Vor 200 Jahren: Patriarch wird hingerichtet

Pforte zugeschweißt und geschlossen

Vor 200 Jahren, am 22. April 1821, wurde in Istanbul der Ökumenische Patriarch Gregor V. an der Hauptpforte seines Amtsitzes, dem Phanar, wegen Hochverrats gehängt. Die Pforte ist seither zugeschweißt und dauerhaft geschlossen.

Bartholomaios I. mit einem Mikrofon in der Hand / © Sascha Baumann (KNA)
Bartholomaios I. mit einem Mikrofon in der Hand / © Sascha Baumann ( KNA )

Die osmanischen Behörden warfen dem Patriarchen zu Unrecht vor, mit dem Aufstand der Griechen in Verbindung zu stehen. Die Erhebung der griechischen Nationalbewegung hatte die Führung in Istanbul unter Sultan Mahmud II. überrascht; auch konnte sie die Vorgänge aus der Entfernung nicht analysieren. Deshalb entlud sich das große Misstrauen der muslimischen Eliten gegenüber "den Griechen" unmittelbar am Patriarchen, der am Ostertag quasi öffentlich hingerichtet wurde.

Gregors Nachfolger Eugenios II. (1821-1822), ein Bulgare, versuchte, den Leichnam des Patriarchen vor der Schändung durch den Pöbel zu bewahren. Dabei wurde Eugenios selbst so schwer verletzt, dass er sich nie mehr davon erholte.

Gregors Leichnam wurde durch die Straßen der Stadt geschleift und schließlich in den Bosporus geworfen. Christlichen Seeleuten gelang es, die Leiche zu bergen. Sie brachten sie zur Bestattung nach Odessa. 1871 wurden die Gebeine in die Kathedrale von Athen überführt.

Aus dem Phanar wurden bei einem anschließenden Pogrom die meisten Amtsträger vertrieben; sie verloren ihr Vermögen, manche sogar das Leben. Das Vertrauen zwischen osmanischer Regierung und orthodoxen Untertanen war nachhaltig zerstört.

Proteste nach Ermordung von Gegorius

Die Ermordung von Gregorios V. wurde in der gesamten orthodoxen Welt, vor allem in Russland, mit Empörung zur Kenntnis genommen. Auch darüber hinaus gab es überall in Europa Proteste. Die politische Bewegung zur Befreiung Griechenlands ("Philhellenismus") wurde dadurch gestärkt - wie es der Patriarch noch kurz vor seinem Tod selbst vorausgesagt hatte.

Die noch intakte byzantinische Kultur erhielt im Zuge des griechischen Aufstands einen entscheidenden Schlag - denn die religiösen Gemeinschaften wurden dadurch quasi "ethnisiert".
"Griechisch-orthodox" bedeutete bald nicht mehr christlich mit "griechischem", also ostkirchlichen Ritus, sondern "orthodoxe Christen griechischer Volkszugehörigkeit". Über die entstehende griechisch-nationalistische Dominanz entstanden innerkirchlich ethnische Spannungen. So entzogen sich schließlich in den 1860er bis 80er Jahren die Bulgaren mit einer kirchlichen Selbstverwaltung ("Autokephalie") der Kontrolle des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel.

Gedenken an Jahrestag

Der amtierende Patriarch Bartholomaios I. beging den Jahrestag bereits am Wochenende rund um den 10. April. Er entzündete vor dem verschlossenen Tor des Phanar eine Kerze, legte Blumen nieder und kniete zum Gebet nieder. In einer Botschaft an die Gläubigen hob er das Glaubens- und Lebenszeugnis des 1921 heiliggesprochenen Patriarchen hervor.

Zu diesem Anlass wurde auch eine orthodoxe Ikone vorgestellt, auf der ein Muslim als Heiliger abgebildet ist. An der Seite von Gregor V. zeigt sie Halil Efendi, der damals als oberste islamische Rechtsinstanz im Osmanischen Reich seine Zustimmung zur Tötung des Patriarchen und der gesamten orthodoxen Bevölkerung Istanbuls als Vergeltung für die Erhebung der Griechen verweigerte.

Seit 1819 war der Tscherkesse Halil Efendi osmanischer "Schaich al-Islam" (oberster Richter, Mufti), ohne dessen Billigung kein Todesurteil und schon gar keine Massenhinrichtungen vollstreckt werden durften. Mit seiner Weigerung konnte er am Bosporus ein noch größeres Christenmassaker verhindern. Er selbst wurde wegen seines Einspruchs auf Befehl des Sultans abgesetzt und auf die Ägäis-Insel Lemnos verbannt. Vor der Exilierung verblutete er jedoch infolge von Folter.


Quelle:
KNA