KNA: Inklusiver Sport liegt Ihnen von Beginn Ihrer Tätigkeit an besonders am Herzen. Warum?
Elisabeth Keilmann (Sport- und Olympiaseelsorgerin der Deutschen Bischofskonferenz): Im DJK-Sportverband erlebe ich immer wieder gelungene Beispiele, wie Menschen in all ihrer Vielfalt Sport treiben und ein gutes Miteinander erleben. Denn jeder Mensch ist wichtig und wertvoll. Diese gleichberechtigte Teilhabe wird im Sport - anders als sonst in der Gesellschaft - vielerorts schon ermöglicht und auch wertgeschätzt. Menschen mit und ohne Behinderung sollten aber nicht nur gemeinsam Sport treiben, sondern auch im Alltag ganz selbstverständlich miteinander leben können.
KNA: Welche Rolle spielt überhaupt der Sport für Menschen mit geistigen und anderen Einschränkungen?
Keilmann: Bei dem Verein DJK Franz Sales Haus in Essen, wo mehr als 2.300 Aktive mit und ohne Behinderung trainieren, habe ich einmal eine Schwimmerin kennengelernt. Sie leidet nach einem Verkehrsunfall unter kognitiven Langzeitfolgen.
Sie erzählte leidenschaftlich von ihrem Sport und von dem Gemeinschaftsgefühl bei ihrer Teilnahme an den nationalen Spielen der Special Olympics, wo sie Gold, Silber und Bronze gewann. Sie sagte, sie will immer ihr Bestes geben; wenn aber andere noch besser sind als sie, dann freut sie das auch sehr. Sie ist dann richtig stolz - auch auf die Leistung der anderen. Natürlich spielen auch bei Menschen mit Beeinträchtigungen Erfolgserlebnisse eine Rolle, aber sie sind nicht alles. Im und durch ihren Sport entwickeln sie ihre Fähigkeiten weiter. Im und durch ihren Sport gewinnen sie Selbstbewusstsein.
KNA: Die Special Olympics World Games gelten als größtes inklusives Sportevent und größtes Multisport-Ereignis in Deutschland seit den Olympischen Spielen 1972 in München. Mit welchen Gefühlen fahren Sie nach Berlin?
Keilmann: Ich freue mich schon sehr darauf. Letztes Jahr war ich mit meinem evangelischen Kollegen als ökumenisches Seelsorgeteam dort bereits bei den nationalen Spielen der Special Olympics, der Qualifikation zu den Weltspielen in diesem Juni. Wir haben es als ein sehr buntes Fest erlebt, bei dem Freude, Begeisterung und Gemeinschaft immer wieder sehr spürbar waren.
Ich bin überzeugt, dass die Special Olympics World Games in diesem Jahr ein einzigartiges und unvergessliches Erlebnis für die Gäste aus aller Welt werden. Ich glaube, dass der Sport und das gemeinsame Erleben ein wichtiger Antrieb für die Inklusion sein können – nicht nur hierzulande.
KNA: Ist beim inklusiven Sport ein anderer, besonderer Geist spüren?
Keilmann: Ich denke, dass es bei allen sportlichen Wettkämpfen einen besonderen Spirit gibt – die Freude, Begeisterung und das Gemeinschaftsgefühl sind sowohl bei Sportlerinnen und Sportler als auch bei den Zuschauern wahrzunehmen.
KNA: Was werden Ihre konkreten Aufgaben vor Ort sein?
Keilmann: Ich möchte für die Menschen in ihren unterschiedlichen Lebenssituationen ansprechbar sein – nicht nur für die Aktiven, sondern auch für deren Betreuer, freiwillige Helfer und Familienangehörige. Bei so großen Sportveranstaltungen stehen wir als ökumenisches Team für die seelsorgliche Begleitung zur Verfügung. Wir bringen viel Zeit zum Zuhören mit, bieten Möglichkeiten zum vertrauensvollen Gesprächen.
Und natürlich helfen wir in Alltagssituationen, etwa wenn ein Sportler von A nach B kommen möchte. Es wird auch eigens ein Sorgentelefon eingerichtet. Wir gehören zu einem siebenköpfigen Expertenteam für Wohlbefinden und die Prävention sexualisierter Gewalt. Darüber hinaus sind die Kirchen mit geistlichen und sportlichen Angeboten im Sommergarten des Messegeländes in Berlin mittendrin.
KNA: Was erwartet die Besucher dort?
Keilmann: Unter anderem wird es einen Stand mit Mitmachangeboten geben: Täglich werden dort um 12 und 16 Uhr geistliche Impulse mit Bewegung angeboten. Jeden Tag wird es um ein bestimmtes Thema gehen, zum Beispiel Fairness, Respekt, Vertrauen, Freude und Würde.
Diese Impulse werden nonverbal oder in leichter Sprache angeboten. Im Anschluss an die geistlichen Impulse gibt es einstündige, ökumenische Begegnungsmöglichkeiten mit Persönlichkeiten aus der Kirche. Erwartet werden unter anderen der Berliner Erzbischof Heiner Koch und der evangelische Bischof Christian Stäblein.
KNA: Glauben Sie, dass so ein großes und inklusives Sportevent auch nachhaltige Impulse geben kann, um die Anliegen von Menschen mit Behinderung mehr in den Blick zu nehmen?
Keilmann: Das hoffe ich sehr. Die Spiele können auch eine Vorbildfunktion haben. Sportlerinnen und Sportler können zeigen, was in ihnen steckt und was alles möglich ist. Diese Weltspiele bieten eine große Inspirationsquelle für die Gesellschaft, wenn es zum Beispiel um gleichberechtigte Chancen in Bezug auf alle Lebensbereiche geht – sei es für Bildung, Arbeit oder Freizeit. Sie können zur Aufklärung und Bewusstseinsbildung beitragen und jeden inspirieren, unsere Unterschiede zu akzeptieren und diese als Stärke zu nutzen. Jeder Mensch ist besonders und einzigartig mit all seinen Stärken und Schwächen.
Und vielleicht können die Spiele auch dazu beitragen, Barrieren in Köpfen und Strukturen abzubauen und mit Toleranz, Ehrlichkeit und Offenheit und gegenseitigem Respekt miteinander umzugehen. Denn wir sollten offen und mit Herz auf die Menschen zugehen - egal ob mit oder ohne Behinderung.
Das Interview führte Angelika Prauß.