"Heute ist es wirklich chaotisch", sagt der katholische Pfarrer Stephan Fischbacher in Waakirchen im Landkreis Miesbach. Dort ist schon seit Tagen der Katastrophenfall ausgerufen - und mit dem Neuschnee in der Nacht zum Donnerstag dann auch wirklich eingetreten. Die Caritas kann ihre ambulanten Pflegedienste nicht mehr aufrecht erhalten. Nur noch Patienten, die dringend Hilfe benötigten, wolle man weiterhin versorgen, sagt Einsatzleiterin Susanne Nortmeier.
Doch die Situation spitze sich zu. Seit dem Donnerstag Morgen sei kein Durchkommen mehr, berichtet Nortmeier. "Miesbach ist nicht mehr befahrbar." Die Pfleger hätten zwar noch versucht, ihre Touren durchzuführen, aber letztlich vor den Schneemassen kapituliert. "Sonst war bis 8 Uhr morgens einigermaßen geräumt." Nortmeier ist froh, dass es noch keinen Schaden gab und noch kein Kollege aus der weißen Pracht befreit werden musste. Bis jetzt zumindest.
Konzentration auf das Wichtigste
Erfahrung mit extremer Witterung haben vor allem die altgedienten Caritasleute. Davon profitieren die Jüngeren. Unter den Mitarbeitenden gibt es eine Art Frühwarnsystem. Das bringe aber jetzt auch nichts mehr, sagt die Einsatzleiterin. Spätere Anfahrten, Versorgung von Patienten durch in der Nähe wohnende Caritas-Bedienstete, Touren-Umplanung - alles ist ausgereizt. Auch für die vier Allradfahrzeuge im Fuhrpark wird ein Durchkommen immer schwieriger. Für den Donnerstag wurden alle Touren abgesagt, erklärt Nortmeier.
Ähnlich geht es Pfarrer Fischbacher in Waakirchen. Ein Einkehrtag für Pfarrgemeinderäte, Chorproben und die Werktagsgottesdienste: alles abgesagt. "Viele Ehrenamtliche sind eh selbst mit dem Schneeräumen beschäftigt." Der Weg zur Kirche im benachbarten Schaftlach könne gar nicht mehr geräumt werden. Der Seelsorger konzentriert sich jetzt auf das Wichtigste.
Dazu gehören Beerdigungen. Am Nachmittag muss Fischbacher einen 19-Jährigen zu Grabe tragen. Er starb bei einem Verkehrsunfall. Deshalb räumt der Hausmeister die Wege im Friedhof rund um die Kirche. Die Gemeinde schaufelt die Wiese frei, damit Trauergäste parken können. "Ein Mega-Aufwand, doch eine Beerdigung kann man eben nicht mal um zwei Wochen verschieben."
Kein Sinn für Romantik mehr
Den Kindergarten hat Fischbacher schließen müssen. Die 13 Fluchttüren seien nicht mehr frei zu bekommen. Dabei besitzt die Kirchengemeinde zwei Schneefräsen. "Die eine gibt gerade den Geist auf, da bekommen wir heute eine neue geliefert", sagt der Pfarrer.
Sein Berchtesgadener Kollege Thomas Frauenlob wagt es kurz, von einer "traumhaften Landschaft" zu schwärmen. Dann kommt das Aber: "Der Sinn für Romantik ist rapide verloren gegangen." Seit Donnerstag gilt auch hier der Katastrophenfall. In der Gegend rund um den Watzmann sind höhere Lagen nicht mehr zugänglich. Der Verwaltungsleiter des Pfarrverbands musste daheimbleiben, weil auf den Straßen nichts mehr geht.
Geistlicher Rat: "Bleibt daheim"
Das erste Treffen der Verantwortlichen für den nun sechs Pfarreien umfassenden Pfarrverband fällt aus - "wegen höherer Gewalt". Frauenlob sorgt sich um seine Leute und die Häuser. Jedem rät er: "Bleibt daheim und schaut, dass Euer Gebäude sicher ist." Fürs Wochenende wird auch so mancher Gottesdienst in höheren Lagen wie in der Wallfahrtskirche Maria Gern nicht stattfinden. Weil einfach kein Durchkommen ist.
Vor allem die Schneelast auf den Dächern könnte zum Problem werden, erst recht, wenn der vorhergesagte Regen einsetzt. Der traumatische Einsturz der Eislaufhalle von Bad Reichenhall mit 15 Toten im Januar 2006 wirkt noch nach. Frauenlob will deshalb so schnell wie möglich den Schnee vom Pfarrhaus herunter haben, das derzeit in der Endphase seiner Renovierung steckt.
Das Winterwetter noch genießen können die Besucher des oberbayerischen Benediktinerklosters Andechs. "Mehr Schnee, das heißt auch absolut winterliche Stimmung hier", berichtet Pressesprecher Martin Glaab. Und: "Wenn es aufhört zu schneien, wäre es noch schöner."