weiß, dass viele Menschen nur an Weihnachten in die Kirche kommen - und das ist keine Kritik, das ist in Ordnung", sagte Schießler der "Augsburger Allgemeinen" (Montag). "Für mich als Pfarrer heißt das aber, dass ich nicht erwarten darf, dass jeder predigterfahren ist.
Oder dass da eine eingespielte Truppe vor mir sitzt. An Weihnachten sind Leute im Gottesdienst, die - auf Deutsch gesagt - von nichts eine Ahnung haben." Es gehe etwa darum, wann man sitze, stehe und knie. Dennoch sollten diese Menschen erfahren, dass sie willkommen seien, betonte Schießler.
"Alle sollen sich wohlfühlen. Übrigens haben wir bei uns in der Kirche keine Bänke mehr, sondern nur noch Stühle." Damit erübrige sich das Auf und Ab. "Bei uns ist's eigentlich wie im Theater, mit den Höhepunkten Frohe Botschaft und Vaterunser."
Als Pfarrer müsse man auch in gewisser Weise ein Schauspieler sein: "Du repräsentierst Christus, du leihst ihm deine Stimme, deine Mimik, deinen Körper, du leihst ihm alles." Weiter sagte Schießler: "Du musst geil auf Predigen sein. Das bin ich."
Manchmal habe er Momente, in denen er wisse: "Ich geh in die Kirch und es wird der Hammer. Ich rock die jetzt alle! Das ist Verkündigungstestosteron."
"Putin fühlt sich nicht geliebt"
Der Geistliche ergänzte: "Zu wissen, dass man geliebt wird - das ist das größte Geschenk. Wer es nicht bekommen hat, kann nicht lieben. Ich bin überzeugt davon, dass das das Grundproblem des russischen Kriegsherrn Wladimir Putin ist. Wie sonst kann jemand so grausam sein?
Ich glaube: Putin fühlt sich nicht geliebt." Für die Kirche wünsche er sich Fairness, fügte Schießler an. "Ich kann nichts mehr damit anfangen, dass an die Kirche der Maßstab angelegt wird, sie müsse perfekt sein. Es gibt nichts Perfektes, es gibt kein Idyll."
Schießler äußerte sich auch zum Bundestagswahlkampf: "Ich kann nicht nachvollziehen, dass nach dem Bruch der Ampel die drei bisher prägenden Politiker - Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner - wieder zur Wahl stehen.
Man kann doch nicht sagen: Ich hab den Karren in den Dreck gefahren, aber jetzt wählt mich bitteschön!"