DOMRADIO.DE: Wie muss ich mir denn Seelsorge auf einem Kreuzfahrtschiff vorstellen, bei tausenden von Gästen?
Martina Platte (Pfarrerin bei der Deutschen Seemannsmission): Seelsorge auf Kreuzfahrtschiffen ist, wie in allen Bereichen meines Arbeitsgebietes, immer aufsuchende Seelsorge.
Das heißt also: präsent sein, an Bord erkennbar sein, ansprechbar sein für die Leute. Es wird häufig nachgefragt, wer man ist und was man hier eigentlich macht. Und das ist genau der Punkt, einfach Präsenz zu zeigen und ansprechbar zu sein.
DOMRADIO.DE: Gibt es auf Kreuzfahrtschiffen noch Interesse an Gottesdiensten?
Platte: Erstaunlicherweise ist das Interesse doch teilweise ziemlich groß, denn es ist schon etwas besonderes auf dem Schiff, wenn es überhaupt noch Bordseelsorge gibt und die Leute kommen gerne zum Gottesdienst.
Natürlich kommen von 500 Leuten nicht alle 500. Aber die, die da sind, die finden es schön, finden das gut.
Und vor allen Dingen nehmen sich viele im Urlaub überhaupt erst einmal die Zeit zum Gottesdienst zu gehen, was sie zu Hause dann vielleicht auch eher nicht machen würden.
Da spielt manchmal natürlich auch so ein bisschen die Anonymität eine Rolle – außer den mitfahrenden Passagieren kennt mich hier ja keiner, jemand hat es mir empfohlen und erzählt, dass es ganz schön sei, also gehe ich eben auch mal hin.
Man kann auch ein bisschen eine andere Art von Kirche erleben, als man sie vielleicht aus der eigenen Ortsgemeinde in Deutschland, der Schweiz, Österreich oder wo die Leute sonst herkommen, kennt.
DOMRADIO.DE: Welche Unterstützung steht denn jetzt so einem Passagier zum Beispiel zur Verfügung? Es gibt ja gegebenenfalls auch noch die Sprachbarrieren.
Platte: Da ich auch ganz gut einige Fremdsprachen spreche, sind die Sprachbarrieren kein so großes Problem.
Bei Verlust und Trauer, es kann immer mal was sein zu Hause, unterstütze ich natürlich gerne im seelsorgerlichen Gespräch.
Die Seemannsmission, mein Arbeitgeber, bildet ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch in psychosozialer Notfallversorgung und Krisenintervention aus.
Da können wir schon helfend eingreifen und auch beratend und unterstützend zur Seite stehen.
DOMRADIO.DE: Wenn Sie dem einen oder anderen Neuling einen Tipp geben würden. Wie kann man denn so als Passagier an Bord die Zeit nutzen, um sich selber persönlich besser kennenzulernen?
Um sich selber zu fördern, um innere Ruhe zu finden? Weil Ruhe auf dem Kreuzfahrtschiff ist jetzt ja auch nicht unbedingt so leicht zu finden.
Platte: Das ist richtig, weil es natürlich zum Teil auch ein Überangebot an Entertainment gibt.
Allerdings gibt es immer so Ecken, wo man mal sitzen kann und wo es wirklich auch ruhig ist und wo man auch mal bei einem Sonnenuntergang die Seele baumeln lassen und das einfach genießen kann.
Ich habe an Land noch nie so schöne Farben gesehen wie auf See. Von einem schönen Anblick erzähle ich immer wieder gerne: morgens in aller Frühe, um 5 oder 6 Uhr, eine Passage im Persischen Golf und die See ist glatt im Dunst.
Am Horizont tauchen die Berge der arabischen Halbinsel auf und dann kommt noch ein schöner Sonnenaufgang dazu. Das hat für mich etwas mit Gottes guter Schöpfung zu tun.
DOMRADIO.DE: Sprechen wir einmal über die Besatzung. Da hört man von vielen Überstunden, aber auch von Spannungen innerhalb der Crew, die über Monate getrennt von ihren Familien lebt. Wie wichtig ist da Seelsorge und wie gehen Sie mit so einem Thema um?
Platte: Es hat vor Jahren mal eine Untersuchung gegeben, welche Menschen, die an Bord arbeiten, die schwerste Arbeit machen.
Und das sind erstaunlicherweise nicht die Seeleute, die meinetwegen an Maschinen oder am Deck arbeiten, sondern das sind die Leute aus dem Service im Restaurant, die Kellner und Kellnerinnen. Die haben wirklich am meisten zu schleppen, zu tragen, zu laufen.
Das ist gemessen worden und da kann man sich schon ungefähr vorstellen, wie anstrengend das ist, Tag für Tag, morgens, mittags, abends in den großen Restaurants, wo zum Teil hunderte von Leuten sitzen, Geschirr hin zu schleppen, weg zu schleppen, das ist schon sehr anstrengend und ich bewundere die Leute auch, die das machen.
Und das sind ja nur die Leute, die sichtbar sind. Was unter Deck passiert – für die vielen Leute muss ja auch Essen zubereitet werden, und das muss gutes Essen sein – wird einfach nicht gesehen.
So auch die Arbeit der Kabinenstewards, also das ganze Housekeeping. Es werden Handtücher ohne Ende gewaschen bei den Fahrten, wo es viele Inseln und viele Strandtage gibt, und auch die Poolhandtücher, das muss alles gemacht werden und das passiert alles unter der Wasserlinie.
Unter der Wasserlinie existiert ein ganz eigener Kosmos der Seeleute. 16-Stunden-Tage sind keine Seltenheit, zum Teil – es gibt viele Schiffe, wo das okay ist, ich möchte hier sicherlich nicht alle über einen Kamm scheren – gibt es auch noch schlechte Heuerbedingungen.
Jedenfalls sind die Leute wirklich rund um die Uhr in Schichten für die Gäste da, aber bleiben eben unsichtbar. Das ist so ein bisschen auch mein Ziel, diese Leute einfach mal sichtbar zu machen, sei es im Gespräch hier oder eben zum Teil auch im Gespräch mit Gästen.
DOMRADIO.DE: Was sollten denn Gäste dann tun? Meistens gibt man ein Trinkgeld. Bei einigen Reedereien ist es mittlerweile so, dass das Trinkgeld bereits inkludiert ist. Aber wie kann man sich beim Kabinensteward noch dankbar zeigen?
Platte: Ich finde einfach nur, dass man diese Wertschätzung gewinnen und vielleicht auch mit an Land tragen sollte, wenn man wieder zu Hause ist – einfach weiterzusagen, was das für ein enormer Betrieb ist.
Das Interview führte Oliver Kelch.