DOMRADIO.DE: Carsten, du hast durch einen Burnout zum Golfsport gefunden. Wieso Golf?
Pastor Karsten Gosse (Mitbegründer von „Ichtus – Christen im Golfsport e.V.“): Als mich mein Burnout im Herbst 2003 ereilte, war ich 38 Jahre alt und hatte an Sport so ziemlich alles gemacht. Ich habe Fußball gespielt, Squash, Badminton, Tischtennis, also vieles mit Schläger und mit Ball. Und Golf war für mich aber auch immer sehr klischeebehaftet und ich dachte vor allen Dingen unbezahlbar. Als ich dann im Rahmen meines Gesundungsprozesses zurück nach Deutschland kam, damals lebten wir in Portugal, da habe ich an der Hochschule für Mission in Stuttgart studiert, wo ich dann einen Golfbag von einer Kommilitonin habe stehen sehen.
Da bin ich neugierig geworden. Und dann habe ich sie gefragt, wie das denn mit Golfen und so ist, das wäre doch ziemlich teuer. Und dann hat sie meine Zweifel zerstreut, hat gesagt, da gibt es einen Club, da kannst du mal schnuppern, und das habe ich gemacht. Ich hatte eigentlich noch nie etwas mit Schläger und mit Ball gemacht, was nicht funktioniert hat. Aber das mit dem Golfen hat nicht geklappt. Ich war total frustriert und dachte, das ist doch kein Sport für dich.
Dann habe ich eine Stelle als Dozent an einer theologischen Schule angefangen, und zwei, drei Jahre später merkte ich, ich brauche einen Ausgleich. Dann hat mich der Ehrgeiz nochmal gepackt. Ich habe mir einen ordentlichen Golftrainer gesucht und den sogenannten Führerschein fürs Golfen oder den sogenannten Platzreife-Kurs gemacht. Als ich den Ball dann das erste Mal so richtig getroffen hatte, da war es um mich passiert. Da gehörte ich mit zu diesen Süchtigen, die von diesem Sport einfach nicht mehr loskommen.
DOMRADIO.DE: Jetzt habt ihr den Verein “Christen im Golfsport” gegründet. Was sind die Hauptziele und Werte dieses Vereins?
Gosse: Unser Motto lautet: Golfer für Christus zu begeistern und Christen fürs Golfen. Das hat sich nie geändert, seit wir den Club 2010 offiziell gegründet haben. Der Schwerpunkt liegt tatsächlich darauf, Golfern ein authentisches Christsein vorzuleben und sie auch zu ermutigen, Jesus als ihren Caddy in ihr Leben zu holen. Caddys tragen nicht nur die Tasche oder die Lasten der Golfer, sondern sie sind auch ihre Stütze in den schwierigen Momenten auf dem Golfplatz, sind Ratgeber, sind Ermutiger, richten die Golfer immer wieder neu aufs Ziel aus. Und da gibt es eine ganze Menge Analogien auch zum Leben.
Und was die Werte betrifft: Ich predige gerne, dass Jesus Christus ein Reich begründet hat, das er als etwas versteht, wo die Werte dieser Welt eigentlich auf den Kopf gestellt werden. Wer was ist, der lässt sich nicht bedienen, sondern der dient so wie Jesus. Wer viel hat, der wird nicht gieriger nach mehr, sondern er teilt das, was er hat, mit denen, die Not leiden. Und die Wahrheit kann man zum Beispiel auch in Liebe sagen. Solche Dinge, das sind so die Werte, für die wir stehen und die wir leben.
DOMRADIO.DE: Wie integriert denn der Verein christliche Werte und Prinzipien in den Golfsport und welche Bedeutung hat der Glaube für die Mitglieder? Wird vor dem Abschlag erst noch eine Predigt gehalten?
Gosse: Für uns als Mitglieder des Vereins steht der Glaube an erster Stelle und der Wunsch, ihn mit Golfern zu teilen, ist immer noch Priorität. Und das Coole am Golfsport ist, dass er ein Sport ist, der mit seinen hohen ethischen Maßstäben werben kann. Man kann als Golfer an vielen Stellen lügen und betrügen und es macht nur Sinn, wenn man diesen Sport ausüben will, dass man ihn mit Menschen ausübt, die auch ehrlich sind und ehrlich sein wollen.
Abgesehen davon, dass Ehrlichkeit auch zu den Werten Christi und seines Reiches passt, besteht das Leben ja nicht nur aus ein paar ehrlichen Stunden auf dem Golfplatz, sondern man muss dann auch ehrlich sein und ethisch leben, wenn man wieder nach Hause geht. Wir versuchen eben, die Werte Jesu tatsächlich an den Mann und an die Frau, an die Golferin und an den Golfer zu bringen.
Und weil wir das möchten, gibt es bei jeder Siegerehrung auch einen geistlichen Impuls, eine kleine Predigt. Wir predigen tatsächlich das Thema Christus und kombinieren das aber mit Golf, mit Leben, mit Glauben bei unserer Ansprache. Und das in der Regel jedes Mal, wenn wir ein Turnier ausrichten. Und davon richten wir in Deutschland und in der Schweiz insgesamt fast 50 pro Saison aus.
DOMRADIO.DE: Ist die christliche Identität im Vereinsleben immer ein Hauptbestandteil?
