Pfarrgemeinde kümmert sich um eine syrische Großfamilie

Willkommen trotz ungewisser Zukunft

Es ist eine Mammutaufgabe für den Bonner Ahmad Kiwan. Er will 27 syrische Verwandte aus dem umkämpften Land zu sich holen. An seiner Seite stehen Bonner Pfarrgemeinden. Ein Vorzeigebeispiel zum Welttag der Migranten.

Autor/in:
Angelika Prauß
Ahmad Kiwan (KNA)
Ahmad Kiwan / ( KNA )

Der Hilfeaufruf kommt unvermittelt bei der Sonntagsmesse am vierten Advent. Pastoralreferent Guido Zernack tritt vor dem Schlusssegen vor den Altar und bittet seine Bonner Gemeinde um Aufmerksamkeit: 27 dem Bürgerkrieg in Syrien entkommene Flüchtlinge benötigten dringend Hilfe. In wenigen Wochen kämen sie völlig mittellos in Bonn an. Ahmad Kiwan, ein im Pfarrbezirk beheimateter Deutscher mit syrischen Wurzeln, habe um Unterstützung seiner Angehörigen gebeten. Die Gemeinde will den Kiwans nun bei dieser Mammutaufgabe helfen. Startschuss für ein modellhaftes Projekt einer Kirchengemeinde.

10.000 syrische Bürgerkriegsflüchtlinge wird Deutschland in den nächsten Monaten aufnehmen, nach NRW können weitere 1.000 Menschen kommen - vorausgesetzt, diese haben dort Verwandte wie die Kiwans, die sich um ihren Unterhalt kümmern. Die finanziellen Belastungen, die auf die Familie des Wirtschaftsinformatikers zukommen, sind hoch.

Außer einem Behandlungsschein im Krankheitsfall und Deutschkursen übernimmt der Staat keine Kosten für die Neuankömmlinge. Die Flugkosten in Höhe von rund 10.000 Euro muss Kiwan ebenso tragen wie die Miete der künftigen Wohnungen und den Lebensunterhalt - so lange, bis die syrischen Flüchtlinge selbst für sich sorgen können.

"Beträge, die die Familie Kiwan allein nicht stemmen kann", findet Pastoralreferent Zernack. Durch Zufall sei der Kontakt zu den Kiwans entstanden. Zernack, durch die Begleitung der Sternsingeraktion schon für das Schicksal von Flüchtlingskindern sensibilisiert, entschied sich, die 9.300 in der Pfarrei lebenden Menschen aus rund 60 Nationen zu mobilisieren. "Die Hilfe sollte möglichst auf vielen Schultern verteilt sein", findet der 51-Jährige.

Und so wird seit dem Aufruf hinter den Kulissen heftig gebrainstormt, getagt und gemanagt. Noch in den Weihnachtsferien hat sich ein Kreis aus rund 20 Ehrenamtlichen der Pfarrei von St. Rochus und Augustinus gebildet. Verschiedene Arbeitsgruppen unterstützen die Familie nun mit Hochdruck dabei, das Nötigste zu organisieren - Flüge, Wohnraum, winterfeste Kleidung, Hausrat, Nahrung, Hilfe bei Behördengängen und bei der Arbeitsbeschaffung, längerfristige Patenschaften, Geldspenden für Miete, Flugtickets und den monatlichen Unterhalt von rund 10.000 Euro. Einen Grundstock gibt es bereits: der Erlös eines Benefizkonzertes zum Abschluss der Weihnachtszeit in Höhe von 2.371 Euro und 8.900 Euro an Spenden.

Damit, wie Zernack sagt, "die Hilfe ein Gesicht bekommt", stellen sich Ahmad Kiwan und seine Frau Kathleen der Gemeinde bei der Sonntagsmesse und dem anschließenden Neujahrsempfang vor. Der 37-Jährige berichtet, wie groß die Freude war, nach drei Jahren intensiver Bemühungen endlich Grünes Licht von der deutschen Ausländerbehörde für die Einreise seiner Eltern, fünf Geschwister und deren Kinder zu bekommen. Und wie groß die Herausforderung nun sei, für alle aufzukommen.

In den letzten drei Jahren konnte er nur telefonisch Kontakt halten, die Nachrichten verfolgen und um seine Heimat trauern - ohne etwas tun zu können. Mit der erlösenden Botschaft der Ausreisemöglichkeit nach Deutschland kann Kiwan seiner Familie nun helfen, ein neues Leben anzufangen. Er ist "überwältigt" von der großen Hilfsbereitschaft in der Gemeinde. "Ich habe hier wunderbare Menschen kennengelernt."

Und die sind hochmotiviert. Eine leerstehende Wohnung der Pfarrei ist bereits möbliert und bezugsfertig. Denn am kommenden Dienstag können Kiwans Angehörige, die vorübergehend in Jordanien leben, in Amman ihre Visa abholen. Sobald es freie Flüge gibt, werden die Familien dann einzeln nach Deutschland ausreisen.

Auch wenn es für die Flüchtlinge eine Reise ins Ungewisse ist - sie sollen sich zumindest willkommen fühlen, findet Margret Debrus. Die 67-Jährige ist seit vielen Jahren in ihrer Gemeinde ehrenamtlich aktiv und fühlt sich auch persönlich angesprochen. "Meine Eltern sind 1945 ausgebombt worden und standen vor dem Nichts. Auch sie waren darauf angewiesen, dass andere Leute sie unterstützt haben."


Quelle:
KNA