domradio.de: Wie haben Sie die aggressiven Pöbeleien vergangene Woche bei der Einführung zur Kunstinstallation "Monument" von Manaf Halbouni erlebt?
Sebastian Feydt (Pfarrer der Dresdner Frauenkirche): Ich habe mindestens 150 Personen erlebt, die gekommen waren, um die Einführung zu dieser Installation mitzuerleben. Daneben standen leider 60 bis 80 Personen, die mit ihrem lautstarken Protest die geplante Veranstaltung verhindern wollten. Ich habe zum Teil in hasserfüllte Gesichter geschaut, und ganz dicht daneben standen Menschen, die hören wollten, welche Botschaft das "Monument" hat.
domradio.de: Bei der Installation geht es darum, das Erinnern der Kriegstoten von damals und der Kriegsopfer von heute zu verknüpfen. Warum ist diese Form des Erinnerns richtig und wichtig?
Feydt: Weil Dresden eine Stadt ist, die mit ihrer langen Erinnerungskultur in ganz unterschiedlichen politischen Systemen nicht im luftleeren Raum steht. Sie hat den Anspruch, vielleicht europäische Kulturhauptstadt 2025 werden zu wollen und präsentiert sich als international bedeutsame Kulturstadt. Dann können wir Dresdner doch nicht in der Wahrnehmung des Leids, das heute der Krieg an anderen Orten, besonders in Syrien und Aleppo, auslöst, einfach ausblenden und ausschließlich eine Rückbesinnung betreiben. Es ist wichtig, dass man beides zusammensieht und dies auch denen vermittelt, deren Schmerz wegen der Toten und des Leids ihrer Familien nach den Bombennächten noch so groß ist, dass sie nicht genügend Empathie aufbringen, um diese Brücke selbst zu schlagen.
domradio.de: Jetzt kritisieren bestimmte Leute den angeblich "erhobenen Zeigefinger" hinter dieser Aktion und sagen: "Das ist nur eine liberale Elite, die den Dresdnern eine bestimmte Form des Gedenkens aufdrücken will". Was entgegnen Sie diesem Vorwurf?
Feydt: Ich sehe das nicht als einen elitären Impuls, sondern als eine wichtige Auseinandersetzung. Dresden ringt seit Jahren um die angemessene Form, mit dem 13. Februar und den Tagen danach angemessen umzugehen. Wir haben in den vergangenen Jahren erlebt, wie massive rechtsradikale Aufmärsche dieses Gedenken missbraucht haben. Die Dresdner Bürgerschaft hat es geschafft, mit einer Menschenkette diese Gedenkkultur zu ändern. Vielleicht stehen wir jetzt an der Schwelle, einen nächsten Schritt zu gehen. Niemand will das Erinnern und das Mahnen, das sich mit dem Erinnern verbindet, aufgeben. Wir dürfen nur nicht dabei stehen bleiben. Die Stadt lebt auch mit denen, die neu nach Dresden mit einer eigenen Leidensgeschichte gekommen sind. Dresden ist doch nicht singulär und hat nicht gepachtet, dass eine Erinnerungskultur ausschließlich in der Rückbesinnung stattfindet.
domradio.de: Sie sind Pfarrer an der berühmten Frauenkirche, die damals komplett zerstört und erst 60 Jahre später wieder aufgebaut wurde. Wie begehen Sie nun an diesem symbolhaften Ort das Gedenken an die Bombennächte?
Feydt: Ganz wesentlich ist, dass an einem Tag wie heute deutlich wird, dass der Einsturz der Dresdner Frauenkirche am Ende des Zweiten Weltkrieges seinen Anfang zu Beginn des Krieges hatte, der von Deutschland aus in die Welt getragen worden ist. Dieser Verantwortung gilt es sich auch heute zu stellen. Auch angesichts der vielen Toten und des Leids, das diese Stadt erfahren hat. Mit dem Wiederaufbau der Frauenkirche haben wir einen Ort, an dem wir beides verbinden. Wenn Sie auf die Fassade schauen, dann können Sie die hellen und die dunklen Steine eng beieinander sehen. Und so gibt es ab dem Nachmittag ein stilles Gedenken rund um die Frauenkirche auf dem Neumarkt mit dem "Monument", das für einige Monate dort stehen wird. Eine Menschenkette wird sich über diesen Neumarkt hinweg wieder schließen. Am Abend feiern wir einen ökumenischen Gottesdienst und um 21.45 Uhr läuten die Glocken von allen Innenstadtkirchen. Und um 22 Uhr beginnt die Nacht der Stille in der Frauenkirche. Alle Besucher haben die Möglichkeit, dort eine Kerze aufzustellen, damit ein Riesenlichtermeer entsteht. Es werden auch Impulse von jungen Menschen gelesen, die die politischen Ereignisse von heute mit der Erinnerung verbinden.
Das Interview führte Hilde Regeniter.