Gosse: Was uns die Golfer der Clubs, in denen wir Turniere ausrichten, sagen, ist, dass die Atmosphäre von unseren Turnieren eine ganz besondere ist, anders als bei normalen Sponsorenturnieren. Das merken die Menschen, also die, die mitspielen, von denen der größte Teil auch mit dem Glauben nichts am Hut hat, dass bei uns etwas anders ist. Wir legen Wert darauf, authentisch zu sein als Christen, auf der Golfrunde selber, aber auch im Nachhinein. Wenn wir dann feiern, wenn wir die Sieger ehren oder auch wenn wir die Verlierer trösten. Und da haben wir so eine spezielle Sache, das nennt sich Frust-Weg-Shampoo. Das bekommt immer der, der an dem Tag am schlechtesten gespielt hat. Und das ist mittlerweile schon ein Running Gag. Manche Leute, die kommen nach der Runde und sagen 'Heute kriege ich das Shampoo', weil sie wissen, sie haben schlecht gespielt. Also das ist ganz lustig.
DOMRADIO.DE: Man hat manchmal ein bisschen Scheu, sich mit anderen zu messen, da ist immer ein gewisser Druck vorhanden. Ist das in einem christlichen Golfclub anders? Wie muss ich mir so ein Turnier bei euch vorstellen, dass ihr von Christen im Golfsport durchführt?
Gosse: Wir schaffen Raum, sich wohlzufühlen, wenn man bei uns mitspielt. Wir haben immer wieder auch Anfänger dabei und schauen dann, dass die Anfänger auch mit Spielern in einer Gruppe spielen, die verständnisvoll sind, die auf der Runde hilfreiche Tipps geben, damit Anfänger schnell lernen, wie dieser Sport für sie und auch für andere zu einem echten Genuss wird. In unserem Anfängen, als ich TuS Christen im Golfsport gegründet habe, da haben wir vor allen Dingen immer wieder viele Kinder mit im Teilnehmerfeld gehabt. Und das war auch besonders.
Und auch sie wurden immer wieder besonders gewürdigt, mit einem extra Geschenk dafür, dass sie sich getraut haben, mit den Großen mitzuspielen. Gleiches gilt auch für Menschen mit einem echten Handicap. Wir haben in einem Turnier zum Beispiel mal versucht einen Weg zu finden, eine Golferin mitspielen zu lassen, die durch einen Schlaganfall halbseitig gelähmt ist. Die braucht für eine Runde natürlich doppelt so viel Zeit wie gesunde Golfer. Und auch da haben wir einen Weg gefunden, dass wir sie integriert haben und dass sie eben irgendwie auch bei diesem Turnier dabei war. Das war richtig cool.
DOMRADIO.DE: Wie hat der Verein dazu beigetragen, eine positive Wirkung auf das Golfspiel und das Leben der Mitglieder zu erzielen, vor allem wenn wir wieder auf die Theologie schauen, also auf den persönlichen Glauben?
Gosse: Echt zu sein und glaubwürdig den Glauben an Jesus zu leben und zu vermitteln, das hilft. Jemand sagte mal 'Wenn ich in der Kirche auch so Ansprachen hören würde, die mir etwas fürs Leben mitgeben, dann würde ich vielleicht öfter gehen'. Ich denke, dass mir persönlich einfach meine Leidenschaft für Golf und für Glaube entgegenkommt, um den richtigen Ton zu finden und die richtigen Parallelen zwischen Golf, Glaube und Leben zu ziehen. Und das einmal für solche, die erfolgreiche Unternehmer sind, aber auch für die, die ganz normale Normalos sind. Davon gibt es mittlerweile beim Golfen auch ganz viele ganz normale angestellte Handwerker, die einfach von dieser Leidenschaft Golf erfasst wurden. Ihnen ein bisschen was vom Glauben schmackhaft zu machen, das ist das Ziel. Und mein Wunsch ist, dass sie mir meine Leidenschaft für Jesus auch abspüren und dass Jesus ihnen irgendwann genauso wichtig wird wie Ihr geliebter Golfsport.
DOMRADIO.DE: Du bist ja auch Pastor. Kommt man auf dem Golfplatz auch mit seelsorglichen Fragen auf dich zu?
Gosse: Oh ja, da viele mit der Kirche nichts mehr anfangen können und viele leider ja auch ausgetreten sind, werde ich hier und da gebeten zu helfen. Da sind nicht nur tiefgehende Gespräche über familiäre und betriebliche Nöte, die man so auf dem Golfplatz führt, sondern da kam auch schon die Bitte, die Beerdigung der Mutter einer Golferin durchzuführen oder eine Hochzeit. Trotz aller Klischees, muss man eigentlich sagen, sind Golfer ja ganz normale, vor allen Dingen meist sehr liebenswerte Menschen. Ebenbilder Gottes eben. Viele mögen im Leben zwar alles haben, aber die Nöte des Lebens, die haben sie wie alle anderen Menschen auch. Und dafür sind wir gerne da. Da diese Leute, mit denen wir zu tun haben, das auch wissen und auch wissen, dass wir mit unseren Nöten ganz ehrlich umgehen, wie ich gerade mit der Krebserkrankung meiner Frau, deshalb ist auch Vertrauen da.
Das Interview führte Oliver Kelch.