Philosoph geht der Lust am Gruseln auf den Grund

Warum manche Tiere einen schlechten Ruf haben

Spinnen, Schlangen, Fledermäuse: Zu Halloween krabbeln, kriechen und flattern diese Tiere vermehrt umher. Jenseits des Gruselfestes will ihnen kaum jemand zu nahe kommen - und dafür gibt es verschiedene Gründe.

Autor/in:
Paula Konersmann
Spinnen und Fledermäuse ekeln uns, finden aber an Halloween trotzdem Einzug in viele Wohnungen / © Evgeny Atamanenko (shutterstock)
Spinnen und Fledermäuse ekeln uns, finden aber an Halloween trotzdem Einzug in viele Wohnungen / © Evgeny Atamanenko ( shutterstock )

Der aasige Geier - handelt eigentlich von der menschlichen Angst vor Tod und Vergänglichkeit. Die vampirische Fledermaus - dem fliegenden Tier der Nacht wurde aller mögliche Aberglaube angedichtet. Und der peinliche Affe irritiert vor allem, weil der Mensch ihm genetisch so nahe ist. "Tiere sind Akteure, die wir nicht immer verstehen", so fasst es Stephan Wunsch zusammen. "Da ist etwas, das wir nicht beherrschen, etwas Unkontrollierbares und Undurchsichtiges."

Das gilt freilich nicht für alle Tiere. Hund, Katze und Wellensittich sind dem Menschen sehr vertraut, erklärt der Autor des kürzlich erschienenen Buchs "Verrufene Tiere". "Sie sind unsere Begleiter. Auch die Spatzen vorm Fenster gruseln uns kein bisschen. Das Käuzchen, das nachts in der Ferne ruft, schon eher."

"Wir gruseln uns einfach gerne"

Allerdings sorgen Hai, Hyäne oder Krake nicht nur für Schrecken, sondern faszinieren auch. Dafür gibt es laut dem Philosophen und Puppenspieler eine einfache Erklärung. "Wir gruseln uns einfach gerne", sagt er auch im Hinblick auf Halloween. Das Fest, das in der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November gefeiert wird, ist vor allem in den USA beliebt, erobert aber auch zunehmend den europäischen Kontinent, wo bereits seine Ursprünge liegen.

Zehn Tiere beschreibt Wunsch auf gut 200 Seiten - das liest sich kurzweilig, mitunter erschreckend und durchweg erhellend. Erschreckend weniger im Hinblick auf falsche Schlangen oder glitschige Quallen. Er habe beim Verfassen des Buchs einmal mehr festgestellt, "wie schwer es ist, ein Mensch zu sein, mit wie viel Angst und Unbewusstem wir beladen sind", sagt Wunsch, und so ergeht es auch dem Lesepublikum.

Halloween

Halloween ist das Fest der leuchtenden Kürbisköpfe, Gruselpartys und Geisterumzüge. Es wird in der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November gefeiert. In den USA so beliebt wie etwa der Karneval im Rheinland, erobert dieses Herbstbrauchtum immer mehr den europäischen Kontinent. Dort liegen allerdings auch schon die Ursprünge des Festes.

Halloween: Kürbis-Gesichter leuchten in einem Garten / © Patrick Pleul (dpa)
Halloween: Kürbis-Gesichter leuchten in einem Garten / © Patrick Pleul ( dpa )

Horrorfilm mit Hai

Zum Beispiel "Der Weiße Hai": Wer denkt noch daran, dass dieser als Horrorfilm gelabelte Blockbuster nicht das Meerestier endgültig abstempeln, sondern vielmehr die vermeintliche Unverwundbarkeit des Menschen aufs Korn nehmen wollte?

Filmemacher Steven Spielberg habe erkannt, wie entlarvend der Umgang mit den realen Haiangriffen gewesen sei, die dem Film zugrunde liegen, "wie glatt und leicht die Flosse des Hais den dünnen Firnis der Zivilisation zum Zersplittern brachte", schreibt Wunsch. In früheren Zeiten hätten Hai-Attacken - die zudem höchst selten vorkommen - weniger für Aufsehen gesorgt, weil der Mensch ohnehin nicht im Gefühl unerschütterlicher Sicherheit lebte.

Wieso die Spinne uns nicht so sympathisch ist

Auch deutlich ältere Mythen haben großen Einfluss darauf, wie bestimmte Tiere wahrgenommen werden. Der listige Fuchs und die fleißige Biene tauchen schon in mittelalterlichen Fabeln auf, Delfine wurden bereits in der Antike als verwandelte Menschen verklärt.

Dabei vergesse man auch heute noch, dass Tiere instinktgesteuert handelten, keine edle oder grausame Absicht verfolgten, gibt Wunsch zu bedenken. Die Empathie stoße aber besonders dann an Grenzen, wenn man Tieren nicht ins Gesicht schauen könne - etwa bei Spinnen und anderen Insekten.

Supermarkt und Schlachthof

Wenn im Tier ein Du erkannt wird, erschwert das wiederum emotionale Distanz, wie der Soziologe Marcel Sebastian erklärt: "Weil mir dann ein Jemand gegenübersteht, den ich töte, und nicht ein Etwas, das ich verarbeite." Sebastian hat für seine Doktorarbeit unter anderem untersucht, wie Schlachter mit der Tötung von Tieren umgehen. Das Tier als Ware zu betrachten, sei hilfreich - auch im Alltag, sagte der Forscher jetzt der Zeitschrift "Psychologie Heute". "Das verarbeitete Tier wird im Supermarkt eingekauft, aber einen Schlachthof will niemand von innen sehen."

Sebastian sieht das Verhältnis zwischen Mensch und Tier zugleich in einem fundamentalen Wandel. Aktivisten sprechen sich gegen sogenannten Speziesismus aus, also eine Andersbehandlung von Lebewesen aufgrund ihrer Artzugehörigkeit.

Wunsch meint, dass sich "die ethische Abbruchkante" zwischen Mensch und Tier nicht aufrecht erhalten lasse. Auch von den "verrufenen Tieren" lasse sich eine gewisse Demut lernen. Der Autor verweist auf Elefanten, die so etwas wie Totenpflege betrieben, oder auf Versuche mit dem Gorillaweibchen Koko, das mittels Zeichensprache die Frage beantwortete, was der Tod sei: "Bequemes Loch auf Wiedersehen."

Quelle:
KNA