DOMRADIO.DE: Der Pfingstmontag ist bei uns Feiertag, in einigen Bundesländern sogar mit Pfingstferien verbunden. Aber in der Weltkirche gibt es gar keinen Pfingstmontag?
Jan Hendrik Stens (Redaktion Liturgie): Das liegt daran, dass es die Pfingstoktav seit 1970 nicht mehr gibt. Als bei uns in Deutschland die gesetzlichen Feiertage festgelegt wurden, gab es noch die Weihnachtsoktav, die Osteroktav und die Pfingstoktav. Als Rumpf davon war jeweils noch der zweite Tag vom Staat als gesetzlicher Feiertag festgelegt worden.
Als dann im Advent 1969 in Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils der neue Römische Generalkalender eingeführt wurde, gab es für den Pfingstmontag keine liturgische Grundlage mehr. Die deutschen Bischöfe entschieden jedoch, diesen vom Staat gestellten Feiertag mit kirchlichem Leben zu füllen.
Deshalb gibt es bei uns in Deutschland noch den Pfingstmontag, obwohl er in der Liturgie gar nicht mehr existiert.
DOMRADIO.DE: Aber bei uns gibt es den Pfingstmontag als Feiertag. Hat Deutschland da eine Insellösung?
Stens: Der Pfingstmontag ist auch in Österreich, den Benelux-Staaten, Frankreich, Ungarn, Dänemark sowie in weiten Teilen der Schweiz ein gesetzlicher Feiertag. Es ist also keine Insellösung.
DOMRADIO.DE: Aber Feiertag bedeutet dann doch, dass es eine Pflicht gibt, in die Messe zu gehen?
Stens: Tatsächlich ist der Pfingstmontag zumindest in Deutschland ein "kirchlich gebotener Feiertag". Das heißt, die Gläubigen haben – wie auch sonntags – die Pflicht, die Heilige Messe mitzufeiern.
DOMRADIO.DE: Im Grunde hat sich durch einen Marien-Gedenktag am Pfingstmontag nichts geändert. Die Messe-Pflicht für Katholiken bleibt. Könnten sich evangelische Christen durch die päpstliche Festlegung trotzdem auf den Schlips getreten fühlen?
Stens: Tatsächlich wird der Pfingstmontag in vielen Gemeinden genutzt, um gemeinsam mit Christen anderer Konfessionen die Einheit der Kirche voranzubringen. Daher werden am Pfingstmontag auch häufig ökumenische Gottesdienste gefeiert. Dabei kommt es nicht selten zu Konflikten mit der für Katholiken bestehenden Applikationspflicht. Denn kaum einer besucht die Heilige Messe und zusätzlich noch einen ökumenischen Gottesdienst.
Der Konflikt ist also bereits schon vorhanden. Mit dem Gedenktag dürfte es insofern für protestantische Christen schwierig werden, als dass unter "Kirche", als deren Mutter Maria verehrt wird, etwas anderes verstanden wird als die Katholiken es tun. Dazu kommt, dass Katholiken die Heiligen auch als Fürsprecher anrufen. Das lehnen Protestanten ab.
DOMRADIO.DE: Aber die Vermutung, dass der Papst gegen Ökumene wäre und deswegen den Mariengedenktag auf den Pfingstmontag gelegt hat, ist haltlos?
Stens: Man muss immer im Hinterkopf behalten, dass Papst Franziskus mit seinen Entscheidungen die ganze Weltkirche im Blick hat und nicht nur Deutschland oder Mitteleuropa. Ihm ist die Ökumene – allerdings auch die mit der Orthodoxie oder den Pfingstkirchen – durchaus ein großes Anliegen.
Was nun die deutschen Bischöfe mit dem Gedenktag dauerhaft machen werden, bleibt abzuwarten.
Das Interview führte Tobias Fricke.
Information der Redaktion: Dieser Artikel wurde am 29.05.2023 zum ersten Mal veröffentlicht.