Nach der Corona-Flaute stehen sie bei deutschen Reisenden wieder hoch im Kurs – die Kreuzfahrtschiffe sind voll. 2022 gingen sogar noch deutlich mehr Passagiere an Deck als in der letzten Vor-Corona-Saison 2019.
Einer von ihnen ist der katholische Pfarrer Martin Stewen. "Im Salon steht ein Klapptisch. Die Leute sitzen in Sesseln, in denen sie gestern Abend noch Party gemacht haben. So feiern wir Gottesdienst an Bord", berichtet der 53-jährige.
Drei Mal war er schon an Bord – immer in der Südsee. Seine jüngste Kreuzfahrt im Februar startete in Tahiti und brachte ihn bis nach Neuseeland.
Rund 50 Kreuzfahrten pro Jahr zu besetzen
Zwei Wochen war er mit der MS Europa unterwegs. An jedem Seetag, diesmal sechs an der Zahl, findet ein ökumenischer Gottesdienst statt.
Rund 50 Kreuzfahrten sind pro Jahr zu besetzen: die Hälfte davon mit einem katholischen, die andere mit einem protestantischen Geistlichen.
Wie der Priester zum Schiff findet – oder umgekehrt? Das läuft über das Auslandssekretariat der Deutschen Bischofskonferenz.
Der Andrang unter Bordseelsorgern ist groß
Einmal im Jahr tagt die Bordseelsorge-Konferenz und verteilt die Fahrten für die kommende Saison: von einer Woche Nordsee bis drei Wochen Suezkanal oder eben Südsee.
Das Angebot ist groß, die Nachfrage auch. Oft muss das Los entscheiden. Denn pro Schiff kann es nur einen Seelsorger geben.
Und nur zwei deutsche Reedereien nehmen grundsätzlich einen Kirchenvertreter mit: Phönix-Reisen und Hapag-Llyod. Die anderen zwei Branchengrößen, TUI-Cruises und Aida, sehen aber auch zunehmenden Bedarf.
Aida plant ab kommendem Jahr Seelsorger für Crew ein
"An Weihnachten und Ostern sind zurzeit Pastoren der evangelischen Kirche bei uns an Bord der 'Mein Schiff'-Flotte.
Sie geben Gottesdienste und bieten seit Neuestem in diesem Zeitraum auch kirchliche Trauungen an", sagt Daniela Hensel, Sprecherin bei "Mein Schiff" (TUI Cruises GmbH).
Außerdem hätten Crew sowie Gäste die Möglichkeit bei Bedarf einen Notfallseelsorger zu kontaktieren. Aida plant demnach ab dem kommenden Jahr, rotierend Seelsorger zumindest für die Crew einzusetzen.
Frage nach Priester kommt oft bei Todesfällen auf
Das unterschiedliche Angebot sei vor allem auf die verschiedenen Altersgruppen zurückzuführen, die die Veranstalter ansprechen, erklärt Andrea Braun vom Auslandssekretariat der Bischofskonferenz.
Dabei gebe es durchaus Situationen an Bord, in denen ein Seelsorger dringend gebraucht werde: "Immer wieder kommt es vor, dass ein Passagier während der Fahrt verstirbt. Dann wird nach einem Priester gefragt."
Die Krankensalbung ist ein Sakrament, das an Bord gespendet werden kann. Allerdings darf ein katholischer Priester keine Trauungen auf dem Schiff durchführen – aus kirchenrechtlichen Gründen.
Vom Bedürfnis nach Seelsorge auf hoher See
Nicht selten gibt es indes Nachfrage nach seelischem Beistand. "Familie, Geldsorgen, Krankheit.
Das sind die Themen, auf die mich häufig auch Passagiere, die eigentlich nicht gläubig sind, auf hoher See ansprechen", sagt Seelsorger Stewen: "Sie nehmen ihre Sorgen schließlich mit an Bord."
Damit er für alle zu erkennen ist, gilt auf dem Schiff eigentlich Priesterkleidung. "Das ist in den ersten Tagen wichtig, später wird das lockerer", sagt Stewen. Dann kennt man sich.
Die größte Schwierigkeit sei, es mit der Ökumene allen recht zu machen.
"Ich bespreche mit interessierten Passagieren deshalb vorher den Ablauf des Gottesdienstes und frage sie auch anschließend nach Feedback. Jedem kann ich aber nicht gefallen."
Deutsche Priester müssen Urlaub nehmen
Andere Länder, andere Seelsorge: USA und Italien stellen Priester für den Einsatz an Bord – die deutschen Pfarrer müssen Urlaub nehmen. Allerdings übernimmt die Reederei Kost und Logis.
Dabei hat die Bordseelsorge auch im nördlichen Europa eine lange Tradition: Erste Aufzeichnungen dazu finden sich aus der Zeit der Hanse von Handelsschiffen.
Auch auf den Schiffen der Eroberer fuhren Priester mit, um Stimmung und Moral bei den Seeleuten aufrechtzuerhalten.
Zeit für die oft katholische Besatzung bleibt kaum
Heute ist der Pfarrer vor allem für die Passagiere da – eine Art Entertainer. Nur ist seine "Show" deutlich anders als die von Musikern oder Artisten.
Zeit für die Besatzung – viele kommen von den Philippinen und sind katholisch – bleibt indes kaum. Stewen hätte gerne einen Gottesdienst mit der Crew gefeiert, wie er sagt. Leider war das wegen des straffen Dienstplans nicht möglich.